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Freitag 22.11.2024, 22:59 Uhr
(c) 2024 Veit Dennert

Predigten

Übersicht

2006

Predigt am Fest Kreuzerhöhung in Kloster Helfta bei der Bilduungswoche des Kathol. Bildungswerkes der Erzdiözese Bamberg für Lehrersenioren.

Klosterkirche der Cisterzienserinnen in Helfta (Eisleben)
Klosterkirche der Cisterzienserinnen in Helfta (Eisleben)
Das Kreuz - das Heilszeichen der Christen [1]

1 Kreuzauffindung und Kreuzverehrung
Nach einem Bericht aus der Zeit um 600 ist die Auffindung des heiligen Kreuzes unter der Kaiserin Mutter Helena am 14. September 320 geschehen. Ihr Sohn, Kaiser Konstantin baute in Jerusalem für das Kreuz das Martyrion, auch "Ad Crucem" genannt, neben der „Anastasis“, der Auferstehungs- oder Grabeskirche. Diese Kirchbauten wurden am 13. September 335 geweiht. Der Kirchweihgedenktag war folglich der 14. September.
Es geht also heute um den Dank für die Weihe dieser Jerusalemer Gotteshäuser, in denen die Christenheit bis heute Heimat hat. Die gallische Pilgerin Egeria berichtete, mit welch großem Volkszulauf um 390 am Karfreitag in diesen Kirchen die Kreuzverehrung gefeiert wurde. Viele Diakone führten die Aufsicht, damit nicht jemand unter dem Deckmantel der Andacht einen Teil des Kreuzes, etwa durch Abbeißen während des Kusses, raubte. Das Kreuz Jesu war also zur kostbaren und begehrenswerten Reliquie geworden.

1.1 Verlust des Kreuzes
Dieses Kreuz ging 614 beim Einfall des Perserkönigs Chosroas verloren. Am 3. Mai 628 wurde das Kreuz von Kaiser Heraklius nach einem Feldzug gegen Persien wiedergebracht und am 21. März 629 am alten Platz in Jerusalem wieder aufgestellt. Übrigens ging 1187 mit der vernichtenden Niederlage Kreuzritterheeres gegen die Muslime bei Hattin in Galiläa das heilige Kreuz, das der Bischof von Betlehem mitgetragen hatte, endgültig in nichtchristliche Hände verloren.
Schlimmer als der Verlust des Kreuzesholzes wäre, würden wir hier in Europa Jesus Christus, den Gekreuzigten vergessen und verleugnen. Dann würden wir mit samt unserer christlich abendländisch freiheitlichen Kultur bald von der Landkarte verschwinden. Es würde gelten, was schon der Prophet Jesaja den in Samarien lebenden Israeliten zuruft: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“[2]

1.2 S. Croce de Jerusalem
Vor einem Jahr durfte ich zusammen mit der 1. Rom Pilgergruppe unserer Kolpingsfamilie am Abend nach der Papstaudienz in der Krypta von S. Croce de Jerusalem, also der »Heilig Kreuz Kirche von Jerusalem« die Heilige Messe feiern. Sie ist eine der sieben Hauptkirchen Rom. Von der Krypta führt eine Treppe hinauf zum Aufbewahrungsort eines Stückes des Heiligen Kreuzes, das die Kaiserin Helena 320 nach Rom mitbrachte. Im selben Jahr 320 ließ Kaiser Konstantin der Große diese Kirche in die Kaiserliche Residenz hineinbauen, um dieses Stück des Heiligen Kreuzes darin aufzubewahren.

1.3 Das Kreuz als Erinnerungszeichen
Warum so viel Aufhebens um ein Stück Holz? Der Jüdisch-Christliche Glaube baut auf die Erinnerung an die Heilstaten Gottes in der Geschichte seines Volkes auf. Was auf Golgota mit Jesus geschah, war menschlich gesehen eine furchtbare Katastrophe. So haben es zunächst die Jünger und Jüngerinnen Jesu erlebt.
Dann aber zeigte sich Ihnen der Getötete als der von den Toten Auferweckte, als der Sieger über Tod, Grab und Sünde. Durch Gottes Leben schaffende Macht wurde das Holz der Schmach zum Baum des Lebens, das Zeichen des Untergangs zum Siegeszeichen.
Jeder Jerusalem Pilger kann dies bis heute zeichenhaft erleben. Golgota und Grabeskirche sind zusammengebaut. Die Grabeskirche ist die Anastasis, die Auferstehungskirche.

