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Haus Moriah Gemeinschaft Jubiläum Msgr. Peter Wolf - Festvortrag Dr. Pollak

Dr. Gertrud Pollak
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Dr. Gertrud Pollak
Gott gefragt in einer säkularen Zeit?
Herausforderung und Sendung

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Festansprache am 31. Mai 2013
zum 40. Priesterweihetag von Generalrektor Msgr. Dr. Peter Wolf

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Gliederung
0     Motoren beten
1.  Herausgefordert durch eine säkulare Zeit
1.1 Herausforderung: Religion in Frage
- Vielfalt an Religionen
- Kulturelle Prägung 
- Neuer Laizismus 
- Andere „Religiositäten“
1.2 Herausforderung: Gott in Frage
- Alter Säkularismus
- Säkularismus pur
- Neuer  Säkularismus
- Inkarnation: Gott wird Mensch
1.3 Herausforderung bei Josef Kentenich: Organismus in Frage
- „das Buch der Zeit, das Buch des Lebens, das Buch Ihrer Seelen“

- Organismus von Gott, Welt und Mensch
2.  Säkularität als Sendung
2.1 Schöpferische Synthese aller Kräfte
Menschsein in Frage
Religiosität des ganzen Menschen
2.2 „Abgründe schließen, verrammelte Wege leerräumen“
Natürlich lieben können
Schließung des Abgrundes im Menschen
Schließung des Abgrundes zwischen Gott und Mensch
Bindungspastoral
2.3 Bindungspastoral: natürliche Bindungen und Rückbindung an den lebendigen Gott
Frage ich Gott?
Lebensübertragung
Bindung an Göttliches
Gott fragt uns
3.  Gott fragt uns: Gelebte Antwort als Berufung
3.1 Gelebte Antwort in einem Säkularinstitut
Versuchslaboratorien
Wir gehen mitten  hinein
3.2 Gelebte Antwort als „Prophetischer Priester“
Menschlich erfüllend
Gottes-, Menschen-, Zeit und Sendungsergriffenheit
3.3 Jubiläum: Vierzig Jahre gestaltetes Denken, Lieben und Leben
Unsere Berufung heißt Liebe
„Ich gebe mein Leben weiter.“
Segen: wenn Köpfe und Herzen wachsen
4.  Mit den Motoren gegen „Mumiengefahr“
Säkularität ist Sendung
Im Herzen das Liebesbündnis
Vom Altare aus…

Vortrag Pollak

„Es ist Pfingstmontag, der Heilige Geist ist gerade herniedergekommen, selbst auf Kassel.“ hieß es in der FAZ vom 05. Juni 2012[1]. Dicke Überschrift: „Die Frömmigkeit der Maschinen“. Berichtet wird, wie diesmal das ganze Erdgeschoss der Documenta einem einzigen Künstler gewidmet ist, der Motoren beten läßt: der Sechs-Zylinder-Motor des Porsche 911 rezitiert vernehmbar das Credo, andere Motorgeräusche verbinden sich eindringlich mit einer „vielkehligen Rosenkranzandacht aus dem Kölner Dom.“ Der Motor betet mit. Der 76 jährige Künstler, Thomas Bayrle, ehemaliger Städel-Professor in Frankfurt, kein Katholik, macht sich keinen Jux daraus. Es gebe keinen ganzheitlichen Blick mehr, sagt er. „Die Gesamtschau ist für den Menschen unaushaltbar geworden. Doch sie ist ihm auch genommen worden. Die Maschinen und der Rosenkranz, sagt Bayrle, gehören zusammen.“  Alles hängt miteinander zusammen. Alles? Und Gott?
Ist Gott gefragt in einer säkularen Welt?  Wer betet wirklich und wohin?

     1.  Herausgefordert durch eine säkulare Zeit
Versuchen wir aufzunehmen, wie uns die säkulare Zeit – vor allem hier in Europa – begegnet und unsere Beachtung fordert. Ich skizziere drei Felder von Herausforderungen, die für uns aus der Gedankenwelt Schönstatts zur Sendung werden:
Die Frage nach den Religionen überhaupt, die Gottesfrage im engeren Sinn und das, was  Josef Kentenich als tieferliegende Herausforderung markiert.
     1.1  Herausforderung: Religion in Frage
Spätestens in den Diskussionen um den EU-Beitritt der Türkei kam in Deutschland aufmerksamer die verstärkte Vielfalt an Religionen ins Blickfeld, vor allem in den Städten. Frauen mit Tschador oder ganz verhüllt, mitten auf deutschen Straßen, sind Anreiz und Provokation zugleich. Die religiöse Welt, die Kultur, die sie repräsentieren, soll bei uns Platz haben dürfen. Durch eigene Erlebnisse oder spätestens durch bestimmte Nachrichten in den Medien, entsteht aber auch Unbehagen, entsteht diffuse Angst vor Diversität, Ängste vor „dem Anderen“.
Multireligiosität, Religion und ihr Wirkradius im gesellschaftlichen Alltag erhalten staatlich erhöhte Aufmerksamkeit. Die Kopftuchdiskussion für Lehrerinnen fragt nach der politischen Dimension religiöser Zeichen. Die tödliche Gefahr für die Verbreiter der Mohammed Karikaturen begrenzt die gewohnte Meinungsfreiheit des Westens und fragt, ob eine nach-aufklärerische, säkulare Gesellschaft solche Religion überhaupt öffentlich dulden soll. Manchmal ist es einfach Angst vor einer Islamisierung Europas. Ist hier Gott gefragt?
