Wie das Altarbild, das Marienbild, die Kapelle (des Studienheimes) nicht nur schmückt, sondern sie in aller Form beherrscht, so soll Maria in dem Tempel der Kongregation, in dem Heiligtum unseres Herzens nicht eine, wenn auch hervorragende Stelle einnehmen, nein, sie muß darin herrschen mit unumschränkter Gewalt. In diesem Sinne finden wir Maria in der Kongregation. Und so muß es sein. Wenn die Marianische Kongregation irgendwie Existenzberechtigung haben soll, dann gehört zu ihrem innersten Wesen unbedingt eine ganz besondere, eine ausgezeichnete Marienverehrung. Mit ihr steht und fällt die Kongregation. (...) Maria und Mariendienst sind der nächste Zweck der Kongregation. In demselben Maße, in dem wir diesen Zweck erstreben oder vernachlässigen, arbeiten wir an dem Auf- und Ausbau oder an der Vernichtung, der Zerstörung der Kongregation. Alle Bestrebungen und Strömungen im Schoße der Kongregation, ich denke da besonders an die verschiedenen Sektionen, haben nur insofern Geltung und Wert, als sie von der Liebe zu Maria befruchtet sind. Von der rechten Erfassung und planmäßigen Durchführung dieses Gedankens hängt auch die Erreichung des letzten Zweckes der Kongregation ab. Worin besteht dieser letzte Zweck? Das Bild der Gottesmutter beherrscht zwar die Kapelle, doch ihren Mittelpunkt, ihr Zentrum bildet es nicht. Das ist einzig und allein der Tabernakel und der ihn bewohnt: Jesus Christus, hochgelobt in Ewigkeit: der Ausgangs- und Zielpunkt unserer gesamten Religion. So ist auch der letzte Zweck der Kongregation nicht Maria, sondern der Heiland. Wir weihen uns ohne Rückhalt der allerseligsten Jungfrau, damit sie uns zu ihrem göttlichen Sohne führe, geradeso wie sie hier auf dem Bilde mit sanfter Gewalt den zagenden und zögernden Johannes zu ihm führt. Per Mariam ad Jesum! Durch Maria zu Jesus! Das ist der ganze Zweck der Kongregation auf die kürzeste Formel gebracht. Wie Maria den Heiland zu uns gebracht, so bringt sie auch uns zum Heiland, und sie kennt keine andere, keine größere Sorge, als uns in der innigsten Verbindung mit ihm zu erhalten - ähnlich wie sie hier in Lebensgröße den Tabernakel mit Sorgfalt bewacht. Qui me invenerit, inveniet vitam et hauriet salutem a Domino (Spr 8,35). Diese Worte der Schrift wendet die Kirche auf unsere Herrin und Gebieterin an. Wer mich findet, der findet das Leben, der findet und bewahrt die Quelle alles Lebens: Jesus Christus. In der Tat! Könnten wir uns eine bessere Führerin wählen und wünschen als sie, die natürliche Mutter und bewährte Erzieherin des Heilandes! Maria führt uns, sie trägt uns nicht auf den Händen. Sie will keine träge Passivität großziehen. Dafür ist der Weg, den sie uns mit kundiger Hand zeigt, zu steil und steinig. Nein, ihre Tätigkeit besteht darin, daß sie alles, was Ritterlichkeit und Männlichkeit in uns heißt, auf den Plan ruft und zur vollsten Entfaltung bringt. Erst da, wo unsere Kräfte mit dem besten Willen tatsächlich nicht mehr ausreichen, da hilft sie uns über die Schwierigkeiten hinweg. Der Weg ist hart und steil: Wir finden ihn gekennzeichnet in dem Grundsatz, den der heilige Johannes der Täufer verwirklichte: Christum oportet crescere, me autem minui. Christus muß wachsen, ich aber abnehmen (Joh 3,30). Abnehmen muß in uns, ausziehen muß ich alle Selbstsucht, alle Weltsucht, und dafür muß ich nach dem Worte des Apostels Christum induere, Christus anziehen (vgl. Röm 13,14), das heißt, ich muß, wie derselbe Apostel an einer anderen Stelle sagt, alter Christus fieri, ein anderer Christus werden. Erschienen in: Joseph Kentenich Christus mein Leben Ausgewählte Texte zum Christus-Jahr 1997 Herausgegeben von Günther M Boll, M. Pia Buesge, Peter Wolf Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt www.patris-verlag.de |