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Sonntag 24.11.2024, 20:41 Uhr
(c) 2024 Haus Moriah

5. Kairologische Realisierungs- und Verifikationsprinzipien

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Gibt es nun so etwas wie zuverlässige, valide Kriterien, die den Christen zeigen, ob ein „Zeichen der Zeit“ vorliegt, was es bedeutet und wie daraufhin zu handeln ist? Angesichts von Komplexität und Vieldeutigkeit des Weltgeschehens und auch aufgrund der sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Theologien scheinen allgemeine, intersubjektiv geteilte Einschätzungen über gesellschaftliche Zeitzeichen zwar schwierig, aber doch nicht unmöglich.  

Es kann nun unterschieden werden, ob die „Zeichen der Zeit“ eher auf wissenschaftlichem oder eher auf intuitivem Weg  gedeutet werden. Diese Unterscheidung ist hier nicht als eine ausschließende gemeint, sondern eher als zwei Pole mit gradueller Unterscheidung. Wie deutlich geworden sein sollte, geht auch in eine wissenschaftliche Kairologie immer auch eine gute Portion Intuition mit ein. Auch eine Kriteriologie innerhalb dieser wissenschaftlichen Herangehensweise kann immer nur eine Annäherung an Eindeutigkeit sein.[377] V.a. wissenschaftliche Kairologie hat den Anspruch, die beobachtungsleitenden Unterscheidungen zu reflektieren. Auch J. Ostheimer räumt ein, dass dies in Gänze nicht möglich ist.[378] Klar ist, dass intersubjektives Verständnis zu erzeugen, Ziel sein muss. Dazu hilft die Kontrolle über die Methode sowie dann doch eine Einigung über Kriterien.

Freilich gibt es bei der Exploration des Willens Gottes die Möglichkeit bzw. die Gefahr, der eigenen  Projektion, des eigenen Wunschdenkens aufzusitzen. Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, einige Kriterien und weitere Herangehensweisen zu benennen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, die „Zeichen der Zeit“ richtig zu deuten. 

(1) Erstes Kriterium dafür, ob ein „Zeichen der Zeit“ vorliegt, ist die Wahrnehmung von Unheil, Leid, die Nicht-Verwirklichung des Reiches Gottes, die sich aus dem Leben ergibt und von konkreten Ereignissen und Strömungen herrührt. Es geht um die in Kap. 1.3. angesprochene Spannung Zwischen Unheil und Heil, um die Ambiguität von Krisen- und Hoffnungszeichen. Ernst zu nehmen sind also (seelische) Regungen die sich in etwa wie folgt verbalisieren lassen: „Da stimmt was nicht!“, „Da ist was nicht in Ordnung.“ Da wo Menschen bewegt werden von Situationen und Ereignisse. Damit ist noch nicht klar gegriffen, was das wahre Problem ist, wo das tiefer sitzende Bezugsproblem liegt bzw. worin genau der Anruf Gottes besteht und was Lösungsansätze sind.

Um hierbei zu größerer Klarheit über Pläne und Willen Gottes zu gelangen, schlägt J. Kentenich ein Vorgehen vor, das er auf zwei Prinzipien strafft: das „Gesetz der geöffneten Tür“ und das „Gesetz der schöpferischen Resultante.“[379] L. Penners nennt sie Realisierungs- und Verifikationsprinzip der religiös-theologischen Beurteilung von geschichtlichen Entscheidungswegen.“[380] Beide Gesetze sind sowohl für persönliche als auch für gesellschaftliche Zeitzeichen, bzw. Weisungen Gottes anwendbar.  

