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Haus Moriah Josef-Kentenich-Institut Adressaten der Neuevangelisierung

An welche Adressaten richtet sich die Neuevangelisierung?

  • „. . . andererseits auf die neue Evangelisierung, die sich hauptsächlich an die Menschen richtet, die zwar getauft sind, sich aber von der Kirche entfernt haben und in ihrem Leben keine Beziehung zur christlichen Praxis haben.“
    (Predigt bei der Eröffnung der Bischofssynode – 07.10.2012)

Diese Definition bzw. Umschreibung der Neuevangelisierung wirft die Frage auf, an wen sich die Neuevangelisierung richtet. Die Einschränkung auf Getaufte wird der Situation in Ostdeutschland und in anderen östlichen Ländern (z.B. Tschechien) nicht gerecht. Wahrscheinlich ließen sich noch andere Bereiche in Europa nennen (z.B. Großstädte wie Hamburg), für die dasselbe gilt. In diesen Ländern bzw. Bereichen gibt es nur noch wenig Getaufte. Unsere Bemühungen der Neuevangelisierung dürfen sich nicht auf die Getauften beschränken. Es muss deswegen die Adressierung der Neuevangelisierung gründlicher bedacht werden.

Zunächst ist zu bedenken, dass es um Bereiche bzw. Länder geht, in denen es eine Jahrhunderte währende christliche Tradition gibt, die im Zuge der fortschreitenden Säkularisierung schwächer geworden ist und abzubrechen droht. Hier nur die Minderheit der Getauften im Blick zu haben und sich auf diese zu beschränken, würde einem Rückzug gleich kommen. Neuevangelisierung muss grundsätzlich offen sein für alle Menschen und muss deswegen auch die Lebenssituation von nicht getauften Menschen berücksichtigen, die in einem christlichen bzw. nachchristlichen Kulturkreis leben.

Um die Adressierung der Neuevangelisierung genauer zu fassen, muss ein Blick auf die Ursache geworfen werden, die eine Neuevangelisierung notwendig macht: die Säkularisierung. Das Phänomen der Säkularisierung stellt sich zunächst so dar, dass die Menschen die Wirklichkeit der Welt in einer so massiven Weise erfahren und erleben, dass diese wie eine Trennwand zwischen dem Individuum und Gott erscheint. Der Mensch erlebt im Zuge der Säkularisierung die Welt als Trennwand, als Barriere Gott gegenüber. Was er von der Welt erlebt und in sich aufnimmt, stellt ihn zufrieden und lässt zunächst keinen Wunsch nach mehr zu. „Ich glaube nichts, und mir auch fehlt nichts.“

Wie lässt sich in so lebenden und so denkenden Menschen ein neuer Blick auf Gott und eine neue Sehnsucht nach ihm wecken? Man mag zunächst daran denken, diese Menschen zu einem Punkt außerhalb der Barriere „Welt“ mitzunehmen, um ihnen von da aus einen Zugang zu Gott zu vermitteln. Folge davon wäre, dass für diese Menschen die Distanz zwischen Welt und Gott sich immer mehr vergrößert und zu einem Abgrund wird. Das würde der Wirklichkeit der Welt als Schöpfung Gottes zuwiderlaufen. Was der Wirklichkeit nicht gerecht wird, kann kein Weg zu Gott sein.

Weiter führen kann nur ein genauerer und gründlicherer Blick auf die Welt als Schöpfung Gottes. Ein solcher Blick gibt sich nicht mit einer ersten vordergründigen Faszination zufrieden. Er versucht tiefer zu sehen und sucht nach den Spuren Gottes in der Welt.

Gott hat die Welt so geschaffen, dass er in ihr erkannt werden kann. Dies gilt ganz besonders von der Krone der Schöpfung, dem Menschen, den er als sein Abbild geschaffen hat. Neuevangelisierung muss deswegen damit ansetzen, in der Welt, insbesondere im Menschen die Spuren Gottes zu entdecken. Die Liebe, die zwei junge Menschen zueinander entdecken, kann als ein beglückendes Gottesgeschenk erfahren werden. Das Vertrauen und die Geborgenheit, die ein Kind bei Mutter und Vater von Anfang an erfährt, kann als Ausdruck der Liebe Gottes gedeutet und gesehen werden. (Nach P. Kentenich schenkt Gott den Eltern die Fähigkeit, Vertrauen und Geborgenheit zu schenken, um des Kindes willen.) Die zunächst als Barriere erfahrene Welt wird bei genauerem Hinsehen zur Brücke zwischen Gott und dem Menschen.

Nun ist aber noch zu beachten, dass das oben gekennzeichnete Phänomen der Säkularisierung nicht nur bei den Menschen fest zu machen ist, die ihren Glauben schon weitgehend oder ganz aufgegeben haben. Mit dem Erleben einer massiven Welt, die sich zwischen dem Individuum und Gott als Trennwand aufzutun scheint, haben auch glaubende Menschen zu tun. Ihr Glaube kann dadurch geschwächt werden und sich auflösen. Mit dem Phänomen der Säkularisierung haben praktisch alle Glieder der Kirche, ja alle Menschen zu tun, nicht nur eine bestimmte soziologisch definierte Gruppe.

Neuevangelisierung muss sich deswegen auf dieses Phänomen einstellen. Konkret bedeutet dies, dass sich die Pastoral mit dem Verhältnis des Christen zur Welt auseinander setzen muss. Sie muss Wege finden und aufzeigen, wie der Mensch in dieser sich immer weltlicher gebenden Welt die für ihn gelegten Spuren Gottes erkennen und ihnen folgen kann.

Dazu sind zwei Perspektiven besonders wichtig:

  • Die Welt ist Schöpfung Gottes. Gott hat sozusagen sich selbst in seine Schöpfung, die wir als Welt erfahren, hinein investiert, um dem Menschen die Möglichkeit zu geben, ihn zu erkennen und ihm zu begegnen. Neuevangelisierung braucht deswegen als Grundlage auch eine ausgeprägte Schöpfungstheologie.
  • Damit es zu solcher Begegnung kommt, sind besonders die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Blick zu nehmen und als Wege zur Erfahrung Gottes und zur Begegnung mit Gott zu deuten. Hier kommt dem Bereich Ehe und Familie eine vorrangige Bedeutung zu.

8. Oktober 2012
Oskar Bühler

 

 
 

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