Ungeachtet unterschiedlicher Religionen oder Konfessionen beeinflusst und prägt die säkulare Welt unsere Kultur und ihre Wurzeln. Wir erleben in einer immer stärker globalisierten und pluralisierten Welt vielgestaltige kulturelle Unsicherheiten und in diesem Sinne eine säkulare Zeit. In einem  Spiegelinterview im Herbst 2010 analysiert der niederländische Politiker Geert Wilders: „Das größte Problem Europas … ist kultureller Relativismus. Er führt dazu, dass die Europäer heute nicht mehr wissen, worauf sie stolz sein sollen und wer sie eigentlich sind.“
[2] Lassen wir die Umstrittenheit dieses Mannes beiseite. Seine Analyse trifft. Säkulare Zeiten stellen Identitätsfragen, die auch das Christentum betreffen - etwa in der Frage nach der „Abendlandsendung“.
Wir erleben von A – Z vielschichtige Wertediskussionen - zwischen A - Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und Z - Zugriff auf Steuer-CDs.  Werte, Kultur, ja Rechtsgrundsätze stehen in Frage. Die Kirchenbindung lässt stetig nach, der Einfluss der Kirchen noch mehr. Wir erleben aber auch, inmitten der Verdrängung institutionell normierter Überzeugungen, neue Sensibilitäten etwa für den Schutz der Natur.
Säkularität als kulturelle Herausforderung.
Gerade angesichts diffuser Ängste vor einer möglichen fremdbestimmenden Multireligiosität werden Stimmen lauter, die einen neuen Laizismus fordern: Trennung von Religion und Politik, Neutralität des Staates, komplette Entfernung des Religiösen aus der Öffentlichkeit. Keine Kreuze in Klassenzimmern fordern Eltern in Bayern, später eine Mutter in Italien. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe und der Europäische Gerichtshof in Straßburg bestätigen nach mehreren Instanzen ein Einschränkungsrecht der Eltern. Proteste folgen und ein Leserbrief in Italien stellt die provozierende Frage, ob auf einer solchen Rechtsgrundlage auch der weithin sichtbare Mailänder Dom abzureißen sei. Die Kreuze dürfen dann doch bleiben - aber wir ahnen nicht nur aus diesem Beispiel, wie wenig sich Europa einer christlichen Identität gewiss ist. Gott gefragt in einer säkularen Welt?
Politischer Laizismus erlaubt dem Individuum religiös zu glauben. Merkmal unserer säkularen Zeit ist aber auch, dass bei nur wenigen Menschen Glaube wirklich als Bekenntnis lebensprägend erfahrbar ist. Freilich gibt es viele Alternativen zu kirchlichen Spiritualitäten, religiöse, rituelle Praktiken, Meditationsformen und das, was wir manchmal (vorschnell)  Religionsersatz nennen. Es ist erlaubt, vermutlich sogar gefragt, was der „Spiegel“ kürzlich in seiner Ausgabe zu Pfingsten als Titelblatt wählt: Als Bild ein junger Manager im Lotussitz, darunter als Titel „Der heilende Geist“. Medizin: gesund durch Meditation und Entspannung. Es ist zu lesen – wie in anderer Literatur zu neuen Religiositäten auch -  dass gute Gefühle und positives Denken, dass allgemein Meditation als Medizin wirkt. Ergebnisse der Hirnforschung zeigen, wie „Heilen mit dem Geist“ gelingen kann, ganz innerweltlich, ohne dass sich Fragen nach der Trinität stellen.
Mit der Frage nach Religion und Religionen zeigt sich ganz anders zugespitzt ein zweites Feld als Herausforderung, die Frage nach Gott selbst – nicht nur ob Transzendentes überhaupt, sondern ob ein personaler Gott gefragt ist.
     1.2  Herausforderung: Gott in Frage
Ich möchte vier Richtungen unterscheiden, in denen die Gottesfrage seit dem 19. Jahrhundert aktuell war und jetzt ist.
Eine erste Richtung erinnert an den „Alten Säkularismus“. Insbesondere das  19. und 20. Jahrhundert stellt Gott ganz unterschiedlich in Frage – durch Atheismen, Agnostizismen oder Nihilismus und manches mehr. Ausgangspunkt neben philosophischen Denkwegen ist oft auch die Kritik am konkreten Christentum.
Für Nietzsche zum Beispiel ist Gott nicht mehr gefragt. Die Gottessuche hat ein Ende. Ja, Gott ist tot. Überhaupt, sagt Nietzsche:  „Gott ist eine viel zu extreme Hypothese“
[3]. Im „alten Säkularismus wird Gott ist gestrichen. Er ist keine Größe mehr, die zählt.
