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Freitag 19.04.2024, 20:42 Uhr
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2007 (C) Pfingsten

Homilie am Pfingstsonntag in St. Johannes in Großenbuch

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Welcher Geist weht bei uns?[1]
Geschichte im Auf und Ab

  • In der Geschichte eines jeden Volkes wie auch eines jeden einzelnen Menschen gibt es Zeiten des Aufschwungs aber auch der Stagnation und des Niedergangs. Nach den Jahren sich ständig mehrenden Wohlstandes - das merkt fast jeder von uns - steht jetzt eine Zeit der Minderung ins Haus. Dabei müssen wir noch froh sein, wenn keine Katastrophen über uns hereinbrechen, wie sie die in den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Geborenen in zwei Weltkriegen, durch zwei Geldentwertungen und Millionen durch die Vertreibung aus der Heimat erleben mussten.
  • Der Prophet Ezechiel ist Zeitzeuge des Niedergangs und schließlich des Untergangs Jerusalems mit den beiden Deportationen 597 und 586 vor Chr. Eindrucksvoll gibt der Prophet in der 1. Lesung die Stimmung wieder, die unter den nach Babel Verschleppten herrschte: "Jetzt sagt Israel: Ausgetrocknet sind unsere Gebeine, unsere Hoffnung ist untergegangen, wir sind verloren".[2] Verzweiflung macht sich breit. Sieht Gott unser Elend nicht?[3] Hat Gott uns vergessen?[4]
  • In solche verzweiflten Fragen hinein spricht die Vision des Ezechiel von der Auferweckung Israels:[5] Der Prophet sieht ein riesiges Feld voller ausgedörrter Totengebeine. Sie symbolisieren die hoffnungslose Situation Israels im babylonischen Exil.

Die Wiederbelebung vollzieht sich in drei Schritten:

  • „Zuerst werden die Gebeine mit Fleisch und Haut überzogen, dann - über die Winde mit Gottes Geist erfüllt und schließlich als großes Heer ins Gelobte Land geführt“ (Thomas Taubli).
  • Mit dieser am Anfang schaurigen, am Ende auf eine neue Zukunft weisenden Vision will Gott durch den Propheten, die durch Resignation gelähmten Israeliten aufrichten. Die nach Babylon Verbannten sehen überhaupt keine Zukunft mehr für sich als Volk Gottes. Sie fühlen sich wie tot, wie lebendig begraben, von ihrem Gott im Stich gelassen, von der großen Weltgeschichte vergessen. Durch Ezechiel kündet Gott sein Eingreifen an: Gottes Geist wird sie beleben, wird ihnen neue Hoffnung schenken, wird sie gegen jede Erwartung in ihre Heimat zurückführen.

Unsere heutige Stimmungslage

  • ist zwar nicht mit der Israels vergleichbar. Vielmehr erzeugten der Zusammenbruch der Kommunistischen Herrschaft in Osteuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands 1989 ein großes Aufatmen, ja eine euphorische Stimmung.
  • Aber durch die damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme schlug die Euphorie bald in Ernüchterung und Besorgnis um. Heute fragen viele: Wohin driftet unsere Welt wirklich? Wie werden wir mit dem Terror und dem Klimawandel fertig? Pfingsten aber lehrt uns: Es gibt

Auferstehung im Heiligen Geist

  • Ein Blick in die Geschichte zeigt uns: Keine Situation kann so trostlos sein, dass es daraus nicht eine Auferstehung geben könnte. Ja, für die an die Auferstehung der Toten Glaubenden verliert sogar der eigene Tod, das physische Ausgelöscht werden, seinen Schrecken, weil wie an Jesus geschehen Gott die Toten auferweckt. Darum braucht der Christ trotz vieler Sorgen und Katastrophen weder zu resignieren noch zu verzweifeln.
  • Wichtig ist, dass wir uns vom Geist Gottes erfüllt als seine Söhne und Töchter wissen. Wie ein guter Vater, wie eine liebende Mutter ist Gott für uns da. Darum dürfen wir ihn vertrauensvoll »Abba«[6] nennen, was unserem Papa und Mama entspricht. Selbst wenn man uns auf Erden alles nimmt, den Reichtum Gottes und die Fülle seines Lebens kann uns niemand nehmen. Denn in der Taufe sind wir zu Erben Gottes, zu Miterben mit Christus geworden.[7]
  • Der Christ hält sich daher in dunklen Zeiten der Angst, in Zeiten des Niedergangs, ja des Untergangs an den Sohn Gottes, den Gott in diese oft so grausame Welt hineingeschenkt hat. Er ist das Licht, in dem uns die wahre Zukunft aufleuchtet. Darum werden wir

