Versteckspiel! Versteckt sich der liebe Gott nicht auch hinter die Menschen, durch die er uns Gutes schenkt, Böses schenkt! Versteckspiel! Denken Sie an die schönen Bilder, etwa an das Bild der Hand. Vaterhände sind immer gütige Hände. Aber im Alltagsleben erscheinen sie wahrhaftig nicht immer als gütige Hände. Es sind Hände, die harte, eiserne Handschuhe anziehen. Wie sieht der eiserne Handschuh aus? Das sind meine Vorgesetzten. Wer ist das für uns als Theologen? Mein Bischof, mein Regens, ich weiß nicht, wer das alles sein soll. Ja, die Handschuhe, das sind alle die Menschen, die mir in irgendeiner Weise Obles zufügen. Mein Meisterstuck besteht nun darin, auch hier Gott zu suchen, zu finden. Deum quaerere, Deum invenire, Deum diligere in omnibus tum in rebus tum in circumstantiis tum in personis. Mehr als je ist das heute die große Aufgabe. Nicht herum philosophieren, bis nichts mehr da ist, sondern Gott suchen. Wo Gott suchen? In allen Dingen! Gott suchen und finden und lieben in allen Dingen, in allen Ereignissen und in den Menschen. Also hindurch durch die eisernen Handschuhe und in ihnen die gütige Hand des Vaters entdecken! Sehen Sie die Symbolträchtigkeit des Vaterauges! Was schließt es alles ein? eine ganze Welt steht hier vor uns. Diese Welt will nur aufgeschlossen, will geschaut, gedeutet und verwirklicht werden. Oder da meint eine große Mystikerin - auch sie geht ein auf die Hände Gottes - , der liebe Gott leiht sich die Hände. Was für Hände sind das? Das sind Hände, die uns weh tun können, körperlich weh tun; das sind Hände, ist eine Person, die uns verleumdet; es sind allerdings auch Hände, deren der lebendige Gott sich bedient, um in irgendeiner Weise mich zu formen. Die Durchgöttlichtheit des Lebens, die Gottergriffenheit, Gott suchen in der Kreatur - eine ganz neue Welt ist das, die da vor uns steht. Um was geht es heute? Um die ganze Wucht des Verhältnisses zwischen Erst-und Zweitursache. Hier liegt das letzte Problem. Alles andere ist wertvoll, trifft aber nicht das Letzte. Alles andere muß in irgendeiner Weise mithelfen, den Gottesgedanken, das Verhältnis Gottes zur Zweitursache zu klären, zu sichern. Und da geht es nicht etwa nur darum, die Aufgabe eines heiligen Augustinus, eines heiligen Thomas weiterfortzusetzen. Augustinus hat die Erstursache im platonischen Sinne für das Christentum gerettet; die größte Leistung des heiligen Thomas ist: Er hat die Zweitursache für die Theologie gerettet. Deus operatur per causas secundas liberas. Eine gewaltige Leistung, die noch nicht vollendet ist. Beide müssen wir fortsetzen. Das Reichsregierungsgesetz, das Reichsordnungsgesetz und das Reichsvervollkommnungsgesetz wollen hier neu gesehen werden. Das Reichsregierungsgesetz sagt: Gott wirkt durch die Zweitursachen nach dem Gesetz der organischen Übertragung und Weiterleitung. Wie wird das Reichs-, das Weltordnungsgesetz psychologisch zu deuten sein? Die niedere Ordnung ist Ausdruck, Mittel und Sicherung für die höhere Ordnung. Wenn Sie das festhalten, haben Sie einen ganz neuen Standpunkt gegenüber der Mariologie. Denn was von jeder Zweitursache gilt, gilt per eminentiam für die Gottesmutter, die erste der Zweitursachen. Wir haben dann einen neuen Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem Protestantismus. Daß der Protestantismus die Gottesmutter nicht versteht, ist unter anderem daraus zu erklären, daß er nur eine Gottunmittelbarkeit kennt. Wenn aber eine Gottmittelbarkeit erkannt wird, wenn anerkannt wird, daß der liebe Gott jeden Menschen benutzt etwa wie eine Angel, daß er durch einen Menschen den andern an sich ziehen will, dann ist das per eminentiam bei der Gottesmutter der Fall. Dasselbe gilt, wo es sich um das Weltvervollkommnungsgesetz dreht. Was in der Gottesmutter als Spitzenleistung der Vervollkommnung der Zweitursachen zu sehen ist, finden wir secundum quid bei jedem Geschöpf. Wenn wir so die ganze Ordnung wieder neu sehen, werden wir ruhiger, sicherer, lassen uns nicht durch alles Mögliche irre machen. Das ist das Gefährliche der heutigen Zeit: Wir verpuffen unsere Kraft nach rechts und links, kratzen und kratzen da und dort herum, und das Leben steht im Hintergrund und kann sich nicht entfalten. vervielfältigt/Offset, 118 Seiten A5, als: Gründerworte zur Sendung des Liebesheiligtums (22.Januar 1967) S.72-74 ** neu herausgegeben: Pater Josef Kentenich in Dietershausen, 21. und 22. Januar 1967, Vorträge und Ansprachen, Heft 2: Vortrag am 22. Januar 1967 im Vortragssaal des Josef-Engling-Hauses, S. 40-43. Erhältlich bei: Provinzhaus Dietershausen, Marienhöhe 4, 36093 Künzell, Tel. 06656/981-0, Mail: provinzleitung.dietershausen@ t-online.de |