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Kentenich, Pater Joseph
Joachim Schmiedl

1. Leben
1.1. Kindheit und Jugend
1.2. Lehrer und Spiritual
1.3. Gründer
1.4. Gefangener der Gestapo
1.5. Weltreisen
1.6. Auseinandersetzung mit der kirchlichen Autorität
1.7. Die letzten Lebensjahre
2. Bedeutung

Geb. 18. November 1885 in Gymnich/Rheinland, gest. 15. September 1968 in Vallendar-Schönstatt, Gründer der Schönstatt-Bewegung.

1. Leben

1.1. Kindheit und Jugend - Joseph Kentenich wurde am 18. November 1885 in Gymnich bei Köln geboren. Joseph wuchs bei seinen Großeltern auf, da seine Mutter Katharina (1861-1939) nicht verheiratet war und als Hausangestellte in verschiedenen Kölner Familien arbeitete. Sein Vater Peter Joseph Köp (1841-1931) wollte sie nicht heiraten, blieb aber selbst unverheiratet. 1894 brachte ihn die Mutter in das St. Vinzenz-Waisenhaus in Oberhausen. Die Marienweihe, die sie mit dem Jungen vor der dortigen Marienstatue vollzog, nahm Joseph tief in sich auf. Sie wurde prägend für sein weiteres Leben. Nach dem Besuch der Volksschule besuchte Joseph, der Priester werden wollte, ab 1899 das Gymnasium und Internat der Pallottiner in Koblenz-Ehrenbreitstein. 1904 trat er in das Noviziat der Pallottiner ein. Während des Noviziats (1904-1906) und des anschließenden Studiums in Limburg (1906-1911) hatte Kentenich unter schweren inneren Kämpfen, seelischer Einsamkeit und dadurch ausgelösten Glaubenszweifeln zu leiden, was ihn nach eigenen Aussagen bis an den Rand des geistigen Zusammenbruchs führte. Die Frage nach der Wahrheit und ihrer Erkennbarkeit beschäftigte ihn zutiefst. Erst in der existentiellen Bindung an Maria und im Kontakt mit dem Leben fand er eine Lösung der inneren Spannungen.

1.2. Lehrer und Spiritual - Am 8. Juli 1910 wurde J. Kentenich in Limburg zum Priester geweiht. Nach dem Abschluss der Studien kam er als Lehrer für Latein und Deutsch 1911 nach Ehrenbreitstein und ein Jahr später nach Schönstatt. Im Oktober 1912 zum Spiritual ernannt, begann er seine Tätigkeit mit einem programmatischen Vortrag, der später "Vorgründungsurkunde" genannt wurde. Mit engagierten Schülern gründete er in den Weihnachtsferien 1912/13 einen Missionsverein, der am 19. April 1914 in eine Marianische Kongregation umgewandelt wurde. Für diese Kongregation bekam Kentenich von seinen Vorgesetzten die alte Friedhofskapelle im Tal, die dem hl. Michael geweiht war, zur Verfügung gestellt (>>Heiligtum). In der vorsehungsgläubigen Suche nach dem Willen Gottes für diese junge Gemeinschaft spielte für ihn ein Zeitungsbericht über die Gründung des italienischen Wallfahrtsortes Valle di Pompei und die durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verschärfte Zeitsituation eine wichtige Rolle. Deshalb sprach er am 18. Oktober 1914 in der "Ersten >>Gründungsurkunde" eine "Lieblingsidee" aus, ob Schönstatt nicht ein Gnadenort Marias werden könne. Für die dazu geforderte Mitwirkung der Schüler sah Kentenich in den Schrecken des Weltkriegs eine ethische und religiöse Herausforderung. Durch umfangreichen Briefwechsel und die Herausgabe der Zeitschrift "Mater ter admirabilis" (seit 5. März 1916) förderte Kentenich die zum Militär eingezogenen Schüler, die unter den Bedingungen des Krieges sogar Gruppen aufbauen konnten. Eine eigene "Außenorganisation" entstand. Nach Kriegsende bat Kentenich die Leitung seiner Gemeinschaft um Freistellung für die neu entstandenen Gruppen.