(2) Das Gesetz der geöffneten Tür besagt, dass Gottes Handlungsanweisungen aus den konkreten (Zeit-) Verhältnissen und Ereignissen des Lebens herauszulesen sind. Sich öffnende oder auch sich verschießende Türen sind ein Hinweis darauf, dass Gott hier einen Weg eröffnet oder verschießt. J. Kentenich hat das Gesetzt dem Sprachschatz und der Lebensweise des Apostels Paulus entnommen (vgl. 1 Kor 16,8f.; 2 Kor 2,12). Im Leben des Apostels wird eine wesentliche Dimension des Bildwortes deutlich. H-W. Unkel beschreibt als dessen Kern „die innere Bezogenheit von gottgeschenkter Sendung (als Zielgestalt) und dem Wie und Wann ihrer Verwirklichung.“[381] Mit dem Gesetz ist also nicht einfach ein passives Abwarten gemeint, sondern auch ein der persönlichen oder gemeinschaftlichen Sendung entsprechendes aktives Suchen und wagemutiges Durchschreiten von Türschwel-len. Kentenich betont dabei: „Nicht selten bedeutete das alles für die Natur einen Todes-sprung für Verstand, Wille und Herz.“[382] Zielperspektive mag für den einzelnen seine persönliche Berufung sein, für eine Gruppe mag es das Gruppenideal sein. Für Schönstatt insgesamt ist es v.a. der neue Mensch in neuer Gemeinschaft am neuesten Zeitenufer.[383] Allgemein kann für die Kirche von der Verwirklichung des Evangeliums bzw. des Reiches Gottes gesprochen werden.[384]

Für das Beispiel des Zeitzeichens „Frausein“ könnte als Zielperspektive ein partnerschaftli-ches Miteinanders zwischen Mann und Frau, sowie die Realisierung der gottgewollten Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Geschlechter angesehen werden. Das Suchen nach den gottgewollten Realisierungen kann und soll ein gewisses Maß an Engagement und Bereitschaft mit sich bringen, neue Wege zu gehen, beispielsweise indem, dort wo es möglich ist, neue Modelle partnerschaftlicher Zusammenarbeit in Leitungsgremien und -teams ausprobiert werden.[385]

H.-W. Unkel fasst definitionsartig zusammen: „Nach dem Gesetz der geöffneten Tür sein Handeln ausrichten, das heißt für den vorsehungsgläubigen Menschen, sich in gläubiger Folgsamkeit, Beweglichkeit und Wagnisbereitschaft von Gott die Wege, die Mittel und den Zeitpunkt für die allmähliche Erkenntnis und die schrittweise Verwirklichung einer Sendung zeigen zu lassen, um auf diese Weise geschichtsschöpferisch wirksam zu werden.“[386]

Um in solch eine werkzeugliche Haltung zu kommen, bedarf es eines Sich-Lösens von egozentrischen Plänen, die Gott Vorschriften machen wollen über Ziele, Mittel, Wege und Zeitpunkt. Entscheidend ist in dieser Perspektive also die theozentrische Ausrichtung auf Gott. Er ist es, der in seiner Freiheit Zeitpunkt und Art der Verwirklichung bestimmt. Entsprechend ergreift er jeweils die Initiative, seinen Plan stückweise zu entschleiern und schritt-weise auszuführen. Dem Menschen als Bundespartner entspricht dabei ein stückweises Erkennen und schrittweises Verwirklichen des Heilsplanes bzw. seiner Sendung.[387]

Dieses Erkennen, ob eine Tür nun tatsächlich offen steht oder nicht, ist sicher nicht immer eindeutig. Die Entscheidungssituation ist häufig mit Dunkelheit verbunden. Aufkommende Schwierigkeiten können dabei ein Hinweis für eine geschlossene Tür sein, aber auch ein Zeichen zum kämpferischen Einsatz entsprechend der zur Überzeugung gereiften Sendung. Kentenich spricht dann vom „Gesetz der geöffneten Tür durch Schwierigkeiten“[388] und er führt aus: „Zeit- und Lebensschwierigkeiten sind Zeit- und Lebensaufgaben. […] Was angefochten wird, will von Gott in besonderer Weise betont werden.“[389] Kentenich empfiehlt dabei die Anwendung der „Unterscheidung der Geister“[390] Zu fragen ist dabei u.a.: „Steckt nicht Einbildung, Stolz, irregeleiteter Geltungs- und Größendrang dahinter?“[391]

