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Fastenpredigt von Erzbischof Ludwig Schick am 7. März 2009, Allerheiligen Nürnberg

Kurze Unterbrechung
Stopp! Anhalten!
Bin ich auf dem richtigen Weg?
Wohin will ich eigentlich?
Stimmt die Richtung noch?
Habe ich mich verfahren?
Umkehren?
Einen besseren Weg suchen?
Meine Ziele neu justieren?
Hin und wieder
Einen Zwischenhalt einlegen.
Innehalten.Prüfen.
Mein Leben neu ausrichten
(Gisela Baltes)

Liebe Schwestern und Brüder in Allerheiligen Nürnberg,
liebe Mitchristen!

1. Das moderne Gedicht von Gisela Baltes, das ich eben zitiert habe, drückt gut aus, was die Fastenzeit will. Es ist überschrieben: „Kurze Unterbrechung“. Die Fastenzeit lädt zur „Unterbrechung“, zu einem „Zwischenhalt“ und zur „Überprüfung“ ein. Dazu sollen auch Fastenpredigten beitragen. So verstehe ich meine Fastenpredigt heute Abend bei Ihnen. Ich möchte mit Ihnen über „Die Würde jeden menschlichen Lebens“ nachdenken. Dabei wollen wir unser Denken und Handeln überprüfen und gegebenenfalls auch neu ausrichten bezüglich der Würde jedes menschlichen Lebens.

2. „Achtung gebietender Wert, der einem Menschen innewohnt“, so definiert das „Herkunftswörterbuch“ des Duden den Begriff „Würde“. Würde kommt also von ‚Wert, einem Wert, der Achtung erfordert. Der Wert des Menschen macht seine Würde aus. Das Hauptwort Wert ist wiederum abgeleitet vom Tuwort „werden“, „entstehen“. Dieses deutsche Wort „werden“ kommt aus dem Lateinischen ‚vertere – drehen, wenden, machen zu’.

3. Liebe Mitchristen!
Ich will mit Ihnen keine etymologischen Sprachübungen machen. Aber diese Überlegungen können helfen, besser zu verstehen, was „die Würde jeden menschlichen Lebens“ ausmacht, um sich dann entsprechend zu verhalten. Das Wort „Würde des Menschen“ führen heute viele im Mund. Aber wie sieht es mit der Würde des Menschen aus, d. h. mit der Achtung jedes menschlichen Lebens? „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik und in den allgemeinen Menschenrechten der Vereinten Nationen, wie steht es damit?
„Die Wahrheit ist konkret!“, schrieb Bert Brecht. Ein paar Beispiele?
Liebe Kinder und Jugendliche!
Gestern war in der Beilage der Süddeutschen Zeitung ein Bericht über „Mobbing in den Schulen“ abgedruckt. Schülerinnen und Schüler quälen mit schlimmsten Beschimpfungen, mit Ausgrenzung, Schlägen, Nadelstichen und Erpressungen schwache oder gar die schwächsten Mitschüler. Fast in jeder Schulklasse Deutschlands soll es das geben. Wo ist da „Die Würde jedes menschlichen Lebens“?
Wie sieht es bei den älteren Menschen aus? Bei der seit Jahren dauernden Gesundheitsreformdiskussion steht ständig die Frage im Raum: Welche ärztlichen Behandlungen, besonders Ersatzoperationen oder Kuren sollen ältere Menschen noch bekommen?
Oder die unmögliche Diskussion über Sterbehilfe.
Hier ist die Würde des Menschen nicht mehr unangetastet, hier wird sie angetastet! Schon die Diskussionen darüber offenbaren Mangel an Menschenwürde. Die jährlich 120.000 oder 160.000 Abtreibungen in Deutschland, vor allem die Spätabtreibungen, zeigen wie tief wir gesunken sind, denn Embryonen sind Menschen im Frühstadium des Lebens. Abtreibungen „tasten die Würde jedes Menschen“fundamental durch Tötung an. Oder denken wir an die misshandelten, gequälten, verführten, missbrauchten Kinder und Jugendlichen – überall Missachtung menschlichen Lebens!
Ich möchte noch Zwangsprostitution, Kindersoldaten und Ausländerhass beispielhaft nennen. Jeder Krieg ist in sich Missachtung der Würde des Menschen. Jede Rassendiskriminierung bedeutet ein Antasten der Menschenwürde. Aber auch die Isolation von Familienangehörigen, oder das links liegen lassen anderer missachtet ihre Würde. Nicht mehr mit ihnen sprechen, das schlecht machen anderer, Gerüchte streuen sind Formen und Möglichkeiten „die Würde jeden menschlichen Lebens“ anzutasten und zu missachten.