1.3. Gründer - In den 20er und 30er Jahren war Kentenich ganz vom Aufbau der verschiedenen Gemeinschaften der entstehenden Schönstatt-Bewegung in Anspruch genommen. 1919 wurde der "Apostolische >>Bund" gegründet, in den bald auch Frauen (Gertraud von >>Bullion) aufgenommen wurden. Ab 1920 bildeten dieser und die "Apostolische >>Liga" die ">>Apostolische Bewegung von Schönstatt". Viele Reisen führten Kentenich zu den Mitgliedern der Bewegung. 1926 gründete er die "Schönstätter >>Marienschwestern". Kentenich hielt Tagungen, Exerzitien, pädagogische und seelsorgliche Kurse für Priester und Laien, besonders für Frauen und Männer aus pädagogischen Berufen. Seit 1924 gehörten die "Seelenführerkurse", seit 1927 die >>Exerzitien mit einem Jahresthema zu seinen regelmäßigen Angeboten. Im Jahr 1932 nahmen über 2000 Priester an seinen Exerzitien und Tagungen teil. Zur geistigen Steuerung der Bewegung gab Kentenich seit 1931 eine jährliche >>Jahresparole bekannt.

Den Nationalsozialismus lehnte Kentenich von Anfang an entschieden ab; er wisse keine Stelle, wo das Taufwasser auftreffen könne, bemerkte er gegenüber Bischof von Galen (Münster). In Vorträgen und pädagogischen Tagungen an verschiedenen Orten Deutschlands bemühte er sich um eine geistige Immunisierung gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie. In der Folgezeit kam es wiederholt zu Hausdurchsuchungen in Schönstatt. Mehrere Schönstätter wurden inhaftiert und kamen in Konzentrationslager. Am 1. April 1939 wurde das Studienheim Schönstatt geschlossen. Kentenich sah darin einen Anlass zur Änderung seiner Arbeitsweise. In seinen Vorträgen bemühte er sich, als Antwort auf die Herausforderungen der Zeit auf eine Vertiefung des religiösen Lebens in den Schönstatt-Gemeinschaften hinzuarbeiten. Er regte an, durch die aszetischen Wachstumsstufen von >>"Blankovollmacht" und >>"Inscriptio" die Fähigkeit zur positiven Bewältigung von Kreuz und Leid zu verstärken.

1.4. Gefangener der Gestapo - Am 20. September 1941 wurde Kentenich von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet. In Koblenz hielt man ihn sechs Monate in Haft, davon vier Wochen in einer Dunkelzelle. Bemühungen, ihn dazu zu bewegen, eine nochmalige gesundheitliche Untersuchung in Bezug auf seine "Lagerfähigkeit" zu beantragen, schlug er am 20. Januar 1942 aus. Er wertete diesen Schritt als Zeichen der Solidarität und inneren Freiheit in der Nachfolge des Gekreuzigten. Vom 13. März 1942 bis 6. April 1945 war er im Konzentrationslager Dachau interniert.

Im Lager entfaltete Kentenich eine rege Wirksamkeit. Er nahm Kontakte zu anderen dort inhaftierten Schönstättern auf, hielt Vorträge und Meditationen auf dem Priesterblock und leitete mehrere Gruppen interessierter Priester. Da er mit dem Tod rechnen musste, entstanden in Dachau zentrale Werke über die Spiritualität und Struktur seiner Gründung, die er illegal aus dem Lager schmuggelte. Am 16. Juli 1942 gründete er mit Dr. Friedrich Kühr das Schönstätter >>Familienwerk und mit Eduard Pesendorfer die Schönstätter >>Marienbrüder.

Durch den Aufenthalt Pater Kentenichs in Dachau breitete sich die Schönstatt-Bewegung in andere Nationen hinein aus. Am 18. Oktober 1944 gab Kentenich dieser Entwicklung in der Proklamation der "Schönstatt->>Internationale" einen offiziellen Ausdruck.

1.5. Weltreisen - Nach der Rückkehr aus dem KZ Dachau am 20. Mai 1945 widmete sich Kentenich zunächst der inneren Strukturierung seiner Gründung. Er konstituierte das Institut der Schönstätter Diözesanpriester (>>Schönstatt-Institut Diözesanpriester, 18. Oktober 1945) und das Institut der >>Frauen von Schönstatt (2. Februar 1946). Das Institut der Marienschwestern strukturierte er in Provinzen. Als jährliche zentrale Schulungsveranstaltung führte er die >>"Oktoberwoche" ein. 1950 und 1951 hielt er mehrere große Pädagogische Tagungen.