(2) Doch auch diese Frage ist nicht immer eindeutig zu beantworten. Und so kann es beim Deuten solcher „Zeichen der Zeit“ und beim Durchschreiten der geöffneten oder eben nur vermeintlich geöffneten Tür auch Fehlgriffe und Irrtum geben. Entscheidend ist, dass sich  ein Mehr an Klarheit oft erst im Vollzug oder im Nachhinein ergibt. J. Kentenich findet dafür das entscheidende Kriterium im Gesetz der schöpferischen Resultante. Es ist das Verifikationsprinzip des Gesetzes der geöffneten Tür und entspricht dem zirkulären Erkenntnis-vorgang, wie er in Kap 4.1.2. dargelegt wurde. Unser Sehen und immer klarer Sehen hängt wesentlich mit den Erfahrungen aus dem Leben zusammen. Die Zeit wird dabei zum wesentlichen Faktor für den Erkenntnisprozess. Das Gesetz hat dabei die Funktion, das vorausgehende Erkennen und Tun zu bewerten: Entweder gibt es eine größere Sicherheit, auf einem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dies könnte z.B. bedeuten, eine aus einem Zeitzeichen erwachsende Aufgabe auf eine bestimmte Weise weiterzuverfolgen und damit auch Bestätigung zu erfahren für das richtige Erkennen der Zeitenstimme selbst. Oder das Gesetz fordert auf, den eingeschlagenen Weg bzw. die Formulierung des Zeitzeichens zu korrigieren.

Das Prinzip geht begrifflich auf den Geschichtsphilosophen Anton Schütz zurück,[392] und bedeutet für den theologischen Kontext, einen die konkreten natürlichen Einzelfaktoren übersteigenden Überschuss gnadenhafter Fruchtbarkeit. Dieser Überschuss lässt auf Gottes schöpferisches Mitwirken schließen und zeigt sich so als bestätigend, dass der eingeschlagene Weg durch die geöffnete Tür richtig gewesen ist bzw. dass ein „Zeichen der Zeit“ richtig erkannt wurde. Die Krafteinwirkung Gottes wird dabei jedoch nicht in einem einfachen Ursachen-Wirkungs-Verhältnis gedacht, sondern im Verhältnis einer Wechselwirkung zwischen natürlichen und übernatürlichen Kräften.[393]

(3) Eng gekoppelt an das Gesetz der schöpferischen Resultante ist die Rede vom apologetischen Beweisgang. Ein Weg zeigt sich demnach dann als gottgewollt, wenn er folgende „drei Kriterien der Gotteswerke an der Stirne [trägt]: Geringfügigkeit der Werkzeuge und Mittel, Größer der entgegenstehenden Schwierigkeiten, Tiefe, Dauer und Umfang der Fruchtbarkeit.“[394] Den Grenzen solch eines Beweisgangs war sich J. Kentenich sehr bewusst. Er bleibt individuell bedingt und kann nicht unbedingt damit rechnen, in jedem Fall und bei jeder Person Zustimmung zu finden. Eine explizit inhaltliche Kriteriologie, die auf wissenschaftlichem Wege die gewählten Schritte bzw. Aussagen über „Zeichen der Zeit“ hinsichtlich ihrer Kongruenz mit dem Willen Gottes prüft, scheint es bei ihm nicht zu geben. H.-W. Unkel extrapoliert jedoch weitere inhaltliche Kriterien für das formale Kriterium der Fruchtbarkeit.

(4) Das Kriterium der Koinzidenz. Es geht um ein Zusammenfallen der prophetischen Intuition am Anfang mit nachfolgenden Ereignissen in Kirchen- und Weltgeschichte. Sinnspitze ist dabei nicht der Erweis wahren Prophetentums, sondern der Erweis, dass Gott in einer bestimmten Zeitenstimme tatsächlich gesprochen hat. Stellt sich also im Laufe der Zeit heraus, dass die ursprüngliche Intuition einer Zeitanalyse und Zeitnot mit der darin ausgesagten zeitbedingten Erlösungsbedürftigkeit von Welt und Kirche zutreffend ist, so ist ein starkes Indiz für das Einwirken von göttlichen Kräften erkennbar. So bestätigt die Zeit durch eintreffen von Zeitanalysen und Prognosen das richtige Erkennen von „Zeichen der Zeit.“[395] Zusätzliche Sicherheit über das richtige Erkennen ergibt sich aus dem Erfolg des bereits beschrittenen Lösungswegs.

