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Becker Facebook Bild

Leseprobe 1

aus: Norbert Becker, Postet der liebe Gott bei Facebook?

 

Bei aller Ambivalenz und aller Diskussion um das Medium Facebook wurde für mich gerade in dieser Zeit eine Erkenntnis deutlich, die ich bereits in den vergangenen Jahren in meinem Dienst als Seelsorger sammeln konnte: Facebook ist für mich als Kaplan in der Jugendarbeit nicht nur eine Herausforderung, sondern vor allem auch eine Chance.

Einige Blitzlichter zu persönlichen Erfahrungen mit Facebook können dies weiter verdeutlichen. Sie zeigen jedoch auch die Probleme dieses Social Networks sowie diverse Anfragen an meine Rolle und mein Verhalten als Seelsorger: 
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Facebook-Blitzlicht 1: Eine Ministrantin postet[1] auf Facebook, dass es ihr gerade nicht besonders gut geht. Als ich sie in einer persönlichen Nachricht[2] nach dem Grund frage, berichtet sie mir von einem Problem mit ihrer Religionslehrerin. Diese würde im Unterricht verschiedene Behauptungen formulieren, die sie selbst am Glauben zunehmend zweifeln lassen. In einem kurzen Chat und einem späteren persönlichen Gespräch kann ich auf die Sorgen der Ministrantin reagieren und sie so wieder ermutigen.
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Facebook-Blitzlicht 2: Ich schreibe in einem Facebook-Post, dass ich es zwar für gut empfände, dass der Führer des Netzwerkes Al Qaida, Osama Bin Laden, gefasst sei, dass ich einen Kopfschuss aber als entwürdigend empfände. Am nächsten Tag sprechen mich zwei Schüler nach dem Unterricht auf diesen Kommentar an und es entsteht eine kurze Diskussion über Moral und Werte. Diese wäre ohne Facebook sicher nicht zustande gekommen.  
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Facebook-Blitzlicht 3: Am späten Abend schreiben mich (vermutlich alkoholisierte) Schülerinnen in Facebook an und fragen, ob ich auf ein Bier vorbei komme. Sie duzen mich und versuchen mit vulgären Äußerungen meine Reaktion als Religionslehrer auszutesten. Als ich die Schülerinnen in der Schule persönlich zur Rede stelle, behaupten diese, dass Freunde sich an ihren Rechner gesetzt und die Nachrichten verfasst hätten.
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Facebook-Blitzlicht 4: Im Advent 2011 veröffentliche ich in der Facebook-Gruppe „Weihnachten wird in der Krippe entschieden“ einen Brief an die Geschäftsleitung des Elektronikkonzernes Mediamarkt, in dem ich dessen Werbeslogan „Weihnachten wird unterm Baum entschieden“ kritisiere. Die Gruppe wächst in zwei Wochen auf über 10.000 Mitglieder an. Viele senden meinen Musterbrief ebenfalls als Protest an Mediamarkt. Schließlich wird über Gruppe und Brief auch in Zeitungen und Rundfunk berichtet.
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Facebook-Blitzlicht 5: Nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima im März 2011 lade ich Jugendliche aus der Pfarreiengemeinschaft über Facebook zu einem Gebet für Japan ein. 40 Jugendliche geben auf der Plattform an, dass sie am Gebet teilnehmen. Im Gebet selbst ist schließlich nur eine der 40 Jugendlichen.
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Facebook-Blitzlicht 6: In der Übersicht über neue Meldungen und Posts zeigt mir Facebook Bilder einer Schülerin aus der Mittelschule, dich ich selbst nicht unterrichte. Sie zeigen die Schülerin im Bikini und in erotischen Posen im Freibad. Obwohl ich selbst kein „Facebook-Freund“ der Schülerin bin, bekomme ich die Bilder angezeigt. Ich frage mich, ob dies der Schülerin bewusst ist.
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Facebook-Blitzlicht 7: Ich sitze mit dem Firmteam in einem Restaurant. Beim Warten auf das Essen ist ein Jugendlicher mit seinem Smartphone in Facebook online. Nach kurzer Zeit ruft er beunruhigt auf. Er hat in Facebook vom tödlichen Verkehrsunfall eines Klassenkameraden gelesen. Ich begleite ihn nach draußen, um mit ihm über den Vorfall zu sprechen. 

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[1]        Als posten bezeichnet man das Verfassen einer sog. Statusmeldung (sog. Post) auf dem eigenen Benutzerprofil. Je nach Privatsphäreeinstellung kann diese Nachricht nur von Usern gelesen werden, mit denen man über eine bestätigte Freundschaftsanfrage verbunden ist bzw. nur von einer individiduell ausgewählten Personengruppe. Es ist aber auch möglich, dass Statusmeldungen (Posts) von allen Usern der Plattform gelesen werden können.

[2]        Eine persönliche Nachricht (oder auch private Message) gleicht einer Email. Sie wird direkt und persönlich an einen (oder mehrere) User gesendet. Sie kann nur von dem Empfängern gelesen werden und hat daher einen viel privateren und intimeren Charakter, als eine öffentlich formulierte Statusmeldung.

 
 

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