1947 begann Kentenich seine erste große Weltreise, die ihn von Italien aus nach Brasilien, Uruguay, Argentinien und Chile führte. Er besuchte dort die Niederlassungen der Marienschwestern und der Pallottiner. 1948-1950 standen Südafrika, Brasilien, Chile und die USA auf dem Programm. Eine dritte apostolische Reise führte ihn 1951 wieder nach Südamerika. In diesen Jahren wurden von den dort lebenden Schönstättern die ersten originalgetreuen Nachbildungen des Heiligtums errichtet.

1.6. Auseinandersetzung mit der kirchlichen Autorität - 1935 war es zu ersten kritischen Anfragen führender kirchlicher Persönlichkeiten bezüglich mancher Aspekte der Spiritualität der Schönstatt-Bewegung und deren Anwendung gekommen (Sonderideen).

Nach der Rückkehr aus Dachau ergriff P. Kentenich selbst die Initiative, um seine Gründung von der kirchlichen Autorität prüfen und anerkennen zu lassen. Offene Fragen betrafen zum Beispiel originelle spirituelle und aszetische Formen und eigene Wortprägungen sowie die Frage nach der Einordnung der verschiedenen Gemeinschaften in die kirchlichen Strukturen und Lebensprozesse. Für die damalige Zeit ungewöhnlich war sein freimütiger Umgang mit kirchlichen Autoritäten und die Tatsache, dass er sehr früh tiefenpsychologische Erkenntnisse in seine pädagogische und spirituelle Praxis einbrachte. Beides stieß in der Zeit vor dem Konzil auf Unverständnis. Eine Visitation des Instituts der Marienschwestern, die 1948 als erstes deutsches Säkularinstitut kanonisch errichtet worden waren und für die P. Kentenich um eine Studienkommission gebeten hatte, durch den Trierer Weihbischof Bernhard Stein brachte ein im wesentlichen positives Ergebnis. Der Abschlussbericht war aber für Kentenich Anlass, in einer Abhandlung, deren ersten Teil er am 31. Mai 1949 in Santiago de Chile fertigstellte, auf eine Weise der Weltbetrachtung aufmerksam zu machen, die er als >>"mechanistisches Denken" charakterisierte und die für Kirche und Gesellschaft seiner Meinung nach eine Gefahr darstellten.

Von da ab konzentrierte sich die Auseinandersetzung immer mehr auf seine Person. 1951 setzte eine Apostolische Visitation des Schönstattwerkes ein. Der Visitator, der holländische Jesuitenprofessor Sebastian >>Tromp aus Rom, setzte Kentenich als Geistlichen Direktor der Marienschwestern ab, verfügte seine Ausweisung aus Schönstatt und Europa.

Am 21. Juni 1952 kam P. Kentenich an seinem ihm vom Heiligen Offizium zugewiesenen Aufenthaltsort Milwaukee in den USA an, wo er gut dreizehn Jahre blieb. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von Studien für kirchliche Behörden, in denen er die Fragen um Schönstatt zu klären suchte. Seit 1959 war Kentenich Seelsorger der deutschen Gemeinde in Milwaukee. Bewegung in seinen Fall kam erst wieder im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils.

1.7. Die letzten Lebensjahre - Am 13. September 1965 wurde P. Kentenich überraschend nach Rom gerufen. In der Endphase des Konzils konnte die Auseinandersetzung um seine Person geklärt werden, so dass sein Exil beendet werden konnte. Er trat aus der Gemeinschaft der Pallottiner aus und wurde in den Klerus der Diözese Münster aufgenommen. Am 22. Dezember 1965 hatte er eine Audienz bei Paul VI. Damit war P. Kentenich rehabilitiert. Er durfte nach Schönstatt zurückkehren und seine früheren Ämter als Gründer wieder ausüben.

Die letzten drei Lebensjahre widmete Kentenich mit voller Kraft der Ausgründung seines Werkes. Ein immenses Arbeitspensum nahm ihn in Anspruch. Am 15. September 1968 starb er unmittelbar nach seiner ersten Eucharistiefeier in der neu erbauten >>Anbetungskirche in Schönstatt, in der er auch beigesetzt ist.