Dass die Frauenfrage bereits zu Beginn der Frauenbewegung eine echte Zeitnot war, hatte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts immer stärker gezeigt. An diesem Erkenntnisprozess waren auch die mutig beschrittenen Lösungswege maßgeblich beteiligt: So zeigte beispielsweise der Erfolg von Frauen in Feldern der Universität, der Arbeitswelt und des öffentlichen Lebens, dass Frauen auch in solchen Bereichen Fähigkeiten und Talente haben, in denen ihnen vorher aufgrund ihrer Natur weniger zugetraut wurde. Somit war ein wichtiger Beitrag geleistet zur Anerkennung ihrer Fähigkeiten und ihrer Entfaltungsmöglichkeiten.

Den Sitz im Leben haben die genannten Gesetzte in der Schönstattgeschichte selbst, vor allem in der Frage, ob Schönstatt ein Werk menschlicher Organisation ist, oder ob es als „Gotteswerk“ betrachtet werden kann.[396] Der Gültigkeitsbereich des „Gesetzes der schöpferischen Resultante“ umfasst jedoch Individual-, Gemeinschafts-, Kirchen-, wie Weltgeschichte. Gott selbst zeigt also den Realitätsgrad von Zeitenstimmen letztlich durch die Wirkungsgeschichte von Ereignissen bzw. von Versuchen, seine Zeitenstimmen zu beantworten.  Dabei geht es aber weniger um Genugtuung beim Blick in die Vergangenheit, sondern um ein Bestärktwerden in der Verwirklichung seiner Sendung im Blick nach vorne. Dem Gesetzt der schöpferischen Resultante wohnt also eine besondere Zukunftsdynamik und -hoffnung inne. Ihre Funktion ist die mitverantwortliche Gestaltung von Geschichte. 

(5) Negatives Kriterium ist nach J. Kentenich schließlich die Seinsordnung. Handlungsimpulse, die aus den Zeichen der Zeit hervorgehen, dürfen nicht im Widerspruch stehen zu den offenbarten Glaubendwahrheiten, zu den Dogmen und der Ethik der Kirche. Hier ist ein ausgebildeter Glaubens- und Gebetsgeist des Christen gefragt, der vor solchen Abwegen bewahrt. Von Bedeutung ist dabei dann auch die Persönlichkeit des zeichendeutenden Christen.[397]

(6) Schließlich wird die Wahrscheinlichkeit für das richtige Deuten von Gottes Sprechen in der Zeit dort erhöht, wo die „Gesamtheit der Wirklichkeit“ (GS 2) klar und unverstellt erfasst und verstanden wird. Deshalb ist ein interdisziplinäres und multiperspektivisches Vorgehen von großer Bedeutung. Bei einem gemeinschaftlichen Vorgehen können so leichter Verzerrungsquellen aufgedeckt und blinde Flecken minimiert werden.



[377]    Jochen Ostheimer schlägt an dieser Stelle die Unterscheidung ‚kleine‘ und ‚große Kairologie‘ vor. Mit ersterer bezeichnet er die pastorale Arbeitsebene in ihrer vielfältigen Praxis. Die ‚große Kairologie‘ findet auf einer praktisch-theologischen Reflexionsebene statt und erhebt einen wissenschaftlichen Anspruch, den er mit einigen Merkmalen spezifiziert. Ihre Aufgabe sei es auch, den Praktikern vor Ort methodisches Handwerkszeug zur Verfügung zu stellen, um ihnen so das kairologische Sehen zu erleichtern. Vgl. Ostheimer, Jochen (2008): Zeichen der Zeit, 302ff.

 

 

 

[378]    Ostheimer bemerkt, „daß die Kriterien sowohl als beobachtunsleitende Unterscheidungen der Kairologie wie auch als Maßstäbe der Kriteriologie im engeren Sinne sich einer bestimmten ‚Sicht‘ (Theologie, Exegese, philosophischen und wissenschaftstheoretischen Fundamenten, persönlichem Welt- und Gesellschaftsbild usw.) verdanken, die ihrerseits wieder auf anderen Unterscheidungsmerkmalen aufruht… Anders gesagt, es fehlt der erste Anfang als universaler Maßstab.“ Ostheimer, Jochen (2008): Zeichen der Zeit, 111.

