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Sonntag 22.12.2024, 07:30 Uhr
(c) 2024 Veit Dennert

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2008 (A) im Jahreskreis

Homilie am 8. Sonntag im Jahreskreis zu Psalm 18 (19) Vers 20 Leitwort des Katholikentags in Osnabrück

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Du führst uns hinaus ins Weite[1]

In wenigen Wochen hat sich in der Schöpfung eine Explosion des Lebens ereignet. Ob wir dieses Wunder noch wahrnehmen und dafür danken? Oder ist es für uns schon selbstverständlich geworden, dass alles blüht und grünt? Können wir in diesem sich jährlich ereignenden Wunder noch Gottes liebevolle Vorsehung für uns entdecken? Können wir angesichts dieses Wunders der Schöpfung Gott, den Geber aller guten Gaben, auch jubelnd preisen? Erfahren wir darin noch die Weite der Liebe und Sorge Gottes für seine Geschöpfe, besonders für uns Menschen? Das Leitwort des diesjährigen Katholikentages in Osnabrück lautet:

Du führst uns hinaus ins Weite - Zukunftsgestaltung

Der Katholikentag stellt das Thema Zukunftsgestaltung in die Mitte.

Er will Theologische Schwerpunkte setzen, die von einem Gott zeugen, der mit den Menschen geht, der ihr Leben teilt, der sie in seine Weite führt und gerade deshalb auch etwas von ihnen erwarten kann. Auf diese Weise lässt es sich auch vermeiden, die Zukunft als menschenmachbar darzustellen, sie bleibt Geschenk Gottes an uns.

  • Das Leitwort lehnt sich an den Psalm 18 an, genauer gesagt an dessen 20. Vers: "Du führst uns hinaus ins Weite." Es ist ein sehr bekanntes Wort, wir können es sogar alle auf Anhieb singen, doch es ist trotz seiner Bekanntheit eine Neuentdeckung, da es bisher keinem Katholikentag seine Prägung gab.
  • Der Psalm 18 ist ein Danklied des Königs David für Rettung und Sieg. Darin finden sich durchaus auch gewaltzustimmende Passagen, die sich aber immer auf die Rettung Israels aus der Hand seiner Feinde beziehen.
  • In der Endgestalt von Psalm 18 ist der Krieg nämlich nur noch metaphorisch gemeint, d.h. Krieg steht für alle Bedrängnisse, die im Leben über uns kommen können. Dazu gehören auch Naturkatastrophen. Daneben finden wir wunderschöne ermutigende Aussagen: "Du, Herr, lässt meine Leuchte erstrahlen, mein Gott macht meine Finsternis hell" (V 29). "Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern" (V 30). "Du schaffst meinen Schritten weiten Raum, meine Knöchel wanken nicht" (V 37).

Einige Charakteristiken des Leitworts wollen wir jetzt bedenken.