Eine zweite Richtung, die wir heute in den Wissenschaften, den Medien und einfach in der Gesellschaft um uns herum erleben, nenne ich „Säkularismus pur“. Schnell gesagt meine ich damit die sprichwörtlich weltliche Welt, die kompromisslos in Gegensatz steht zu einer wie auch immer gearteten religiösen Weltauffassung. Es gibt keinen Widerpart, keine zu respektierende Größe. Der Mensch ist sich selbst genug. Gott ist nicht nur für das Leben irrelevant, sondern überhaupt keine ernst zu nehmende Kategorie. Es geht um reine Immanenz. Viele Zeitgenossen fühlen sich nur sich selbst verantwortlich. Autonome Lebensweise schenkt angeblich alle Freiheiten und engt erst dann ein, wenn Grenzen bremsen. Jedenfalls - Gott ist nicht gefragt. „Man“ fragt nicht nach Gott. Der Religionssoziologe José Casanova bringt gut auf den Punkt, was ich mit „Säkularismus pur“ als Herausforderung der Zeit meine:
„Säkular zu sein bedeutet dann eine selbstgenügsame und ausschließliche Weltlichkeit, bei der die Menschen nicht nur religiös ‚unmusikalisch‘, sondern gegen jede Form von Transzendenz abgeschottet sind, die ihren rein immanenten Bezugsrahmen übersteigt.“
[4]
Eine dritte Art des Säkularen, soll unterschieden werden, weg von der bloßen Entgegensetzung Gott-Welt. Das Magazin „Europäische Revue“ titelt 2010: „Den Säkularismus neu denken“.[5] Aufsätze aus mehreren Kontinenten reflektieren den
Säkularismus neu, um der wachsenden Vielfalt in unseren Gesellschaften gerecht zu werden. Der erste Autor ist der kanadische Philosoph Charles Taylor (geb. 1931). Er plädiert „Für einen neuen Säkularismus“ so die Überschrift. Taylor möchte einen reflektierten, offenen Säkularismus, der aus den Erfahrungen der eigenen Geschichte in der westlichen Welt und der anderer Gesellschaften Erkenntnisse zieht. Er spricht von einem „neuen Säkularismus“, der zwar auf der Trennung von Staat und Religion beharrt, dabei aber nicht einfach die Ausgrenzung der Religion betreibt. Dieser „neue Säkularismus“ baut keine Mauer zur Eliminierung der Religion; vielmehr möchte er ein Höchstmaß an Freiheit und Gleichwertigkeit für alle religiösen und nicht-religiösen Weltanschauungen. Zu reflektieren und zu berücksichtigen sind dabei auch die jeweiligen historischen Wurzeln. Dieser Ansatz bringt selbstredend „kontroverse Debatten um eine Neubestimmung des Orts der Religion in der modernen Gesellschaft“[6] und damit eine mögliche Antwort darauf, ob Gott gefragt ist in einer säkularen Zeit.
Taylor legt den so reflektierten „n
euen Säkularismus“ ausführlich dar in seinem umfänglichen Werk „Ein säkulares Zeitalter“[7]. Ob und inwiefern Gott gefragt ist, zeigt sich demnach nicht einfach am Verschwinden der Religion weil kein Glaubenswissen, keine Glaubenspraxis da ist oder Religion in öffentlichen Zusammenhängen nicht mehr auftaucht. Das sind wahrnehmbare Oberflächensymptome. Dagegen definiert Taylor: Säkular leben heißt, dass die innerweltliche Sinnsuche als legitime und ernstzunehmende Alternative neben außerweltliche Sinnoptionen tritt, weil im christlich geprägten Abendland – und nur dort – die „weltliche“ Welt in radikaler Weise als autonomer Wirklichkeitsbereich entdeckt worden ist.[8] Er sieht die Wurzeln des Säkularismus nicht außerhalb des Christentums, sondern auch als Positivum, als gesetzt, im westlichen Christentum selbst. Die säkulare Zeit ist keine Katastrophe, sondern Faktum, innerhalb dessen Säkularität als Element im Christentum selbst erkennbar werden kann.
In diese Richtung zielt auch der italienische Philosoph, Gianni Vattimo, (geb. 1936). Er geht soweit, dass er Säkularisierung nicht als Schwinden des Christentums sieht, sondern als „vollkommenere Erfüllung seiner Wahrheit…die kenosis ist, die Herablassung Gottes“[9]. Er formuliert Säkularisierung „als eine dem Christentum inhärente Gegebenheit, die in einer positiven Beziehung zur Botschaft Jesu steht.“[10]
Theologisch ist seine Argumentation bei manchen umstritten
[11], aber er führt in die vierte Richtung, die als Herausforderung zur Gottesfrage heute nicht übersehen, ja gerade für uns Christen in den Vordergrund treten sollte, „Inkarnation: Gott wird Mensch“.
Das Johannesevangelium und der erste Johannesbrief führen uns auf die Spur des Mensch gewordenen Gottes. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“(Joh 1,1,) Der Logos ist das, was von Anfang an war und menschlich erfahrbar ist. „…was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und mit unseren Händen betastet haben, das verkünden wir“  (1 Joh 1,1) Gott ist Mensch, ist in der Welt antreffbar, ja ist selbst als Mensch auch „ein Stück Welt“ geworden. Dieses biblische und christlich verbürgte Gottesbild, verleiht der Säkularität eine eigene christliche Qualität, die nicht neben den Herausforderungen durch eine säkulare Zeit stehen, sondern diese gültig prägen. Zu diesem christlichen Weltverständnis hat die Theologie manches geklärt und ich verweise stellvertretend nur auf die Akzente, die hierzu in den Texten des Vatikanum II, nicht zuletzt in Gaudium et spes, anzutreffen sind. Demnach ist Gott gefragt in einer säkularen Zeit – gerade dort, wo wir Christen Gott als Schöpfer der Welt ernst nehmen und die Konsequenzen aus der Inkarnation ziehen. In Christus wird Geschichte zur Heilsgeschichte. Von hier aus ist Säkularität ernst zu nehmen und zu gestalten.
