Den Pädagogik-Ingenieur beiseite schieben Bildergalerien Jahrestagung des JKI in Schönstatt Am vergangenen Wochenende trafen sich Mitglieder und Interessierte auf der Jahrestagung des Josef-Kentenich-Instituts in Schönstatt. Unter der Überschrift Bund–Bündnis–Bindung fand ein öffentlicher wissenschaftlicher Tag statt, an dessen Beginn nichts Geringeres als eine kleine Sensation angekündigt wurde: Die bisher verschollen geglaubte Fortsetzung des zu den Grundlagenwerken zählenden zweibändigen Werkes „Das Lebensgeheimnis Schönstatts“ ist aufgetaucht und wird auf der Tagung veröffentlicht und vorgestellt.
Auch wenn die Neugierde bei den ca. 45 Teilnehmern groß war, mussten diese noch ein wenig auf das Ereignis warten. Privatdozent Dr. Bernd Biberger spannte in seinem Einstiegsreferat ausgehend von dem alttestamentlichen Bund Gottes mit dem Volk Israel den Bogen zum Kerngedanken Schönstatts, dem Liebesbündnis. Dieses Bündnis ist, wie die alttestamentlichen Bundesschlüsse, eine Zusage Gottes zu bedingungsloser Unterstützung wie auch die Aufforderung zur Mitarbeit des Menschen, die der entscheidende Faktor für die Fruchtbarkeit des Bundes ist.
Dann kam Sie, die Sensation: Dr. Peter Wolf stellte die bisher unbekannte Fortsetzung des unter dem Titel „Das Lebensgeheimnis Schönstatts“ veröffentlichten Joseph-Brief vor und stellte diesen in den historischen und inhaltlichen Kontext. In dieser Fortsetzung geht es Pater Kentenich um die Wirkung des Liebesbündnisses, das er gegen die Hauptproblematik seiner Zeit, das mechanistische Denken, in Stellung bringt: Es besteht eine „unvereinbare Gegensätzlichkeit zwischen gelebtem Liebesbündnis und mechanistischem Denken“, so der Gründer der Schönstattbewegung. Gleichzeitig betont Kentenich in diesem neu entdeckten Text, dass das Liebesbündnis mit Maria den Menschen gegenüber dem Kollektivismus immunisiert.
Nach Bund und Bündnis wanderte am Nachmittag des wissenschaftlichen Tages der Fokus auf das Thema Bindung. Frau Uta Söder referierte über neue Bindungstheorien in der heutigen Psychologie und Tiefenpsychologie. In verschiedener Hinsicht werden Theorie und Praxis von Josef Kentenich (schon früh im vergangenen Jahrhundert praktiziert) durch diese neuen Forschungsergebnisse bestätigt. Es folgte eine meditativ gestaltete Vorpremiere des bisher unveröffentlichten Kentenich-Bildbandes „Vaterblicke“, dargeboten von Johannes Rutzmoser. Zwei ausgewählte Kapitel wurden zusammen mit den Texten dem Publikum vorgestellt. Der folgende Tag stand ganz im Zeichen des JKI-Preises, der im Jubiläumsjahr 2014 an Nathalie Kulinsky verliehen wurde. Bei ihrer Vorstellung machte die Preisträgerin und Studentin der Educational Sciences anschaulich, was die Problematik in der heutigen Erziehungswissenschaft
ist: Mit dem Argument von Wertneutralität werden weitestgehend keine inhaltlichen Erziehungsziele mehr verfolgt, sondern nur mehr Kompetenzen vermittelt, die – je nach politischer oder ökonomischer Großwetterlage – den Kindern und Jugendlichen in möglichst formalisierter und reproduzierbarer Form beigebracht werden. Diesen ‚Pädagogik-Ingenieur‘, auf einem Stellwand-Plakat beschrieben, schob die Preisträgerin beiseite, um inhaltlich gefüllten pädagogischen Konzepten Raum zu geben. Sie verglich in Ihrer Arbeit die pädagogischen Konzepte Anselm Winfried Müllers (emeritierter Philosoph der Universität von Trier) und Josef Kentenichs anhand ausgewählter Kategorien, wobei sie auf viele Gemeinsamkeiten stieß. Da steht zum einen der Selbstzweck der Erziehung, nicht hin zu einem Produkt, sondern aus dem Ethos, fremdem Leben zu dienen. Auch die Idee des selbsterzogenen Erziehers sowie das Ziel von einer Erziehung zur Selbstständigkeit sind in beiden Konzepten von zentraler Bedeutung. Lediglich die metaphysisch-religiöse Dimension ist nur bei Kentenich vorhanden, wohingegen Müller ein ethisches Konzept vorschlägt. Abschließend bemerkte Kulinsky, dass beim Pädagogik-Ingenieur die Wertneutralität nur auf den ersten Blick gegeben ist, da anstelle traditioneller Werte nun Skills im Rahmen eines ökonomisch-politischen Wertesystems – also keineswegs wertneutral – gegeben werden.
In einer mit Leidenschaft vorgetragenen Laudatio würdigte Prof. Dr. Joachim Söder die Intention, Methode und das Ergebnis der Abschlussarbeit. „Über Kentenich gibt es zwei Typen von wissenschaftlichen Arbeiten: Gut gemeinte und wirklich gute Arbeiten. Diese Arbeit“, so der Laudator, „gehört eindeutig zur Gruppe der letzteren.“ Der JKI-Preis 2014 wurde Frau Kulinsky vom Präsidenten des JKI, PD Dr. Bernd Biberger, überreicht. An dieser Feier der Preis-Verleihung hat auch die Familie der Preisträgerin – angereist aus dem schwäbischen Uhingen – in auffallend großer Zahl teilgenommen. Im nächsten Jahr wird die Jahrestagung des JKI vom 6. bis 8. März stattfinden. Johannes Rutzmoser / Oskar Bühler Der „neue“ Text von Pater Kentenich Die Preis-Arbeit von Nathalie Kulinsky Bildergalerien: Vortrag Liebesbündnis - Gottesdienst - Laudatio - Preisverleihung - Gratulation - Mahlzeit
|