Pfr.Dennert bei der Messfeier in der Klosterkirche
Pfr.Dennert bei der Messfeier in der Klosterkirche
2 Das Kreuz als Siegeszeichen

Das Kreuz wurde zum Siegeszeichen der Macht und Liebe Gottes, das in die ganze Welt hineinstrahlt. Es zeigt allen gedemütigten und unschuldig Umgebrachten die Solidarität Gottes mit ihnen. Den Kreuzträgern aber gibt es Kraft, ihr Kreuz zu tragen. Daher schauen wir wie die Israeliten auf zu dem uns von Gott gegebenen Heilszeichen: dem Kreuz Jesu.
In unser Pfarrkirche St. Michael in Neunkirchen steht hinter dem Altar, das dem Jerusalemkreuz nachempfundene moderne Kreuz. Im Rahmen eines Kreuzes befinden sich fünf Kreuze. Das von einem Bergkristall umschlossene Kreuz vor einem geöffneten Fenster ist die Mitte des Kreuzes, so wie der gekreuzigte, auferstandene und beim Vater verherrlichte Christus die Mitte unseres christlichen Glaubens ist.
Ihn hat Gott wegen seiner bis in den Tod hinein gelebten Liebe »über alle erhöht, und ihm einen Namen verliehen, der größer ist als alle Namen».[3] In IHM sind alle Kreuze dieser Welt miteinander verbunden. In IHM verbinden sich oben und unten, Himmel und Erde. In seinem Siegeszeichen sind Ost und West, Nord und Süd miteinander verbunden. In alle Welt strahlt die Botschaft vom Sieg des Gekreuzigten, von der Lebensmacht Gottes, die stärker ist als der Tod.

2.1 Kreuzreliquien
Von daher können wir verstehen, dass Kreuzreliquien von den Christen immer hochgeschätzt und verehrt worden sind. Im Mittelalter erreichte der Reliquienkult seinen Höhepunkt. Alle wichtigen Kirchen waren darauf aus, ein kleines Stückchen vom Kreuz Christi zu besitzen. Ob sich dabei um Berührungsreliquien oder wirklich um einen Splitter vom Kreuz Jesu handelt, ist schwer festzustellen.
Bei der Ausstellung in Halle über Kardinal Albrecht von Brandenburg, einem Gegenspieler der Reformatoren, wird uns klar werden, welche Hochschätzung Reliquien bei diesem Kirchenmann, aber auch bei weltlichen Fürsten herrschte, wie man davon nicht genug bekommen konnte. Der ausufernde Reliquienkult hat schließlich in der Reformation zum anderen Extrem geführt: der totalen Ablehnung der Reliquien und oftmals auch ihrer Vernichtung.

2.2 Reliquienkult
Bis heute werden in der katholischen Kirche bei jeder Altarweihe Reliquien von Märtyrern in oder unter dem Altar eingefügt. Sie ermahnen uns, das Zeugnis für Jesus Christus ernst zunehmen, und wenn es sein muss sogar todernst.
Freilich gibt es auch Christen und Priester, die den Reliquien eine große, manchmal auch eine übersteigerte Bedeutung zumessen. Sie meinen der mit einem Reliquienbehälter gespendete Segen sei besonders wirksam und dem Segen mit der Hand vorzuziehen.
Doch gilt es zu bedenken: Die Hände des Priesters werden bei der Priesterweihe gesalbt, um zu segnen, unter dem Zeichen des Kreuzes von den Sünden los zu sprechen, den Leib des Herrn in der Gestalt des Brotes bei der heiligen Wandlung den Gläubigen zu zeigen und bei der hl. Kommunion an die Gläubigen auszuteilen. Es gab in der Kirche immer wieder