 

 

 

 

 

[379]    Vgl. Unkel, Hans-Werner (1981): Leben aus dem Vorsehungsglauben, 140–192.

 

 

 

[380]    Penners, Lothar (1983): Pädagogik des Katholischen, 313.

 

 

 

[381]    Unkel, Hans-Werner (1981): Leben aus dem Vorsehungsglauben, 145.

 

 

 

[382]    Kentenich, Josef (1951): Schlüssel zum Verständnis Schönstatts, 182.

 

 

 

[383]    Vgl. Kap 4.4.

 

 

 

[384]    P. M. Zulehner setzt an dieser Stelle seine Kriteriologie an. Vgl. Zulehner, Paul M. (1991): Fundamentalpastoral, 49–139.

 

 

 

[385]    Auch bei der Besetzung von neuen Stellen in Leitungsgremien tun sich immer wieder neue Türen auf. Die Frage ist oft, ob dafür genügend gläubige Offenheit und Mut aufgebracht werden kann.

 

 

 

 

 

[386]    Unkel, Hans-Werner (1981): Leben aus dem Vorsehungsglauben, 147. J. Kentenich beschreibt dieses eigene Vorgehen beispielsweise bei der Gründung des Säkularinstituts der Marienschwestern: „Die lange und vorsichtig vorbereitete Gründung des Institutes (wurde) erst dann von mir durch Zusammenschluß einiger berufener Marienschwestern in die Hand genommen […], als das Gesetz der geöffneten Türe es einwandfrei als göttliche Planung ausgewiesen hatte. Als Gott durch die Verhältnisse in Zeit- und Seelengeschichte der Berufenen das Signal deutlich gegeben hatte und Hand angelegt werden sollte, kamen zusammengeballte Schwierigkeiten, die die geöffnete Tür auf unbestimmte Frist wieder schlossen und fest verriegelten. […] Das Gesetzt der geöffneten Türe schien durch das Gesetz der geschlossenen Türe wenigstens bis auf weiteres aufgehoben zu sein. Was war nun zu machen? Es bleib nichts anderes übrig, als geduldig zu warten, bis die fest vorgeschobenen Riegel sich wieder lösten und ein göttliches Signal deutlich aufleuchten ließen. In der Zwischenzeit galt es, die Entwicklung soweit voranzutreiben, als die erlassenen Bestimmungen es gestatteten und die Idee des Institutes es nahe legte und verlangte. Wir sind ja daran gewöhnt, daß Gottes gütige Vorsehung uns jeweils langsam große und letzte Ziele entschleiert, aber bei der Verwirklichung uns durchweg kleine und kleinste Schrittchen machen heißt. In der Schule des Vorsehungsglaubens sind wir mit der Zeit so weit herangereift, daß wir zufrieden sind, wenn wir bei unserem Vorwärtsschreiten nur eine Handbreit Licht vor uns haben und geduldig warten, bis der nächste Schritt uns wieder nahe gelegt wird.“ Kentenich, Josef (1956): Studie, 771f.

 

 

 

[387]    Hinsichtlich dem „Wie“ des (türöffnenden) Handelns Gottes wurde bereits in Kap. 3.1.3. erläutert, dass Gott bei J. Kentenich v.a. durch Zweitursachen tätig wird und seine Pläne (unter Mithilfe des Menschen) verwirklicht.

 

 

 

[388]    Kentenich, Josef (1955): Chronik-Notizen, 441.

 

 

 

[389]    Ebd., 438.

 

 

 

[390]   Vgl. Kentenich, Josef (1965): Rom-Vorträge, I, 208.

 

 

 

[391]   Kentenich, Josef (1952): Josephsbrief, 190. An anderer Stelle heißt es bei J. Kentenich: „Als Begleiterscheinung muß natürlich zugestanden werden, was wir uns selber schon so oft zugegeben haben: es ist nicht leicht, bei solchen dunklen Situationen die Trennungs- und Scheidungslinie zwischen wahnwitziger Selbsttäuschung und Heroismus des Vorsehungsglaubens sauber zu ziehen.“ Kentenich, Josef (1957): Chronik-Notizen fürs Archiv, 403.

