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Haus Moriah Nachrichten Zollitsch 24.09.2010 Bericht

Die Bischofskonferenz ergreift eine Dialoginitiative

Erzbischof Zollitsch
Erzbischof Zollitsch
Aus dem Abschlussbericht von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch über die Herbstkonferenz der deutschen Bischöfe vom 20. bis 23. September in Fulda

1. Eröffnungsreferat „Zukunft der Kirche – Kirche für die Zukunft“

Die Verkündigung des christlichen Glaubens verlangt eine Kirche der Pilgerschaft. In meinem Eröffnungsreferat „Zukunft der Kirche – Kirche für die Zukunft. Plädoyer für eine pilgernde, hörende und dienende Kirche“ habe ich einige Perspektiven entwickelt, wie die Kirche diese Dynamik gewinnen kann. Wir spüren ja die bohrende Frage nach der Glaubwürdigkeit unserer Kirche in Deutschland. Sie hängt ab von der Lebendigkeit der Kirche, insbesondere ihrer Fähigkeit zu Umkehr und neuem Aufbruch. Allerdings nicht im Geist einer Veränderung um ihrer selbst willen, sondern aus der inneren Verbundenheit mit dem Herrn im Glauben. Eine pilgernde Kirche ist unterwegs mit Christus und auf Christus hin.

Eine Kirche für die Zukunft muss, das betrifft uns direkt, eine Kirche des Hörens sein. Es gibt für uns keinen anderen Weg als den der Offenheit, der Ehrlichkeit und des Zuhörens. Wenn Opfer in diesen Monaten ihr Schweigen gebrochen haben und darüber zu sprechen beginnen, was sie durch Vertreter der Kirche erlitten haben, dann ist das für uns die Stunde des Anhörens und Zuhörens. Stets beginnt die Umkehr der Gläubigen mit dem Hören und Sehen des Nächsten, besonders des Armen. Hinzu kommt: die Kirche muss authentisch sie selbst sein – eine spürbare und glaubwürdige Einheit von Göttlichem und Menschlichem, wie sie die Menschen auch in der Gegenwart suchen. Der Verlust ihres Bezuges auf Gott wäre für die Kirche das Ende ihrer selbst.

Gewiss erschüttert uns eine Krise. Aber diese kann auch eine Zeit der Klärung sein, die viel zukunftsweisendes Potential hat. Sie ist Impuls des Heiligen Geistes zur Unterscheidung der Geister. Der Aufbruch der pilgernden Kirche fordert eine konsequente Option für die Menschen. Es kommt sehr auf die enge Verbindung zwischen der Kirche einerseits und der Welt und den Menschen andererseits an. Ein neuer Aufbruch der Kirche lebt von einer vertrauenswürdigen Nähe und von verlässlicher Verbundenheit zwischen Kirche und Welt. Wichtig erscheint mir dabei – und auch das war eine Facette des Referates – dass wir bewusster eine dienende Kirche sein müssen: Ein Glaube, der von der Liebe getragen ist und sie aufscheinen lässt, kann Menschen ansprechen und überzeugen. Es geht dabei um die Nähe zum Leben der Menschen von heute. Was uns aufgetragen ist, sind nicht irgendwelche Reparaturen, sondern die Verlebendigung des kirchlichen Lebens.

Bei meinen Ausführungen habe ich einige konkrete Themen benannt, vor denen wir mit großen Herausforderungen stehen. Dabei habe ich deutlich gemacht: Der Weg der Kirche in Deutschland muss heute die Mitte finden zwischen einer ängstlichen Absonderung von der Welt und einer sendungsvergessenen Anpassung an die Welt. Ich bin dankbar für die Klärungen, die das II. Vatikanische Konzil vollzogen hat. Sein Bild von Kirche ist geprägt durch den Begriff der Communio: Das ganze Volk Gottes bildet eine Kirche in der ganzen Vielfalt der Charismen, Ämter und Dienste. Dazu gehört auch das Zusammenwirken der verschiedenen Gaben und Begabungen, die es in der Kirche gibt. Nur so kann das pilgernde Volk Gottes seinen Weg als Kirche auf authentische Weise gehen und zu den Menschen von heute wirklich und verständlich finden. Mein Wunsch zur Herbst-Vollversammlung ist: Wir stellen uns den Fragen und Sorgen der Menschen. Wir wollen unsere Mitmenschen hören und wir wollen mit ihnen sprechen. Wir wollen eine Kirche der Pilgerschaft sein, der anzumerken ist, dass sie in göttlichem Auftrag handelt. Wir wollen uns der Vielfalt der Gaben und Begabungen bedienen und unsere geistliche Gemeinschaft vertiefen. Nicht Angst und Verzagtheit, nicht eine Flucht nach vorne und nicht der Traum von gestern sollen uns bestimmen und beseelen, sondern das Heil der Welt. Sie mag uns als fremde Heimat erscheinen, ist aber eben Heimat in der Gefährtenschaft dessen, der alle Tage bei uns bleibt, bis zum Ende der Welt.