2.3 Kritik am Reliquienkult
300 Jahre vor der Reformation wird der heiligen Gertrud von Helfta vom Herrn in einer Vision eine nüchterne ja kritische Einschätzung des Reliquienkultes mitgeteilt. In ihrem Buch »Gesandter der göttlichen Liebe«[4] berichtet sie im 50. Kapitel zum Fest Kreuzerhöhung als sie über die Würde des Kreuzes meditierte dies: „Hierauf begehrte sie sehnsüchtig, einen Partikel von dem Herrn so teuren Holze zu erwerben, um durch die Verehrung für dieselbe vom Herrn um so gnädiger angesehen zu werden.“
Der Herr antwortete ihr: »Willst du Reliquien haben, die mein Herz zu dem Besitzer wirksam hinziehen können, dann lies den Text meiner Leidensgeschichte und erwäge dabei sorgfältig, welche Worte ich mit größerer Liebe gesprochen habe. Diese schreibe ab, bewahre sie, überdenke sie oftmals und sei versichert, dass du hierdurch meine Gnade mehr als durch andere Reliquien verdienen wirst«.[5] Damit wird klar,

2.4 Die wichtigste Reliquie ist die Heilige Schrift
Was über Jesus in den Evangelien, über seine Hingabe bis in den Tod und über seine Auferstehung geschrieben steht, in sich aufzunehmen ist also wertvoller als noch so kostbare Reliquien. Ja wir können daraus sogar eine vorreformatorische Kritik an einem übertriebenen Reliquienkult vernehmen. Dabei appelliert der Herr an die Vernunft Gertruds, die auch unser Papst Benedikt in der Uni Regensburg so stark betonte. Der Herr spricht zu Gertrud:
„Hiervon könnte, auch wenn du nicht durch meine Eingebung belehrt worden wärest, schon die Vernunft dich überzeugen. Denn wenn ein Freund den andern an frühere Freundschaft erinnern will, so sagt er viel wirksamer: Erinnere dich jener Liebe, welche du scheidend in deinem Herzen empfandest, da du dieses oder jenes Wort sprachst, als wenn er sagte: Erinnere dich der Liebe, die du empfandest, als du an dieser Stätte saßest oder jenes Kleid trugst. Deshalb kannst du auch glauben, dass meine würdigsten Reliquien, die man auf Erden haben kann, die süßen Liebesworte meines gütigsten Herzens sind.“[6]

Der Gekreuzigte ist der beim Vater Erhöhte
  Klosterkirche in Helfta
Der Gekreuzigte ist der beim Vater Erhöhte
Klosterkirche in Helfta
2.5 Im Kreuz ist Heil

2.5.1 Angesichts des Holocaust?
Fragen viele: „Kann man nach Auschwitz noch von Gott oder gar vom Kreuz sprechen?“ Beim Gang durch das jüdische Museum in Berlin vor drei Wochen wurde ich mit der 2000jährigen Judenverfolgung in Europa konfrontiert. Die Bosheit und Verblendung von Menschen, die sich Chrisen nannten, erschütterte mich tief. Der Gott Israels und der Glaube an ihn, ist die Wurzel, die uns trägt, sagt Paulus im Römerbrief.[7] Und doch auch angesichts des Holocaust und der Shoa braucht die Welt Gott.
Bei der Messe in München Riem sagte der Papst: „Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott. Welchen Gott? In der ersten Lesung sagt der Prophet zu einem unterdrückten Volk: Die Rache Gottes wird kommen. Wir können uns gut ausdenken, wie die Menschen sich das vorgestellt haben. Aber der Prophet selber sagt dann, worin diese Rache besteht: in der heilenden Güte Gottes.“

2.5.2 Diese heilende Güte Gottes wird am Kreuz Jesu offenbar.
Der Papst fährt fort: „Die endgültige Auslegung des Prophetenwortes finden wir in dem, der am Kreuz gestorben ist – in Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes. Seine »Rache« ist das Kreuz: das Nein zur Gewalt, die »Liebe bis ans Ende«. Diesen Gott brauchen wir.“
Uns zum Zeugnis aufrufend sagt der Papst weiter: „Wir verletzen nicht den Respekt vor anderen Religionen und Kulturen, die Ehrfurcht vor ihrem Glauben, wenn wir uns laut und eindeutig zu dem Gott bekennen, der der Gewalt sein Leiden entgegenstellt; der dem Bösen und seiner Macht gegenüber als Grenze und Überwindung sein Erbarmen aufrichtet. Deshalb nehmen wir Jesus Christus, den gekreuzigten, sein Kreuz bewusst und mit Überzeugung an.“
Deshalb werden wir