Damit ist bereits eine Antwort gegeben zu unserem Ausgangspunkt „Gott gefragt in einer säkularen Zeit?“ Wo Christen gläubig leben, kann Gott nie außen vor sein, auch wenn es weitaus weniger Menschen sind, die nach ihm fragen. Gott der Schöpfer und Erlöser der Welt bleibt anfragbar und er bleibt gefragt, auch in den geschilderten Herausforderungen von heute. Die Welt und die Entwicklungen der Zeitläufte können nach christlichem Verständnis nie einfach nur „weltlich“ sein, weil Gott in der Welt gegenwärtig ist und bleibt.
Gewiss, darüber – und noch präziser formulierte theologische Wahrheiten über Gott und Welt, können Sie jeden Sonntag variiert und mit Beispielen geschmückt, predigen. Doch die Menschen, die da unter der Kanzel zuhören, zeigen ja oft schon dadurch, dass es wenige sind, dass es meist mehr Ältere als junge Familien und Jugendliche sind, dass unsere Frage aktuell bleibt: warum ist Gott und Gottesdienst in unseren Breiten heute so wenig gefragt? Welche Milieus erreichen wir als Kirche und welche - warum - nicht? Soziologische Untersuchungen, pastoraltheologische Studien, Strukturkonzepte, Lenkungsgruppen und viele Stunden gut gemeinter Sitzungen in Seelsorgeämtern sind eifrige und redliche Versuche, es mit den neuen Herausforderungen aufzunehmen. Dabei sind auf verschiedenen Ebenen auch wertvolle und praktikable Anregungen entstanden, wie gerade unsere Zeit eine „Zeit der Aussaat“ werden kann.
[12]  
Dies passt zur Grundeinstellung P. Kentenichs: „Wir haben die Zeit immer nicht nur als Zusammenbruch aufgefasst, sondern auch als Aufbruch, nicht nur als Katastrophe und Ende, sondern auch als Übergang zu einer neuen Welt mit geheimen Wachstumsgesetzen, als Aufgang zu einem hellen Morgenrot…“
[13] „Geheime Wachstumsgesetze“ – damit klingt an, worin er die tieferliegende Herausforderung heute sieht.  Gewiss würde er sehr aufmerksam auf die geschilderten Herausforderungen schauen, dabei manches differenzieren, anderes unterstreichen. Für die aktuelle Frage nach Gott in dieser säkularen Zeit setzt er freilich einen besonderen Focus.
     1.3  Herausforderung bei Josef Kentenich: Organismus in Frage
Wir kennen die Selbstaussage P. Kentenichs zu seinen Erkenntnisquellen. „Das Buch, das ich gelesen, ist das Buch der Zeit, das Buch des Lebens, das Buch Ihrer Seelen“, sagt er an seinem 25jährigen Priesterjubiläum.
[14] Nicht nur dieses Bekenntnis, sondern unzählige Spuren durch sein ganzes Leben lassen uns eindeutig davon ausgehen, dass er das Buch unserer Zeit sehr wach in Augenschein nehmen und in seinem Denken und Tun aufgreifen würde. In der Vielfalt der Religionen würde er vielleicht -  neben gegenseitiger Achtung - Überlegungen anstellen, wo die spezifischen Chancen der einzelnen Religionen liegen, in denen interreligiöse Ergänzungen möglich werden. Bei ihm wären die kulturelle Vielfalt, aber auch die Schwierigkeiten, in der Pluralität die eigene Identität zu finden, ein zentrales anthropologisches Thema. Im Buch des Lebens und dem Buch der Seelen würde er zu verstehen suchen, was im Vielerlei der Angebote zu Meditation, Entspannung und Heilung steckt, die vielfach „laizistisch“, losgelöst von jeder gewachsenen Religion, gesucht und genutzt werden. Gewiss würde auch er Anknüpfungspunkte suchen, Menschen zu interessieren für Religion und Kirche. Wo Gott nicht gefragt ist, sollen Wege zu ihm gebahnt werden. Das wollen wir auch in heutiger Pastoral.
Das „Buch“ P. Kentenichs führt freilich tiefer. Zeitgemäße Anknüpfungspunkte sind wichtig, entscheidend aber sind die Tiefendimensionen und der Stellenwert im Gesamtgefüge, im Organismus von Gott, Welt und Mensch. Die Zitate, in denen Kentenich den „alten Säkularismus“ aufgreift und Nietzsches ‚toten Gott‘ bespricht, enden nicht mit den klassischen Gottesbeweisen, dass es Gott doch geben muss. Er zählt auf den „Gott des Lebens“, der im „praktischen Vorsehungsglauben“ hautnah erlebbar ist und gefunden werden soll.
Der „Säkularismus pur“ hat bei ihm kein Existenzrecht, weil er - über den „neuen Säkularismus“ hinaus - ein tief durchdachtes, christliches Weltverständnis hat, das immer inkarnatorisch geprägt ist, also - ganz katholisch - Welt und Gott zusammen sieht. Doch genau dieser große Organismus, in dem Gott, Welt und Mensch zusammenklingen, steht heute in Frage. Weil P. Kentenich die Welt immer auch als Ort der Gottesbegegnung versteht, ist Säkularität, ist Weltlichkeit und Weltbezug aus sich heraus Sendung und Auftrag.

