PredigtenÜbersicht2010 (C)Homilie am 25.Sonntag C 2010 in St. Johannes Großenbuch und Neunkirchen St. Michael
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Vitamin B - fürbitten und vermitteln[1]
1 Bittsteller sein für andere
Vitamin B ist für unser Leben und Gesundheit lebenswichtig. Die Hitliste führt das Vitamin B12 an, wichtig für Bildung der roten Blutkörperchen, die Zellteilung und Zellneubildung. Also unverzichtbar.
- Vitamin B hat aber noch eine andere Bedeutung: gute Beziehungen, Fürsprecher, Vermittler sind wichtig, um bei wichtigen Personen bzw. Ämtern einiges zu erreichen. In der Familie oder anderen menschlichen Gemeinschaften ist es hilfreich, dass sich jemand anderes für eine Aufgabe einsetzt, wo wir selbst nicht so bewandert oder kompetent sind.
Stellvertretung bzw. Bittsteller sein für andere ist ein Zeichen für gegenseitige Wertschätzung und Solidarität.
- In Anlehnung an ein Wort Adolph Kolpings sagte der Erfurter Bischof Joachim Wanke bei einer Predigt in Jena: "Die christliche Gemeinde ist kein Ofen, der sich selber wärmt. Gemeinde soll Salz und Licht inmitten der Gesellschaft sein. Christ kann nur der sein, der etwas von dem, was ihm geschenkt wurde weitergibt an die Welt."
Genau das meint die 2. Lesung aus dem Timotheusbrief.
2 Fürbittende Solidarität braucht die Welt.
Ein gelebtes christliches Leben, so Bischof Wanke, zähle heute sehr viel und wird nicht ohne Wirkung bleiben. "Seid Zeugen Christi für all diejenigen, die nach dem fragen, was wirklich trägt.“
Unter Berufung auf die Autorität des Paulus bittet der Timotheusbrief als erstes um
2.1 das fürbittende und danksagende Gebet "für alle Menschen"
- In der Ordnung der frühen Kirche ergeht die Aufforderung dazu nicht in der Form eines kaiserlichen Dekrets, eines militärischen Befehls. Bei aller Verbindlichkeit geschieht sie im Ton der aufmunternden Einladung und tröstenden Bitte. Dahinter steht die Verheißung Jesu "Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet."[2]
- Das griechische παρακαλειν meint ein bittendes ermunterndes zu Hilfe rufen.
- Die erste Bitte scheint dem Verfasser besonders am Herzen zu liegen. Die Christen werden ermuntert zu beten. Die Gemeinde weiß sich in Verantwortung für alle Menschen, sie betrachtet sich nicht als religiösen Geheimbund. Sie ist kein Ofen, der sich nur selber wärmt. Vielmehr weiß sie sich fürbittend und danksagend stellvertretend für alle Menschen vor Gott, der durch Jesus sein Heil allen Menschen schenken will.
Konkret wird dieses öffentliche Gebet Gott dargebracht auch
2.2 "für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben"
- Die Gemeinde Jesu, die Kirche kapselt sich nicht vom bürgerlichen Leben ab. Sie soll ja wie Sauerteig sein. Mit dem Ferment der Verantwortung vor Gott, der Liebe zu den Mitmenschen und der Bewahrung der Schöpfung soll sie das Leben der Gemeinschaft und der Völker durchdringen.
- Alle Menschen und die Obrigkeit sollen durch Gott instand gesetzt werden, ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen; "damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können."[3] Dieses "Wir" zeigt, daß es sich um die Gemeinde als ganze handelt, der dies zugute kommen soll.
- Für sie ist die Zeit gekommen, da sie sich in Ruhe, Frieden und äußerer Ordnung ihrer Konsolidierung widmen will. Gemeint ist nicht eine kirchliche Idylle; denn das erbetene ungestörte und ruhige Leben der Gemeinde soll bestimmt sein durch
2.3 "Frömmigkeit und Rechtschaffenheit"
- Dazu werden in den Pastoralbriefen des öfteren Christen aufgefordert, die in der Gemeinde eine führende Position innehaben. Sie müssen ein Verhalten an den Tag legen, das nach außen wirkt, von anderen gesehen und geachtet werden kann. Wenn hier von der ganzen Gemeinde gefordert wird, daß sie in Rechtschaffenheit lebe, ist das zweifellos von der nach außen werbenden Art kirchlichen Lebens gesagt.
- Das Leben der Christen soll anziehend sein, »damit der Gegner beschämt werde und nichts Schlechtes über uns sagen kann«.[4] Der Christ lebt weder ausbeuterisch, noch auf Kosten anderer. Er huldigt nicht dem Götzen Mammon. Er häuft nicht Geld auf Geld und Besitz auf Besitz, sondern tut damit Gutes, unterstützt die Armen bei uns und auf der weiten Welt. Der Christ setzt alle seine Mittel ein, damit die Verkündigung des Evangeliums Jesu überall in der Welt vorankommt.
