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Es ist eine lange Gedankenkette, deren Endglied wir nunmehr in der Hand haben. Glied an Glied hat sich, ohne daß wir es merkten, zusammengefügt. Jetzt ist sie geschlossen. Wir überschlagen sie rückschauend nochmals in ihrer Ganzheit und in ihren einzelnen Teilen. Wie klingt jetzt die Tatsache, die wir S. 27 festgestellt haben: Die Gottesmutter hat ein bedeutsames Liebesbündnis mit Schönstatt und allen Schönstattkindern geschlossen.
Wir nehmen von jetzt ab die Tatsache als solche mehr denn je als selbstverständlich, ahnen aber auch etwas von ihrer Bedeutung für die Rettung der bedrohten christlichen Existenz in der heutigen apokalyptischen Zeit. Wir halten fest: Weil wir das historisch gewordene Liebesbündnis nur mit Hilfe des praktischen Vorsehungsglaubens erfassen und leben [[94]] können, weil dieser Vorsehungsglaube ferner in der Familie heroische Grade angenommen hat und ständig annehmen muß, weil er ihr endlich als Charisma geschenkt worden ist, bewahrt er die christliche Existenz allseits vor Erschütterungen. Wir denken hier, wie Sie wissen, an die Unbegreiflichkeiten der rätselhaften und geheimnisvollen Wege göttlicher Weltregierung.
Der Vollständigkeit halber füge ich bei, ohne den Gedanken jedoch ausführen zu wollen, daß unser Vorsehungsglaube an Wirkkraft wegen seiner marianischen Prägung ungemein viel gewonnen hat. Wegen dieser Eigenart sieht er überall in Welterlösung und Weltregie- /
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rung die Gottesmutter mitbeteiligt. Ihr Arm ist für ihn schlechthin der verlängerte Allmachts-, Weisheits- und Liebesarm des dreifaltigen Gottes. So räumt er ihr im praktischen Leben bis in alle Einzelheiten die Stellung ein, die ihr nach göttlicher Planung zukommt. Die geschaffene Ordnung ist aber ein inkarnierter Gottesgedanke und Gotteswunsch. Unser Vorsehungsglaube geht füglich innig, freudig und dauernd auf einen ausgesprochenen Gotteswunsch ein und sichert sich schon allein dadurch einen höheren Grad göttlichen Wohlgefallens. Das gilt besonders heute, weil Gott offenbar die Absicht hat, seine Mutter in unserer Zeit in besonderer Weise zu verherrlichen. Alle, die sich ihm dafür als Werkzeug anbieten, dürfen sich besonderer Gnaden versichert halten. Die Gebenedeite unter den Weibern steht zwar im Zentrum des Christentums, ist aber nicht das Zentrum.
Es handelt sich endlich in unserem Falle um mariologische Wahrheiten, die noch nicht definiert sind. Es gehört darum zu ihrer lebendigen Erfassung ein größerer Glaubensgeist, der hinwiederum fähig macht, leichter und heroischer aus dem Glauben zu leben. Die dadurch gewährleistete ständige Übung des Glaubens, der in der marianischen Atmosphäre wie in Heimatluft besonders gut gedeiht und durch die »quasi-interpellatio der omnipotentia supplex[24]« eine allseitige Vertiefung und Bereicherung erwarten darf, macht es auf der ganzen Linie leichter, mit dem Apostel das Wort zu wiederholen: »Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube!« (1 Jo 5,4.)
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Es wäre nun am Platze, zusammenzufassen, was wir der lieben Gottesmutter alles zu verdanken haben. Ich verzichte darauf. Wir berühren damit ja eine Welt, in der wir alle zu Hause sind, weil unsere tägliche Betrachtung vornehmlich ein Kosten der göttlichen und marianischen Erbarmungen im Alltag ist. Statt dessen schließe ich mit einem kurzen Gebet aus »Himmelwärts«. Es richtet sich an die Gottesmutter:
»Laß Dank mich sagen, dein Lob hintragen in schlichter Weise in alle Kreise zu jeder Zeit in Dienstbarkeit.
Und voll Vertrauen will nur ich schauen, des Vaters Willen treu zu erfüllen, ob's Weltgericht herein auch bricht.
Er wird mich leiten durch Dunkelheiten, trotz aller Wirren mich heimwärts führen an deiner Hand ins Vaterland.
Nach allem Weinen mich dort vereinen mit meinen Lieben, die treu geblieben: das Lamm zu sehn, vor Gott zu stehn. Amen[25].«
31. Mai 1952[26]
(Fortsetzung folgt.)
Aus: Joseph Kentenich, Das Lebensgeheimnis Schönstatts. I. Teil: Geist und Form, Vallendar-Schönstatt 1971, 242 S. www.Patris-Verlag.de
[24] Mariens Fürbitte nimmt in gewissem Sinne teil an der interpellatorischen Art, wie Christus beim Vater für die Menschen eintritt. Deshalb wird Maria die "Allmacht auf den Knien" genannt. Vgl. Scheeben-Feckes, Die bräutliche Gottesmutter, Essen 1951, 219. [25] Himmelwärts, 145. Dieses Gebet hatte P. Kentenich in Dachau verfaßt, als er die Nachricht erhielt, die Familie von P. Fischer sei ausgebombt. P. Fischer sandte es am 3. 12. 1944 nach Hause. [26] Hier endet der 1. Teil der Studie 1952. Bevor P. Kentenich ihn absandte, legte er ihn in der Nacht des 31. Mai in Erinnerung an einen ähnlichen Akt drei Jahre vorher auf den Altar des Heiligtums von Bellavista.
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