     2.  Säkularität als Sendung
     2.1  Schöpferische Synthese aller Kräfte
In seiner „Epistola perlonga“ vom 31. Mai 1949 (auf den Tag heute vor 64 Jahren) greift Josef Kentenich auf, was er im Zusammenhang seiner großen Weltreisen (1947-1951) immer wieder feststellt und was heute ebenso gilt. Kentenich sieht als die geheime Zeitkrankheit und eigentliche Herausforderung, den Zerfall der Bindungen und ein dahinterliegendes ‚mechanistisches und separatistisches Denken‘. Das Menschsein steht in Frage.  P. Boll schreibt in seinem letzten Buch: „Nach seiner Meinung (Kentenich) haben die Verantwortlichen für die kirchliche Pastoral die Zeichen der Zeit nicht genügend erkannt und betreiben Seelsorge an einem Menschen, der so schon nicht mehr existiert. Den Krankheitskeim des mechanistischen Denkens und seine Auswirkungen in Gestalt wachsender Bindungslosigkeit haben sie noch nicht entdeckt“.
[15]
Damit zielt unser Gründer auf eine klarere Diagnose der Tiefendimensionen im Menschen selbst und um ihn herum. Wie wird ein Mensch überhaupt befähigt, damit er lebensrelevant nach Gott fragen und an ihn glauben kann? Eine Frage – auch für uns!
Kein Mensch kann ungebunden vor sich hin vagabundieren. Er kann nicht wurzellos leben, sondern nur in einem „Organismus von Bindungen“. Für die seelische Gesundheit jedes Menschen sind personale, lokale und ideenmäßige Bindungen nötig. Wir wissen, dass Kentenich dabei den ganzen Menschen meint und nicht einen Teil, der sonntags liturgisch praktiziert oder sich beim Pfarrfest engagiert und sonst „weltlich“ lebt, gesellschaftlich funktioniert. Unser Gründer kann tiefschürfend theologisch argumentieren, wie etwa in der unser Thema betreffenden Grundsatzfrage zum Zusammenspiel von Natur und Gnade. Es zeichnet ihn aus, dass er dabei alles, was den Menschen irgendwie ausmacht und betrifft, einbindet. Der Mensch, ein Organismus aus vielerlei Kräften. Es geht um die Religiosität des ganzen Menschen. So kommt Kentenich sehr früh zu einer weitreichenden, schöpferisch organischen Synthese, bei der christliche Spiritualität und die Anliegen der Psychologie ebenso zusammengehören wie Fragen der Arbeit und der kulturellen Prägungen. Mit Blick auf Thomas von Aquin betont er: „Was wir nun hinzufügen ist die Psychologie des Grundverhältnisses zwischen Erst- und Zweitursache.“
[16] Der Organismus der menschlichen Bindungen umgreift die „Gott, Welt- und Menschengebundenheit“ in allen Seelenschichten und allen Verwobenheiten des Lebens.
     2.2  „Abgründe schließen, verrammelte Wege leerräumen“
Das Kernanliegen P. Kentenichs ist also anthropologisch, ganz auf die reale Verfasstheit des individuellen Menschen gerichtet, auf seine Stärken und seine Grenzen. Der Mensch wird nicht nach Gott fragen und ihn lieben können, wenn er nicht natürlich lieben gelernt hat und geliebt wird. Das hat unser Vater im Buch der Seelen oft schmerzlich wahrgenommen. In einem Vortrag 1965 beschreibt er: „Im Menschen sind die einzelnen Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mehr gebunden zu einem Organismus. Wenn diese Bindungslosigkeit nicht überwunden wird, ist der Weg total verrammelt von der Schöpfung wieder hin zu Gott… Verstehen Sie worum es hier geht? Um Schließung des Abgrundes im Menschen und um Schließung des Abgrundes zwischen Gott und Mensch.“[17] Das sind sprechende, provozierende Bilder, in  denen Kentenich deutlich macht, worin die Voraussetzungen liegen, dass Menschen nach Gott fragen und mit ihm leben können. Bilder, die auch unsere Sendung plakativ ins Wort bringen: Abgründe schließen, verrammelte Wege leerräumen – im Menschen selbst, aber auch in seiner Beziehung zur weltlichen Realität und zu Gott. Es gilt, die natürliche Bindungsfähigkeit bei uns selbst, aber auch durch unsere Person bei anderen zu stärken. „Abgründe schließen“ in uns selbst, in anderen, „verrammelte Wege leerräumen“- das ist die Herausforderung zur Pflege eines ganzheitlichen Bindungsorganismus, anders gesagt: Bindungspastoral.
     2.3  Bindungspastoral: natürliche Bindungen und Rückbindung an den lebendigen Gott
Dabei geht es zuerst um uns selbst, um unsere persönliche Bindung an Gott und gewiss auch an die Gottesmutter Maria. „Gott gefragt in einer säkularen Welt“ heißt im Organismus kentenichschen Denkens nicht nur: „Ist Gott gefragt?“, also: ist er wichtig, kommt er an, findet der moderne Mensch Zugang zu ihm? Wir selbst sind Teil dieses Organismus und Bindungsbrücke zu Gott. Das heißt auch: „Frage ich Gott?“ Hinterfrage ich in dem, was mir begegnet - nicht nur in reflektierender Analyse - sondern aus einer Beziehung heraus Gott. Stehe ich mit ihm in Dialog und suche zu verstehen, was er in Menschen, Ereignissen und Dingen sagen will? Frage ich Gott?