 

 

 

[392]    Dieser wiederum bezieht sich in diesem Punkt auf Wilhelm Wundts „Physiologische Psychologie“ (Pustet, 1936). Im Oktoberbrief von 1949 führt J. Kentenich aus: „Wundt spricht in seiner mehrbändigen physiologischen Psychologie vom Prinzip der schöpferischen Resultante. Das Wort stammt aus einer positivistischen Zeit. Er will damit sagen, daß jede seelische Tätigkeit von der einfachsten Anschauung und Auffassung bis zum verwickeltsten Urteil und Willensentschluß und bis zur kraftvollsten Tat den einzelnen konstituierenden Elementen gegenüber einen Überschuß enthält, der nicht in den Komponenten enthalten ist. Füglich so schlußfolgert er, muß die Resultante mehr sein als die Summe der Komponenten. Sie muß die Wirkung eines schöpferischen Prinzips mit schöpferischer Tätigkeit sein. Damit wollte er vorsichtig auf die geistige Seele und ihre schöpferische Kraft hinweisen. – Diese schöpferische Resultante läßt sich sinngemäß ohne weiteres auf das Weltgeschehen, auf Sein und Wirken eines jeden Menschen, vornehmlich großer Führerpersönlichkeiten, anwenden. Nur müssen wir nach dem Gesetz des hinreichenden Grundes hinter schöpferischer Resultante nicht die menschliche Seele, sondern den lebendigen Gott erblicken, der die gestaltenden Faktoren der Persönlichkeit und Geschichte bestimmt, fügt und ordnet. […] Gott ist es. Er ist es allein, der den brennenden Dornbusch großer Persönlichkeiten anzündet. Er steht hinter der schöpferischen Resultante, die in ihnen wirksam ist.“ Kentenich, Josef (1949): Oktoberbrief 1949, 33ff.

 

 

 

[393]    In der Heiligen Schrift wird das Kriterium der Fruchtbarkeit an einigen Stellen ventiliert. Z.B. im Sämanns-gleichnis (Mk 4,1-9), wo das Wort auf guten Boden fällt und dann wächst und zu gesundem Leben wird. Ein anderes Mal verflucht Jesus den Feigenbaum, der keine Frucht hervorbringt (Mk 11,12-25).

 

 

 

[394]    Kentenich, Josef (1951): Schlüssel zum Verständnis Schönstatts, 109f.

 

 

 

[395]    In einer Studie aus dem Jahr 1955 schreibt J. Kentenich in der Situation, in der Schönstatt von den Autoritäten der Kirche in Frage gestellt wird: „Bei genauerer Untersuchung des Sachverhaltes ergibt sich, daß die göttliche Zeugniskraft durch die Tat sich für Schönstatt bereits in zeitgenössischer Welt- und Familiengeschichte vernehmbar zu Wort gemeldet hat und sich vermutlich fürder noch deutlicher meldet. Die Weltgeschichte bricht insofern eine Lanze für Schönstatt, als sie der von ihm proklamierten Diagnose und Prognose  Recht gibt. Bei der Diagnose trifft das ohne Zweifel zu; bei der Prognose mehren sich von Tag zu Tag die Anzeichen.“ Kentenich, Josef (1955): Chronik Notitzen 1955, 371.

 

 

 

[396] Diese Frage stellt sich J. Kentenich anfangs selbst, indem er dem „Gesetzt der geöffneten Tür“ folgend zu ertasten suchte, ob Gott Schönstatt zu einem besonderen Gnaden- und Wallfahrtsort machen wollte, obwohl zuvor kein Wunder geschehen war. So hatte sich erst in der nachfolgenden Geschichte zu erweisen, ob der Gründungsakt am 18.10.1914 mehr als ein menschliches Geschehen war. Nach außen hin, also im Bezug auf die kirchlichen Autoritäten, hatte Kentenich sich dann v.a. ab den 30er Jahren zu rechtfertigen, ob die neuen Wege, die er beschritt, auch dem Willen Gottes entsprechen und so einen Platz in der Kirche haben können.

 

 

 

[397]    Diese wurde bereits in Kap 4.9. beschrieben.

 

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