2. Bedeutung - Die Bedeutung Pater Kentenichs als charismatische Gründerpersönlichkeit wird ersichtlich im Kontext der kirchlichen Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Die von ihm gegründete Schönstatt-Bewegung ist die erste und älteste der neuen Geistlichen Bewegungen.

Die >>Säkularinstitute des Schönstattwerks gehören innerhalb der deutschen Säkularinstitute zu den ältesten und zahlenmäßig größten. Es sind Beiträge Kentenichs für die Erneuerung der >>Kirche. Das Wort auf seinem Grabstein "Dilexit Ecclesiam" (Er liebte die Kirche) darf als ein programmatisches Wort für sein Leben gelten. P. Kentenich ist einer der großen religiösen Gründergestalten unseres Jahrhunderts.

Innerhalb des Modellcharakters, den Kentenich durch Schönstatt für die Kirche geben wollte, ragt besonders sein pädagogisches Anliegen hervor. P. Kentenich war über Jahrzehnte hin ein bedeutender geistlicher Lehrer und spiritueller Begleiter für viele Menschen. In der Begegnung mit ihm wurde etwas von geistlicher Vaterschaft spürbar. Er war ein begnadeter Erzieher, dessen Pädagogik wegweisend ist für Kirche und Gesellschaft, deren Rezeption aber weitgehend noch aussteht.

Seine profiliert-prophetischen Aussagen zur Situation von Kirche und Gesellschaft brachten Kentenich für lange Zeit in Spannung zur offiziellen kirchlichen Linie. Auch wenn die in den 50er Jahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe inzwischen gegenstandslos sind, ist sein Charisma in Umfang und Tragweite noch nicht ausgeschöpft. Dass P. Kentenich der Gründer einer spirituellen und apostolischen Erneuerungsbewegung mit einer marianischen Sendung ist, wird weitgehend gesehen. Seine Impulse und Anregungen für Kirche und Gesellschaft am "neuen Ufer" bedürfen noch einer Aufarbeitung.

Anmerkung: Die Schreibweise des Vornamens P. Kentenichs ist nicht einheitlich. Die Eintragung im Gymnicher Taufbuch lautet auf "Joseph". Er selbst verwendete jedoch auch die Schreibweise "Josef", in Briefen meistens abgekürzt "J.K." oder "J. Kentenich".

Literatur:

B. Albrecht, Die Bedeutung Pater Kentenichs für die Kirche vor dem Horizont der Zukunft, Regnum 20 (1986) 101-113

H. King, Die Reifung eines neuen Paradigmas in Pater Joseph Kentenich, Regnum 28 (1994), 163-174, 29 (1995), 20-34

E. Monnerjahn, Engelbert (Hrsg.), Inmitten der Kirche. Pater Joseph Kentenich zum Gedenken, Vallendar-Schönstatt 1969 (=Regnum 4 (1969) 3-68)

ders., Häftling Nr. 29392, Vallendar-Schönstatt 1972

ders., Ein Leben für die Kirche, Vallendar-Schönstatt 41990

ders., Art. Kentenich, Joseph, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione V, Rom 1978, 346-348

J. Neuenhofer/ E. Zillekens, Auf die Spur kommen, Vallendar-Schönstatt 1985

L. Penners, Art. Kentenich, in: Marienlexikon, Band 3, St. Ottilien 1991, 541 f.

J. Schmiedl, Josef Kentenich (1885-1968), in: F.-J. Heyen, (Hrsg.), Rheinische Lebensbilder 14, Köln 1994, 233-249

A. Strada, Das Verhältnis von Gründer und Gründung in der Tradition der Kirche, Regnum 20 (1986) 17-30

E. Uriburu, Sie nennen ihn Vater, Vallendar-Schönstatt 1980 (Übersetzungen)

ders., Huellas de un padre. Presencia y mensaje del Padre José Kentenich an América Latina, Buenos Aires 1990

Ein Charisma für die Kirche, Vallendar-Schönstatt 1985.

Joachim Schmiedl

 

Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt - All rights by Patris-Verlag -
www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) - www.josef-kentenich-institut.de

 

Eingestellt von
O. B.
BM
Eingestellt am: 14.12.2010 11:27
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