Vielleicht erleben Sie auch, wie gutmeinende Kirchenleute um uns herum besorgt in planerischem Aktionismus oder in Untergangsstimmung stehen bleiben bei den Segmenten, die Statistiker, Religionssoziologen und Pastoralpsychologen eruieren. Nur - diese Anker allein retten nicht. Bei aller notwendigen und hilfreichen Beachtung vieler wissenschaftlicher Erkenntnisse stoßen wir nicht auf die tiefsten Zusammenhänge, ohne betend den Hl. Geist einzuschalten, ohne Gott zu fragen.
Ohne gesunde Bindungen an die Menschen mit denen wir leben und arbeiten, wird keine Lebensübertragung möglich und keine Bindung an Göttliches. Das ist gerade heute in unseren pastoralen Strukturreformen nicht einfach, aber in der Spur unseres Vaters enorm wichtig. Er packt das in ein eingängiges Bild: „Gott will alle Liebestriebe bis in die letzten Verzweigungen an sich gebunden wissen… Gott ist ein weiser Psycholge und hat den ganzen Organismus der Welt gebaut; und nun läßt er ein Band, ein Seil herunter. Er möchte uns mit menschlichen Banden binden…. Deswegen sorgt er dafür, dass wir uns an Kindesliebe, Elternliebe, bräutliche Liebe binden dürfen. Aber er zieht das Band  nach oben und hat keine Ruhe, bis alles an ihn gebunden ist.“
[18] 
Suchen wir dieses Band, fragen wir Gott an in einer säkularen Zeit und bringen ihm das, was uns bindet und woran wir gebunden sind aus der besonderen Liebe und Verantwortung unserer Berufung als Priester und/oder Mitglied in einem Säkularinstitut. Berufung – das heißt doch auch: Gott fragt uns

    3.  Gott fragt uns: Gelebte Antwort als Berufung
     3.1  Gelebte Antwort in einem Säkularinstitut
Unser Vater hat Papst Pius XII. versprochen, dafür zu sorgen, dass diese Lebensform für die Kirche fruchtbar wird.
[19]  Er tut das nicht in Abgrenzung zu den anderen Gemeinschaften und Berufungen, sondern eher so, wie es Papst Paul VI. klassisch formuliert, dass die Säkularinstitute „'Versuchslaboratorien' (sind), in denen die Kirche die konkreten Möglichkeiten ihrer Beziehungen zur Welt einer Probe unterzieht“[20] Dann zitiert der Papst aus Evangelii nuntiandi zu den Säkularinstituten: „Das eigentliche Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit ist die weite und schwierige Welt der Politik, des Sozialen und der Wirtschaft, aber auch der Kultur, der Wissenschaften und Künste, des internationalen Lebens und der Massenmedien.'“
Zumindest wir „Frauen von Schönstatt“ haben in diese Richtung noch viele Wünsche und sind uns bewusst, wie sehr uns moderne junge Frauen fehlen, die  in den genannten Bereichen wirklich präsent sind. Wir sind aber dankbar für jede, die sich die Sicht unseres Vaters in ihrem Beruf zu eigen macht: „Wir gehören auf die Straße… Wir gehen mitten hinein.“
[21] Das gilt analog auch für den Weltbezug als Priester. Unsere Berufungen haben innerhalb Schönstatts gewiss eine wichtige Gemeinsamkeit in der Nähe zur konkreten Kirche inmitten der Welt. Wir sind aber auch aufeinander angewiesen, damit Menschen zu Gott finden. Die tägliche Kraft aus der Eucharistie bedarf der priesterlichen Berufung und es ist sehr sinnvoll, wenn viele von uns, gerade jetzt wieder die „Altargemeinschaft“ verlebendigen, auch im Blick auf Belmonte. Gott fragt uns auch gemeinsam, fordert heraus und sendet.
     3.2  Gelebte Antwort als „Prophetischer Priester“
Angesichts der Priestersituation in unseren Gemeinden und kategorialen Bereichen erlebe ich immer mehr, wie schwierig es sein kann, schon im binnenkirchlichen Raum die Berufung als Priester auch menschlich erfüllend zu leben. Umso mehr sind Priestergemeinschaften gefragt und die Besinnung auf die Dimensionen, die der Seelsorger Kentenich vielseitig bedacht und pastoralpädagogisch vermittelt hat. Er spart die Herausforderungen nicht aus und weckt gerade dadurch viel Mutiges und Edles – etwa in seinem Anliegen eines „Prophetischen Priesters“:  „Wohl nimmt seit Jahrzehnten der prophetische Priestertyp im Gegensatz zum verbürgerlichten und beamteten Typ in meinem Sprachschatz und in meiner privaten und öffentlichen Tätigkeit einen breiten Spielraum ein… Man beachte, dass es sich dabei immer nur um ein Prophetentum im weiteren Sinn des Wortes, d.h. um einen Typ handelt, der durch Gottes- und Menschen-, durch Zeit- und Sendungsergriffenheit charakterisiert ist und mit dem bürgerlich und verbürgerlicht satten oder mit dem bloß auf Form und Pflicht eingestellten Lebens- und Arbeitsstil gebrochen hat.“
[22]  Hier ist der ganze Organismus gemeint: Gottes-, Menschen-, Zeit- und Sendungsergriffenheit und das mitten in der modernen Welt.