2. Reflektionstag

Wir haben uns diesmal den Mittwoch als Reflektionstag genommen. Ihn haben wir genutzt, um die zurückliegenden Monate und ihre Herausforderungen für den Dienst von uns Bischöfen in Ruhe zu bedenken und Folgerungen für das künftige Handeln zu ziehen. Zunächst haben wir Überlegungen zum Thema „Vertrauensverlust – Situation und Analyse“ bedacht, die eine Vertiefung der theologischen und kirchlichen Analyse der gegenwärtigen Situation der Kirche in Deutschland enthalten. In einer zweiten Gesprächsrunde zum Thema „Glaubwürdigkeit der Kirche – in Wort und Tat“ haben wir die Diskussion fortgesetzt. Wir stimmten überein in der Einschätzung, dass die Aufdeckung von Fällen sexuellen Missbrauchs eine Erschütterung bewirkt hat, in deren Folge aber noch tiefere Verwerfungen zutage traten, die schon längere Zeit bestanden. So war die Frage des priesterlichen Lebens und des persönlichen geistlichen und sakramentalen Lebens unserer Geistlichen schon längere Zeit drängend. Ein anderes Thema ist das Spannungsfeld zwischen einerseits Macht und andererseits Bescheidenheit oder auch Demut, das gerade im geistlichen Dienst besondere Aufmerksamkeit verlangt. Persönliche Bescheidenheit und Demut sind geboten, ohne dass auf das erforderliche Selbstbewusstsein hinsichtlich der Position verzichtet werden darf.

Immer wieder haben wir uns gefragt, wie es gelingen kann, die kirchliche Botschaft kommunikativ nach innen und in die Gesellschaft zu vermitteln, die eigene Sensibilität für die Welt von heute zu stärken und sprach- sowie auskunftsfähig zu bleiben. Dazu gehören auch Wege, den Dialog über sperrige Themen etwa aus den Bereichen der Sexualität, der Zölibatsverpflichtung oder des Sakramentenempfangs wiederverheirateter Geschiedener zu führen.

Die Mitglieder der bereits auf der Frühjahrs-Vollversammlung in Freiburg eingerichteten Steuerungsgruppe „Der Dienst der Kirche im öffentlichen Leben Deutschlands“ plädieren dafür, die 50. Wiederkehr des Konzilsbeginns zum Anlass einer Neuaneignung wichtiger Konzilsdokumente, vor allem der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ (Freude und Hoffnung) zu nutzen, dies aber eingefügt in die gegenwärtige Situation der Kirche in Deutschland und deren Herausforderungen. Konkret bringen sie eine Dialoginitiative ins Gespräch, die auch eine Reihe von Elementen aufgreift, von denen ich in meinem Eröffnungsvortrag gesprochen habe. Sie zielen darauf ab, die Gemeinsamkeit einerseits mit besonders aktiven Personen in der Kirche, andererseits mit besonderen Kreisen der Gesellschaft zu verbessern, um auf diese Weise überzeugender eine pilgernde, dienende und hörende Kirche zu sein.

Am Ende des Reflektionstags konnten wir einmütig unter anderem folgende Verabredungen treffen:

  • Die Bischofskonferenz ergreift eine Dialoginitiative, die sowohl sich selbst als auch die Bistümer und die Gemeinden einbezieht. Die Bischöfe werden – auf der Grundlage der guten Erfahrungen des Reflektionstages – das selbstkritische Gespräch in der Bischofskonferenz vermehrt pflegen. Ein weiterer Teil diese Initiative ist ein strukturierter Dialog auf der Ebene der Bistümer über das Bezeugen, Weitergeben und praktische Bekräftigen des Glaubens. Schließlich gehört die praktische Erschließung von Brennpunkten der Gegenwartsgesellschaft zur dialogischen Initiative. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist in diesem Zusammenhang ein von vielen Bischöfen geschätzter Kooperationspartner. Wir werden noch in diesem Jahr als Ausdruck praktischer Communio (Gemeinschaft) einen Brief an die Gemeinden schreiben, den der Ständige Rat im November fertig stellen wird.
  • Wir gehen die Verpflichtung ein, noch stärker als schon bislang den Priestern und weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unsere Verbundenheit und Nähe zum Ausdruck zu bringen und verstärkt auf deren tatsächliche Lebenssituation einzugehen.
  • Der Prozess zur neuen Aneignung der Konzilsdokumente, insbesondere von „Gaudium et spes“, wird durch einen gemeinschaftlichen Akt der Umkehr und Neuausrichtung in Zusammenhang der kommenden Frühjahrs-Vollversammlung eröffnet. Überhaupt wollen die deutschen Bischöfe künftig stärker als bislang öffentlich wirksame Gesten und Symbole der Ausrichtung auf Gott nutzen, um den Gegebenheiten der Mediengesellschaft besser zu entsprechen.

 

 

 
 

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