  • ¨ Es ist ein konkretes Du, das hier angesprochen wird, ein personaler Gott steht hier mit den Menschen im Dialog. Der Gott und Vater Jesu Christi, der Gott der Christen ist eben kein sog. höheres Wesen, fern von uns und unnahbar. Er ist unser großes Du, immer und überall anwesend und ansprechbar.
  • ¨ Ein sehr positives Gottesbild wird hier vermittelt, Gott wird mit dem Begriff des Weiten in Beziehung gesetzt. Gott engt uns nicht ein. Vielmehr befreit er aus aller Enge, aus der engen Bindung an den Mammon, an Geld und Besitz. Er befreit uns aus der Enge unseres Blicks und unseres Denkens.
  • ¨ Viele Menschen verbinden mit dem Begriff "Weite" den der Freiheit. Vielfach wird Freiheit missverstanden als Freiheit von Bindung und Verantwortung, dass ich machen kann, was ich will. Wo Freiheit aber nur egoistisch verstanden und missbraucht wird, wirkt sie zerstörerisch, macht sie das Leben und sie Zukunft unsicher. Leben und Glück können aber nur gedeihen, wo Verlässlichkeit und Solidarität herrschen. Im Streben nach Freiheit geht es darum dass wir frei werden, für das, was Gott von uns erwartet. Beim Propheten Micha lautet das so: "Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott."[2] Wo die Freiheit zum Guten gebraucht wird, gibt es keine Ausbeutung, kein im Stich lassen, keinen Krieg.
  • ¨ Es geht im Leitwort um einen Aufbruch, der eine Veränderung der Perspektive, der Sehweise beinhaltet. Frei sein bedeutet eben nicht, das tun, was man tut. Im Römerbrief zeigt uns Paulus die christliche Perspektive der Wirklichkeit: "Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist."[3]
Die Freiheit des Christenmenschen zeigt sich darin, dass wir nicht wie die Heiden leben, deren Denken sich auf Nichtigkeiten richtet.[4] Christus hat uns zur Freiheit befreit,[5] die uns davor bewahrt, dass wir "in Verblendung und Begierde zugrunde gehen."[6]
Von Christus befreit sein bedeutet aber nicht mit Scheuklappen durch das Leben und durch unsere Zeit zu gehen, sondern aufmerksam und wach die religiösen, geistigen und politischen Strömungen wahrnehmen und sie vom Evangelium Jesu her begutachten, wie des Paulus den in der damaligen Weltstadt Thessalonich lebenden Christen ans Herz legt: "Prüft alles, was gut ist behaltet."[7]
  • ¨ Das Personalpronomen "Du führst uns hinaus ins Weite" zeigt an, dass wir in Gemeinschaft verbunden miteinander auf diesem Weg sind. Niemand ist allein auf diesem Weg in die Weite, die Gott schenkt.
Im Psalm 18 geht es zunächst um die persönliche Erfahrung des Königs David. Sein Leben ist durch seine Feinde bedroht. Vor unüberwindbaren Schwierigkeiten stehend sucht und findet er in Jahwe seinen Halt. Er erfährt in seinem Vertrauen auf Gott, wie dieser ihn hinaus führt ins Weite. Es geht ihm dabei auf, dass Gott ihn liebt. "Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen."[8]
Das Leitwort des Katholikentages in Osnabrück geht einen Schritt weiter. Unser Katholisch sein, heißt heute nicht nur das Ganze der Kirche, sondern auch das Ganze der Welt, der Erde in den Blick nehmen. Denn die vor allem von reichen Völkern herbeigeführte Erderwärmung und die damit verbundene Veränderung des Klimas betreffen uns alle, die ärmsten Völker am meisten. Wir Christen werden daher alles tun, damit die Menschen dieser Erde befreit von schlimmen Zwängen hinausgeführt werden in die Weite der Liebe und Sorge Gottes.
  • ¨ "Hinaus" deutet an, dass es auch für den Katholikentag darauf ankommt, nicht im kirchlichen Binnenraum zu verharren, sondern sich der Welt außerhalb der Kirche und ihren Herausforderungen zu stellen.
Wir werden daher einander und alle Menschen guten Willens auf diesem von Gott eröffneten Weg des Freiwerdens für das Gute, Wahre und Aufbauende mitnehmen. Wir sind und bleiben für das Sein und Werden der Gesellschaft, unseres Volkes, der Europäischen Union, der Völkergemeinschaft und der Kirche mitverantwortlich, dass sie zu jener Weite der Liebe und Solidarität findet, an der Gott Gefallen hat.
Das Evangelium ermutigt uns, unseren Sorgen nicht zu viel Platz einzuräumen, damit wir Raum finden für die eine wichtige Sorge: Die Sorge um das Reich Gottes. Wenn wir uns darum sorgen und mühen, dass Gottes Gerechtigkeit und Liebe in der Kirche, in der Gesellschaft, in der Politik, im globalen Denken und Handeln vorankommen; dann, so verheißt Jesus, wird uns alles andere dazugegeben.[9] Es hängt also auch von uns ab, dass Gottes väterliche und mütterliche Sorge um seine Schöpfung, um seine Menschen wieder mehr erfahrbar wird.[10]
  • ¨ Das Leitwort legt uns nahe, uns auch den Menschen zuzuwenden, die "das Weite gesucht" und die Kirche verlassen haben.
Die bis heute nachwirkende christenfeindliche Propaganda des Nationalsozialismus, der von den Kommunisten staatlich verordnete Atheismus, das Leugnen und Bekämpfen jeglicher Autorität in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, das Leben so vieler ohne Gott in der Alltagswirklichkeit, aber auch der Verlust an Spiritualität in den Kirchen hat die Menschen das Weite suchen lassen.
So sind viele heute geistlich heimatlos oder suchen ihr Heil in Selbsterlösungsreligionen. Der »Verlust der Mitte«, die Flucht ins Unverbindliche, das Auseinanderbrechen der Ehen, sind eine schlechte Ausgangsbasis für die gute Zukunft der kommenden Generationen.
Jeder von uns wird sich daher prüfen, wozu er seine Freiheit benützt. Selbst wer sich keiner Schuld bewusst ist, wie Paulus in der 2. Lesung von sich sagen: "Der Herr ist es, der mich zur Rechenschaft zieht". Wenn er kommt, wird er "das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten."[11]
  • ¨ Wenn Gott uns führt, bedeutet dies Begleitung, Schutz und Geborgenheit. Die Antwort des Menschen ist Vertrauen.
Als Einzelner, als Eheleute, als Kirche werden wir uns wieder neu darauf besinnen, wo wir unseren Halt, unseren Schutz suchen, Heilung und Zuflucht finden. Erst wenn an uns Christen wieder ablesbar wird, dass der Glaube an Gott und das Vertrauen auf ihn unserem Leben Halt, Kraft und Schwung verleiht, werden die uns begegnenden Menschen entdecken, dass der Glaube an Gott zur Liebe, zur Treue, zur Auferbauung befreit.
  • ¨ Wenn Gott uns ins Weite führt, dann deutet dies an, dass dort viele Aufgaben auf uns warten, dass wir diese aber in eigener Kompetenz und Verantwortung anpacken. Gott führt uns, aber er macht uns nicht zu Marionetten.
Wer sich von Gott ins Weite führen lässt, erhält die Chance, der eigenen Zukunft und der unserer Gesellschaft ein konkretes Gesicht zu geben. Das Leitwort lenkt den Blick auf die weltkirchliche Dimension, fordert auf zu weltweiter Solidarität.