     3.3  Jubiläum: Vierzig Jahre gestaltetes Denken, Lieben und Leben
Gerade an einem Tag wie heute, wo wir in Dankbarkeit das Fest einer Priesterberufung miteinander feiern dürfen, stellen wir gewiss zurecht die Frage, ob und wie  Gott gefragt ist. Wir stehen aber gleichzeitig dankbar vor der wunderbaren Erfahrung, dass Gott auch heute existentiell Menschen anfragt. Er fragt  nach ihrer ganzen Liebe.
Es ist unverkennbar, dass die 40 Jahre Priestersein, die wir heute mit Herrn Generalrektor Dr. Wolf feiern dürfen, durchgängig geprägt sind von einer Leidenschaft für die Menschen und von der Überzeugung, dass bei Gott jeder Mensch mit einer Berufung gefragt ist - im Sinne des Freiburger Heiligtums ganz umfassend: Unsere Berufung heißt Liebe. In seinen prägenden Einsatzfeldern im Erzbistum, aber auch hier auf Moriah ging es immer darum,
Menschen ihre Berufung entdecken zu helfen und ihre Lebensantwort stärkend zu begleiten durch vielseitige Bindungen. Wenn ich auf die knapp 39 Jahre blicke, die ich vom Priesterleben von Herrn Dr. Wolf aufnehmen konnte - anfangs in der gleichen Stadt, später weiter entfernt - dann passt der 31. Mai als Weihetag sehr gut, weil Denken, Leben und Lieben bei ihm wirklich ganz natürlich, organisch zusammenfließen. Ein Berufungswochende mit dem PWB-Direktor in den 70er Jahren am Karlsruher Heiligtum endete für uns Studentinnen immer mit einem Besuch bei seiner natürlichen Familie; später verging die gemeinsame wissenschaftliche Arbeit im JKI nie ohne Gebet, aber auch nie ohne tiefsinnige und gleichzeitig humorvolle Gespräche in der Gruppe bei einem guten Glas Wein. (Wir werden noch manches heute dazu hören.) Miteinander dürfen wir in jedem Fall danken, dass sich in schönen und auch schweren Tagen seiner Berufung das Priesterbild unseres Vaters spiegelt. Gott hat gefragt, der junge Theologe hat geantwortet und lebt in Treue nicht nur dieses Vaterwort:
„Ich muss also leben. Ich gebe mein Leben weiter. Ich darf das auch durch das Wort tun. Aber das Apostolat des Seins ist das wichtigste.“[23]
Für den Verband der Diözesanpriester und ganz Schönstatt, weit über Deutschland hinaus,
 hat sich mit dieser priesterlichen Berufung auch ein anderer Wunsch erfüllt. 1958 schreibt unser Vater in einem Brief: „Schon lange halte ich Ausschau nach Männern und  Frauen, denen Gott hervorragende schöpferische geistige Fähigkeiten gegeben hat, um einmal kraftvoll und geschickt in das Räderwerk der Bewegung einzugreifen und mitzusorgen, dass es nicht zu einer Mumie erstarrt.“[24] Er fährt fort. Es sei also „ein Segen, wenn im Hintergrund Köpfe und Herzen wachsen, die später einmal in die Bresche springen können.“[25] Peter Wolf war zur Zeit jenes Briefes 11 Jahre alt und wuchs an Kopf und Herz eher versteckt in Tauberbischofsheim, um später für viele Menschen, für Schönstatt und diese Priestergemeinschaft ein Inspirator zu sein, damit Schönstatt nicht „zu einer Mumie erstarrt.“

     4.  Mit den Motoren gegen „Mumiengefahr“
Nicht nur der Jubilar, wir alle sind gefragt. Wenn wir nur auf ausgetretenen Wegen und alten Gleisen, neben dem Weltgeschehen herlaufen, herrscht wirklich „Mumiengefahr“. Gott will Schönstatt mit all seinen Berufungen zur Heiligung der Welt. Er will uns lebendig mittendrin. Säkularität ist Sendung.
