Schülerinnen der Maria Ward Realschule Bamberg erhalten den renommierten Snopkowski-Preis
Markus Raupach
v.l.n.r.: Projektleiterin Andrea Stickler, Rektoratsmitarbeiterin Barbara Hauck, Johanna Krause (Kulturwerkstatt), Projekt-Schirmherrin Dr. Yael Deusel von der jüdischen Kultusgemeinde Bamberg, Natascha Kontarakes, Isabell Wich, Judith Siedersberger (Kulturwerkstatt), Ilse-Ruth Snopkowski, Charlott Meixner, Theresa Hohmann, Janina Bonaventura.
"Das ist ein ganz großer Moment für mich", sagte die 19jährige Isabell Wich mit glänzenden Augen,"so viele Leute, und die sind alle wegen uns da." Recht hatte die Bamberger Schülerin, denn die Preisverleihung in München fand nicht nur im Kaisersaal der Residenz statt, der sonst nur Staatsempfängen vorbehalten ist, sondern es saßen auch über 500 Personen des öffentlichen Lebens darin, die bei dem Festaktdabei sein wollten. Angefangen von Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, über den bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle und Prinz Ludwig von Bayern bis zu der Schauspielerin Senta Berger hatten sich viele Prominente bei der dritten Simon-Snopkowski-Preis-Verleihung eingefunden.
Der Preis wird seit 2006 im zweijährigen Turnus von der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition e.V. an Forschungsprojekte zur jüdischen Geschichte in Bayern vergeben. Snopkowski hatte sich - als einziger Holocaust-Überlebender seiner Familie - für ein Verbleiben im Land der Täter entschieden. Von den Nationalsozialisten im KZ Groß-Rosen inhaftiert, gelangte er mit einem Flüchtlingszug nach Bayern, wo er in München Medizin studierte und schließlich von 1966 bis 1987 Chefarzt am Klinikum rechts der Isar war. Als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern war Snopkowski Gründungsmitglied der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition und wurde deren erster Vorsitzender. Zum Angedenken an den 2001 verstorbenen Verdienstkreuzträger schuf seine Witwe den nach ihm benannten Preis, mit dem sie nach eigenen Worten "nicht nur Geleistetes anerkennen, sondern vor allem zu weiterer Arbeit und Auseinandersetzung motivieren will".
Für 2010 hatte sich - neben vielen weiteren bayerischen Schulen und Projekten - auch die Maria Ward Realschule Bamberg für den Simon-Snopkowski-Preis beworben, der über die Schulleitung auch den Lehrern bekannt gemacht worden war. Geschichtslehrerin Andrea Stickler bearbeitete im Rahmen des Wahlfachs "Politik und Zeitgeschichte" mit 17 Schülerinnen die Tagebücher der ehemaligen Mitschülerin Erika Löbl, die zu Beginn des zweiten Weltkrieges mit einem Kindertransport nach England entkommen konnte. Aus der Arbeit an den beiden Tagebüchern der 1924 geborenen Bambergerin erstellte die Projektgruppe mit Hilfe der Kulturwerkstatt Bamberg eine ausführliche Internetseite und vollzog den Lebenslauf von Erika Löbl von 1937 bis 1943 nach. "Es war ein bewegender Moment, die Original-Tagebücher in Händen zu halten", berichtete Charlott Meixner, "wir konnten in eine ganz andere Welt eintauchen. Zuerst war alles normal, Kinobesuche, Ausflüge und so, aber dann, am Tag der Reichskristallnacht, wurde klar, dass die Geschehnisse in Deutschland auch an einem 14jährigen Mädchen in Bamberg nicht spurlos vorübergehen würden." An diesem Tag findet sich ein Gedicht von Rudyard Kipling im Tagebuch, an dessen Ende steht: "Wenn du in unverzeihlicher Minute Sechzig Sekunden lang verzeihen kannst [...] - dann bist du ein Mensch!"
Die Schülerinnen erstellten nicht nur die Internetseite, sondern konzipierten auch eine Ausstellung im jüdischen Lehrhaus der Synagoge Bamberg, hielten zahlreiche Vorträge und Lesungen an anderen Schulen, in der Villa Dessauer und im Lichtspielkino, halfen beim Zug der Erinnerung - und sammelten Geld für einen Stolperstein, der am 20 September vor der Luitpoldstraße 27 für Erikas Großmutter Karolina Löbl, die 1942 in Treblinka ermordet wurde, verlegt werden konnte. Eine Arbeit, mit der sie, so Laudator Ludwig Spaenle, "den Menschen ihre Würde zurückgegeben" haben. Der Minister verwies auf den nach 1945 in der Deutschen Verfassung verankerten Grundsatz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" und stellte klar, dass die Schülerinnen Vorbilder für das Ziel seien, "ein Miteinander jeglichen Glaubens" in Deutschland zu realisieren. Denn Demokratie gebe es nicht umsonst, man müsse immer dafür kämpfen.
So war es denn auch für die Jury des Snopkowski-Preises eine einstimmige Entscheidung, den mit 1.000 Euro dotierten ersten Preis nach Bamberg zu vergeben. Der zweite Preis ging an eine Grundschule aus Mallersdorf, die mit der Frage "Warum gibt es einen jüdischen Friedhof in Mallersdorf" die Geschichte eines Todesmarsches aus Buchenwald aufgearbeitet hatte, im Zuge dessen 67 KZ-Häftlinge in dem Ort umkamen und einige durch Zivilcourage der Bürger gerettet werden konnten. Den Ehrenpreis des Simon-Snopkowski-Preises erhielt der der Regisseur Michael Verhoeven, der unter anderem den Film "Die Weiße Rose" gedreht hatte. Dass dieser Film zu Zeiten seines Erscheinens vom auswärtigen Amt für die Goethe-Intitute verboten wurde, zeigt, dass die Außeinandersetzung mit der NS-Zeit für viele Deutsche erst weit nach 1945 begonnen hatte. Dies war auch Hauptthema der Laudatio von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der unter anderem darauf verwies, dass es bin in das jetzige Jahrzehnt gedauert habe, dass Institutionen wie die Reichsbahn oder das Auswärtige Amt Ihre Rolle in der NS-Zeit aufarbeiteten.
Datum: 02.11.2010
Autor: Markus Raupach
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