Die Weite, in die Gott uns in diesem Leitwort führt,

  • ist nicht die Weite der Marlboro- Werbung. Es ist keine äußere Grenzenlosigkeit, sondern eine innere Freiheit. Zuerst müssen wir uns von Gott befreien, lassen von der Enge unseres Herzens und Denkens, vom Haben wollen und Besitzen wollen. So frei geworden für das, was Gott will, für das schöpferisch Gute und Wahre, für Gerechtigkeit und Befreiung aus aller Versklavung. So frei geworden, werden wir willens und fähig unsere Kirche und Gesellschaft mitzugestalten. Dabei stoßen wir zwar an Grenzen, aber mit dem Bild des Weiten können wir es wagen, das Göttliche in die Welt einzupflanzen, die Liebe zu leben.
  • Kirpel Singh, indischer Meditationslehrer (1894-1974), viele Jahre Vorsitzender der Weltgemeinschaft der Religionen, wagte es zu sagen: "Für andere zu leben, ihnen zu dienen, ihnen zu helfen, nur für sie da zu sein, das ist göttlich."


[1] Dr. Detlef Stäps,Das Leitwort des 97. Deutschen Katholikentags Osnabrück 2008
[2] Mi 6,8
[3] Röm 12,2
3 Eph 4,17
[5] Gal 5,1
[6] Eph 4,22
[7] 1 Thess 5,21
[8] Ps 18,20
[9] Mt 6,33
[10] Jes 49,15
[11] 1 Kor 4,5

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