Wir müssen es nicht genauso machen, wie der junge Bayern-Spieler letzten Samstag nach der gewonnenen
Champions League in London. Im Siegestaumel zieht er auf dem freien Feld des Wembley Stadions sein rotes Bayern-Trikot aus und zeigt, was auf seinem Undershirt zu lesen ist: „Jesus ist meine Stärke“. Ein klares, mutiges Bekenntnis vor aller Welt. Ich werbe nicht dafür, daraus als neuen Brauch, auf unsere Unterkleidung ähnliches zu schreiben: „Jesus…“ oder „Das Liebesbündnis ist meine Stärke“. Merken sollte man es freilich schon. Ohne Aufschrift sollte uns dieses Bewusstsein prägen, so motiviert handeln  lassen und Menschen auf Gott aufmerksam machen. Wir alle müssen arbeiten, etwas leisten und andere Tore schießen. Auf dem Spielfeld des Alltags tragen wir das je angemessene Trikot –bei uns „Frauen von Schönstatt“ ganz ohne eine erkennbare Markierung, doch im Herzen das Liebesbündnis.  So erleben wir in der Pluriformität unseres weltlichen Geschehens, was ich anfangs aus der FAZ zitiert habe. Der Künstler, der Maschinen beten lässt, beschreibt, es gebe keinen ganzheitlichen Blick mehr. „Die Gesamtschau ist für den Menschen unaushaltbar geworden. Doch sie ist ihm auch genommen worden. Die Maschinen und der Rosenkranz, sagt Bayrle, gehören zusammen.“ 
Wenn der Lebensorganismus in Frage gestellt ist und Bindungen nicht ineinandergreifen, dann finden Rosenkranz und Maschinen nicht zueinander - nicht als Kunstobjekte auf der Documenta, nicht als Lebensvorgang, bei dem Gebet und Arbeit sich nicht ausschließen, sondern ineinanderfließen. „Maschinen und der Rosenkranz gehören zusammen“ – Josef Kentenich könnte das auch sagen, aber damit den Umkehrschluss betonen. Nicht die Motoren beten aus sich und fragen nach Gott. Sondern, wir Christen sind gefragt, inmitten anderer Religionen und Weltanschauungen und einer laizistischen Kultur den dreifaltigen Gott zugänglich zu halten. Dabei ist Säkularität Sendung: Die Welt als Schöpfung, als Ort der Inkarnation und Geistsendung kann keine „Säkularität pur“ sein, auch wenn manche Menschen so zu leben scheinen und schreckliche Geschehnisse uns zweifeln lassen, welche Mächte die Überhand haben. In säkularer Zeit hat eine weltbejahende Spiritualität Platz, ja sie ist ganz besonders wichtig. W i r  beten, nicht die Maschinen, aber wohl mit ihnen. Wir beten und schaffen Verbindung zu Gott in einem säkularen Umfeld während die Motoren laufen und wir die Maschinen nutzen: Kleine betende Worte der Liebe am Steuer des Autos, am Computer oder der Kaffeemaschine. Jeden Tag öffnen sich viele Chancen für das, was unser Vater schon im KZ von Dachau diktiert hat - für ihn auch das kein Ort der „Säkularität pur“.
Am Ende der Werkzeugsmesse im Himmelwärts ist die herausfordernde Leidenschaft für Gott und die Menschen knapp und prägnant ins Wort gebracht: „Welt und Menschenherz wollen himmelwärts, wir in allen Weisen mit zum Vater reißen“
[26]. Das gilt auch heute als tägliches „Ite missa est“. Gott ist gefragt in einer säkularen Zeit durch die Maschinen und den Rosenkranz wenn wir sie beide organisch nutzen.



[1] Frankfurter Allgemeine Zeitung 5. Juni2012, Nr. 129, 29
[2] Wirsching, Andreas: Der Preis der Freiheit. Geschichte  Europas in unserer Zeit, München ²2012, 369
[3] Nietzsche, Friedrich:  Der europäische Nihilismus, 10.06.1887  KSA 12,5(71), S. 212
[4] Casanova, José: Säkularismus – Ideologie oder Staatskunst? In: Transit 39 (2010), 33
[5] Transit, Europäische Revue Nr. 39, 2010
[6] aaO Editorial 4
[7] Charles Taylor, Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt a. Main 2009. Siehe auch ders., Die Formen des Religiösen in der Gegenwart, Frankfurt a. Main 2002.
[8] Vgl. ders, Ein säkulares Zeitalter 40ff
[9] Vattimo, Gianni: Glauben – Philosophieren, Stuttgart 1998, 44f)

[10] aaO 36.
[11] Vgl. z.B. zur Diskussion: Fleischer, Christoph: Menschwerdung oder Entgöttlichung. Was bedeutet kenosis? In: Tà katoptrizómena Heft 55, 2008.
[12] Die deutschen Bischöfe. Nr. 68. „Zeit zur Aussaat“. Missionarisch Kirche sein. 26. November 2000. Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
[13]Kentenich, Josef:  Epistola perlonga (1949) 89
[14] Kentenich, Josef: 08.07.1935
[15] Boll, Günter M.: … vor allem mein Herz. Joseph Kentenich – Pädagoge und Gründer, Vallendar-Schönstatt 2012, 233
[16] Kentenich, Josef: Vortrag für Priester am 04.09.1967 in Oberkirch
[17] Kentenich, Josef: Vortrag 30.12.1965, 215ff (zit. nach Boll, Herz 303)
[18] Kentenich, Josef: Marianische Erziehung, Vallendar-Schönstatt  1971,161 (= Pädagogische Tagung 1934)
[19] Privataudienz bei Papst Pius XII. am 14.03.1947
[20] Papst Paul VI 1976 beim Weltkongreß der Säkularinstitute Nr.70
[21] Kentenich, Josef: Exerzitien Frauen von Schönstatt 10.04.1950
[22] Kentenich, Josef: Brief 1958 zit. Nach Wolf, Peter: Berufen, geweiht, gesandt. Vallendar-Schönstatt 2009, 64.
[23] Kentenich, Josef: Vortrag 17.11.1965. Romvorträge vom 17.-23.11.1965, Band I, als Manuskript gedr.o.O.o.J. 50
[24] Kentenich, Josef: Brief JK 1958;  Fribourger Archivnotizen
[25] aaO
[26] Kentenich, Josef: Himmelwärts. Gebete in Dachau, als Manuskript gedruckt 44

 
 

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