- Das Innere der Rechtschaffenheit ist die Frömmigkeit. Dieser Begriff ist aus der hellenistischen Ethik übernommen. Frömmigkeit meint neben der Hinwendung zu den Göttern auch die Achtung aller menschlichen und staatlichen Satzungen.
- Die christlichen Gemeinden der Pastoralbriefe geben der Frömmigkeit einen neuen Gehalt. Kirchlicher Lebensvollzug ist für sie der Vollzug der Nachfolge Christi mitten in der Welt. Meint aber auch die Achtung gegenüber den Ordnungen des menschlichen Zusammenlebens. Dadurch werden die Christen in den Augen aller Menschen achtbar.
- Die für alle Menschen dargebrachten Gebete und ihre Frucht, nämlich das in Frömmigkeit und Rechtschaffenheit geführte ungestörte und ruhige Leben der Christen, sind angenehm und wohlgefällig vor Gott. Von ihm weiß sich die Gemeinde gerettet. Ihm gilt deshalb ihr Dank und Lobpreis.
- Was aber gibt uns die Gewissheit, dass unser solidarisch fürbittendes Gebet und unsere Frömmigkeit und Rechtschaffenheit der Welt und auch uns zum Heil wird?
3 In Jesus ist uns der Mittler zwischen Gott und Mensch geschenkt
3.1 "Gott will, dass alle Menschen gerettet und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen."[5]
- Deshalb ist das Gebet der Gemeinde für »alle Menschen«, ein Ausdruck des allgemeinen göttlichen Heilswillens. Auch ihr achtbares und anziehendes Leben soll dieser Absicht Gottes dienen: Alle Menschen sollen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.
- Die Erkenntnis der Wahrheit ist nicht - wie die Gnostiker meinten wenigen Auserwählten vorbehalten, sondern für alle Menschen da. Der Heilswille Gottes kennt keine Ausnahme. Das Verhalten und das Gebet der Christen soll dies zum Ausdruck bringen.
- Die Menschheit soll keine massa damnata - keine verdammte Masse - sein, sondern eine massa salvanda - eine zum Heil befreite. Diese rettende Befreiung geschieht in dem sich Bekennen zu Gott und zu seinem Messias Jesus.
3.2 "Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus."
- Dieses frühchristliche Bekenntnis stellt die Einzigartigkeit Gottes und seines Mittlers des Christus Jesus heraus. Begründet wird der allgemeine Heilswillen Gottes mit dem stellvertretenden Sündeleiden Jesu ὑπέρ πάντων - für alle.
- Das zweigliedrige Bekenntnis muss in Gemeinden entstanden sein, in denen neben dem Bekenntnis zu Jesus, dem Herrn, auch das monotheistische Bekenntnis Israels zu dem einen und einzigen Gott betont wurde, also in polytheistischer Umgebung. Von daher mag die Herausstellung der Einzigkeit Gottes zu verstehen sein.
Das hymnische Bekenntnis zu Jesus nennt ihn den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen.
3.3 Monotheismus - Der Glaube an den einen Gott - und das Erlösungsgeschehen durch Christus stehen in Spannung.
- Der Haupteinwand des Islam lautet, wir hätten den Monotheismus preisgegeben. Die heutige Lesung zeigt, dass Christus nicht neben Gott dem Vater als zweiter Gott steht.
- Darum die Bedeutung des wahren Menschseins in unserm Text und die Wahl des Wortes Mittler. Dies darf wiederum nicht missverstanden werden, so als handelte es sich um ein Mittelwesen nach Art von mythischen Demiurgen oder Engelmächten, die Zwischeninstanzen zwischen Gott und Mensch darstellen.
- In Jesus ist vielmehr die »Mitte« Gottes, seine allumfassende rettende Liebe, hervorgetreten; in diesem Menschen sammelt sich Menschlichkeit zu ihrer Mitte und Höhe, so sehr, daß hier die Menschlichkeit mit der Göttlichkeit »kommuniziert«: Gott, der im Menschen präsent wird; der Mensch, der ganz zu Gott gehört.[6]
- Er ist unser wahres von Gott geschenktes Vitamin B, unser Mittler beim Vater. Darum bringen wir in der gemeinsam gefeierten Liturgie unsere Bitten, unseren Dank und unseren Lobpreis zu Gott durch Christus, unseren Herrn. Amen
[1] Homilie zu 1 Tim 2,1-8 [2] Lk 11,9 [3] 1 Tim 2,2 [4] Tit 2,8 (vgl. Mt 5,16). [5] 1 Tim 2,4
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