4. Würde kommt von Wert und Wert von werden, sich entwickeln, gewendet werden oder noch mal anders von „herkommen von“.
Was ist der Mensch wert? Chemiker haben einmal den Wert des Menschen berechnet. Er besteht aus 68 Prozent Wasser, 20 Prozent Kohlenstoff, 6 Prozent Sauerstoff und etlichen Mineralien. Je nach Körpergröße macht das 10 Euro zusammen. Für den Chemiker ist der Mensch 10 Euro wert.
Die Computerfachleute interessieren sich für die Speicherkapazität, die cebit-Kapazitäten und die Linkmöglichkeiten. Sie sind beim Menschen größer als bei jedem Computer. Für diese Spezialisten ist der Mensch Tausende von Euro wert, wahrscheinlich sogar unbezahlbar, weil sein Gehirn unersetzbar ist. Aber wie ist es mit den weniger Begabten, den Behinderten, den Dementen? Oder ist der Mensch das wert, was er verdient? Bestimmen sein Bankkonto, sein Auto, sein Haus und die Urlaubsreisen seinen Wert? Was ist dann mit den Armen, Leistungsschwachen, Sozialhilfeempfängern? Selbstverständlich bestimmen die Beziehungen zu einem Menschen, zum Ehepartner, zu Kindern, zu Freunden, zu Nachbarn den Wert dieses konkreten Menschen für seine Mitmenschen. Was ist aber mit den Alleinstehenden?

5. „Die Würde jeden menschlichen Lebens“ hängt nicht allein vom Wert ab, den ein Mensch, eine Institution, oder die öffentliche Meinung ihm zumisst. Der Wert hängt von seinem Werden, von seiner Herkunft ab. Woher kommt der Mensch? Die Lesungen und das Evangelium geben eine Antwort darauf. „Gott ist für uns“, heißt es in der Lesung. „Das ist mein geliebter Sohn“, verkündet das Evangelium. Bereits die Kirchenväter sagten, dass Gott bei der Verklärung auf dem Berg erneut auch bekundet, dass alle Menschen seine geliebten Töchter und Söhne sind. Gott hat alle Menschen erschaffen und ist für uns. Er hat seinen Sohn gesandt, um uns das zu zeigen und es zu verkünden. „Die Würde jedes menschlichen Lebens“ kann nur von seinem „Werden“ her erkannt werden. Wir, alle Menschen, sind von Gott her. Wir alle, jede und jeder. Weil Gott uns geschaffen hat, deshalb ist jeder Mensch wert, dass er lebt, dass er von jedem geachtet wird, dass er sich entfalten kann, sich einsetzen darf, dass er schließlich gepflegt wird und menschlich sterben darf.
Die Würde jedes menschlichen Lebens ist noch einmal mehr begründet in der Tatsache, dass Gott seinen Sohn für jeden Menschen hingegeben hat. Jeder ist Gottes geliebtes Kind, Sohn oder Tochter. Gott hat sich zu jedem in Jesus Christus hingewendet. Das muss auch für uns Hinwendung zu jedem Menschen bedeuten. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar, weil Gott den Menschen zu seiner Rechten erhoben hat. Deshalb hat jedes menschliche Leben Würde: „Was ist der Mensch, dass Du seiner achtest und Dich annimmst. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott“, so verkündet ein Psalm.
Liebe Mitchristen!
„Die Wahrheit ist konkret“. Die Würde eines jeden Menschen ist konkret. Wenn wir die Würde jedes Menschen anerkennen, dann muss das Folgen haben in unserem Umgang miteinander und mit jedem. Dabei ist jeder gefordert: Die Fastenzeit ist Gelegenheit dazu:
“Hin und wieder
Einen Zwischenhalt einlegen.
Innehalten. Prüfen.
Mein Leben neu ausrichten“.

Datum: 07.03.2009
Erzbischof Ludwig Schick
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