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Sonntag 24.11.2024, 16:02 Uhr
(c) 2024 Haus Moriah

Peter Wolf (Hg.)

Unter den Augen des barmherzig liebenden Vaters

Ausgewählte Texte von P. Josef Kentenich zur Barmherzigkeit

 

Leseprobe

Die väterliche Gesinnung Gottes

Unter den Augen - Buchtitel
Der folgende Text stammt aus einem Exerzitienkurs für Priester, den Pater Kentenich im Jahr 1934 gehalten hat. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er einen Kurs über Gotteskindschaft ausgearbeitet und vorgetragen. In diesem Kurs kommt es ihm ebenfalls darauf an, dass Gott nicht nur eine väterliche Gesinnung hat, sondern wirklich Vater ist. Dabei arbeitet er heraus, dass Gottes Vaterschaft in der Verkündigung Jesu sich nicht nur wie im Alten Testament auf das Volk als Ganzes bezieht, sondern durchaus den Einzelnen als Individuum im Blick hat. Außerdem betont er, dass Jesus in einer Weise von Gottes Vaterschaft spricht, dass seine Liebe und Sorge sich auch auf die kleinsten Kleinigkeiten bezieht. Damit geht Jesus deutlich über die Sicht des Alten Testamentes und des Judentums seiner Zeit hinaus. Er beschreibt eine Liebe des Vatergottes, die Barmherzigkeit einschließt. Interessant und originell ist in diesem Kontext seine Deutung der Gleichnisse von den Arbeitern im Weinberg und von dem verlorenen Schaf.

 

Wenn ich an die Lehre des Heilandes denke, was finde ich da? Ganz ausgeprägt: Gott ist Vater! Gott ist Vater – ja was will das heißen? Ein Doppeltes.

Gott hat eine überaus tiefe väterliche Gesinnung, nicht nur gegenüber der Masse des Volkes, sondern auch gegenüber den Individuen. Aber das genügt nicht einmal: väterliche Gesinnung auch gegenüber den kleinsten Kleinigkeiten jeglichen Individuums. Hören Sie die Gegensätze! Wie das gewirkt haben muss in der damaligen Zeit, auf dem dunklen Hintergrund der damaligen Zeit! Schauen Sie bitte in das Neue Testament: Wie bemüht sich der Heiland, den Vaterbegriff mit allem, dessen er tragfähig ist, zu füllen; mit wie viel Liebe, Barmherzigkeit, Treue! Das klingt immer so voll, wenn er vom Vatergott und seiner väterlichen Gesinnung spricht, ja es gibt gar keine menschliche Vaterschaft, die nur in etwa dieser göttlichen Vaterschaft das Wasser reichen könnte. Wenn ihr Menschen, die ihr euch Vater nennt, wenn ihr euern Kindern gut seid, um wie viel mehr euer Vater im Himmel (vgl. Lk 11,13)!

Und wie bemüht sich der Heiland, diese Vaterliebe Gottes, diese väterliche Sorge gegenüber den einzelnen Menschen in den kleinsten Kleinigkeiten überall, ja überstark herauszuheben! Manchmal scheint es, als wolle er der Gerechtigkeit Gewalt antun, bloß um die Barmherzigkeit des Vaters in besonderer Weise herauszuheben. Wir denken nur einmal an die Arbeiter im Weinberg (Mt 20,1-16). Die letzten Arbeiter bekommen denselben Lohn. Ist das nicht scheinbar eine Ungerechtigkeit? Was will er zeigen? Die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Wir denken an all die andern Gleichnisse. Der Heiland, was tut er? Er lässt die neunundneunzig Schafe, um dem einen nachzugehen (Mt 18,12 f.). Und darüber hinaus, wie bemüht der Heiland sich, erneut darzustellen: Der Vater lässt die Sonne überall scheinen (vgl. Mt 5,45)! Und wenn er erst anfängt, die Sorge des Vaters um das Individuum mit seinen kleinen Nöten und Sorgen zu schildern, dann weiß er die poetischsten Bilder, die reichsten Worte zu gebrauchen. Es ist wohl mit die klassischste Stelle der ganzen Weltliteratur. Er spricht von den Vögeln des Himmels, von den Lilien des Feldes; sie säen nicht, sie ernten nicht. … Um wie viel mehr sorgt er dann für euch (Mt 6,25 ff.)! Hören Sie, das ist eine neue Botschaft auch für die heutige Zeit! So steht die überaus klar herausgemeißelte väterliche Gesinnung des Vaters vor uns. Aber das reicht noch nicht.

Worin wurzelt diese Gesinnung? Wie wir das in der Heiligen Schrift so klar dargestellt bekommen! In der wirklichen Vaterschaft. Gott ist wirklich unser Vater, wir sind wirklich seine Kinder.

Aus: J. Kentenich, 9. Vortrag der Exerzitien, Vollkommene priesterliche Lebensfreude, Schönstatt 1934.

In: J. Kentenich, Vollkommene Lebensfreude, Priesterexerzitien, Vallendar-Schönstatt 1984, S. 254-255.

Inhaltsverzeichnis   -   Aus der Einführung

 

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