Mitfeiernde Lehrersenioren
  in der Klosterkirche Helfta
Mitfeiernde Lehrersenioren
in der Klosterkirche Helfta
3 Das Kreuz ganzheitlich und leibhaftig annehmen
3.1 Mit diesem uns ganz umfangenden Zeichen beginnen und schließen wir unsere Gebete;
denn der am Kreuz liebende und siegende Christus ist unser Fürsprecher beim Vater. Nicht eilig oder fahrig, sondern langsam und mit Bedacht werden wir es über uns machen.
Die Stirn berührend sprechen wir „im Namen des Vaters“ – Gott, du bist zu mir wie ein guter Vater, wie eine liebende Mutter. Alles, was ich bin kommt von dir.
Beim „und des Sohnes“ liegt unsere rechte Hand auf dem Sonnengeflecht und die Finger zeigen zum Herzen. – Jesus, du liebst jeden von uns. Dein Leben hast du für uns hingegeben zur Vergebung unserer Sünden.
Beim „und des Heiligen Geistes“ schlagen wir einen Bogen von einer Schulter zur anderen schlagend spüren wir, dass wir Haus Gottes und Tempel des Heiligen Geistes sind.

3.2 Beim Segnen wird das Zeichen des Kreuzes über uns gemacht
und wir nehmen ihn im Zeichen des Kreuzes an; denn mit dem Epheserbrief dürfen wir sprechen: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel." [8]
Der Priester gibt den Segen und wir nehmen in mit unserer Hand an und übertragen ihn auf unsere Person. In ihren »Exercitia spiritualita«[9] berichtet die heilige Gertrud, wie der Herr sie anleitet, das Kreuzzeichen zu vollziehen. Nicht nur das „dass,“ sondern das „wie“ ist wichtig.
Hören wir ihr einfach zu: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. O du, meine ans Kreuz geschlagene Liebe, Jesus, der Süße voll: Von dir will ich annehmen das Zeichen deines heiligen Kreuzes, auf der Stirn wie im Herzen, dass ich auf ewig lebe unter deinem Schutz. Gib mir einen lebendigen Glauben im Vertrauen auf deine himmlischen Vorschriften, so dass ich, das Herz weit ausgespannt, eilends laufe auf dem Weg deiner Weisungen. Durch dich sei mein Lebenswandel so, dass ich es verdiene, dass du mich zum Tempel Gottes machst und zur Wohnstatt des Heiligen Geistes, des Lebenshauches. Amen, so geschehe es.[10]

3.3 Bei der Eucharistiefeier in der Mitte des Hochgebetes
bei der Heiligen Wandlung wird das Kreuzesopfer Christi auf dem Altar gegenwärtig. Der Priester zeigt uns dann den Leib des Herrn und den Kelch des Blutes Christi.
Sein Kreuzesopfer, mit dem er uns erlöst hat, nehmen wir an, indem wir im Gestus des Annehmens langsam das große Kreuz über uns machen, und dabei Jesus dankend sprechen: "Jesus, wir danken dir, dass du am Kreuz dein Leben für uns hingegeben hast aus Liebe." Und beim Zeigen des Kelches machen wir seine Heilstat annehmend wieder das Kreuz über uns und beten dabei: "Jesus, wir danken dir, dass du am Kreuz dein Blut für uns vergossen hast aus Liebe."

4 Kreuzerhöhung
Deshalb werden wir Christen das Kreuz Christi erhöhen, hochhalten. Denn es ist das Zeichen der Liebe Gottes, die in Jesus bis zum Äußersten geht. Und es ist das Zeichen der Macht und des Sieges Gottes, weil Gott den Getöteten auferweckt und zum Herrn des Alls gemacht hat. Deshalb beten wir nach der Wandlung: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“

[1] Bibeltexte zum Fest: Phil 2,6-11; Joh 3,13-17
[2] Jes 7,9
[3] Phil 2,9
[4] Gertrud die Große , Gesandter der göttlichen Liebe 50. Kapitel „Von der Würde des heiligen Kreuzes“ S.384 f.
[5] Gertrud die Große, ebd. 385
[6] ebd S. 385
[7] Röm
[8] Eph 1,3
[9] Gertrud die Große, in Exercitia spiritualia –Geistliche Übungen, Lateinisch und deutsch, Hrsg. Siegfried Ringler, Buchverlag Oliver Humberg 2001 ISBN 3-9802788-6-7
[10] ebd. Erinnerung an die Taufe S. 49 (55)

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