Geist erfüllt leben

  • Was heißt es, heute in Deutschland, in Europa Geist erfüllt zu leben? In der Pfingstausgabe der Wochenzeitung »Rheinischer Merkur - Christ und Welt« schrieb Josef Herberg 2004 unter dem Titel »Plädoyer für eine Kultur der Hingabe« : Die Zukunft gehört dem Opfer Tun. Was der nächsten Generation zugute kommt, das ist heute gefragt.
  • Die Gegenwart brauche ein neues Leitbild, das eigene Wünsche zurückstellt. In Johannesevangelium sagt es Jesus so: ”Wer die Wahrheit tut kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott getan sind.“ [8] Wie sehen nun die Taten aus, die in Gott getan sind? Zunächst gilt es, zu erkennen:

Welcher Geist heute in Deutschland weht.

  • Es ist der Geist der fragt: Was habe ich davon? Wie kann ich mich selbst verwirklichen? Das Ich steht im Mittelpunkt. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts traten in den Jahren der Sättigung die Rechte und Ansprüche des Einzelnen in den Vordergrund. Man lehrte die Jungen und Mädchen, "ich" zu sagen, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und durchzusetzen.
  • Natürlich soll jeder sein eigenes Ich entdecken, darf er seine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen. Aber nicht auf Kosten anderer. Bei aller Selbstverwirklichung darf das Du und das Wir nicht auf der Strecke bleiben. Das aber geschah, als in den achtziger und frühen neunziger Jahren eine fortschreitende Entpolitisierung und immer stärkere Bedürfnisorientierung das Alltagsverhalten bestimmte.
  • Da aber jetzt Jahre des sich Einschränkens gekommen sind, trägt die Vorherrschaft des Ichs offensichtlich nicht mehr. Die Folgen für die Zukunft sind verheerend, wenn das Ich im Sinne der Gruppenegoismen gepflegt wird: Der Jungen gegen die Alten, der Inländer gegen die Immigranten, der Reichen gegen die Armen, der Gesunden gegen die Kranken, der Arbeit Besitzenden gegen die Arbeitslosen, der Lebenden gegen das werdende menschliche Leben und die Sterbenden. Solches Denken und Verhalten wird sich über kurz oder lang an denen rächen, die es in die Welt setzen und danach handeln.
  • Der Geist des Ich-Sagens allein schafft keine Lebensgrundlage: Wer nur darin zu Hause ist, ist überall sonst ein Fremder. Wer jetzt jung ist, wird einmal alt sein. Der Lebende wird einmal ein Sterbender, jeder Starke wird schwach werden. Der kollektive Egoismus wird sich irgendwann auch gegen den Einzelnen wenden.

Der Geist Gottes bewirkt eine neue Kultur des Individuums

  • Beim ersten Pfingstfest der Christen entsteht diese neue Kultur. Jeder vom Geist Erfüllte, verbindet sich mit den anderen, ohne dazu genötigt oder gar gezwungen zu werden. Dafür steht das sinnfällige Bild der »Zungen wie von Feuer«: Die Kraft, die aus dem Feuer der Liebe Gottes, also von oben kommend sich »auf jeden von ihnen« niederlässt, bewirkt diese neue Kultur der Gemeinschaft.
  • Diese macht den Einzelnen nicht schwach, sondern stark. Sie nimmt den anderen wahr, achtet und beachtet ihn. Ihr Grundgesetz ist die Goldene Regel: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“[9]
  • Es entsteht ein gewaltiger Kraftschub: Die vom Heiligen Geist Erfüllten ergreifen das Wort, und jeder hört ihre Botschaft in seiner eigenen Sprache. Der Heilige Geist schert die Menschen nicht über einen Kamm. Er nimmt vielmehr die Individualität, die Einmaligkeit eines jeden wahr und wird ihr gerecht. Und gerade dadurch werden die Menschen zu einer lebendigen Gemeinschaft.
  • An diesem Tag beginnt die lange Nachwirkung jenes Menschen, der alles auf eine Karte setzte, auf die Karte des sich verschenkenden Gottes, der in Jesus zum sich bis zum letzten Atemzug verschenkenden Osterlamm wurde, und schließlich einen Sieg errang, den er nicht selber, sondern nur Gott in seiner Macht herbeiführen konnte.
  • Nach der von politisch denkenden und handelnden Menschen herbeigeführten Katastrophe der physischen Vernichtung Jesu geschah dieses Neue. Nicht der Leichnam selber, sondern ein anderer, der alles erschaffende, erlösende Gott und Vater Jesu Christi, der Gott Israels, Jahwe, der ICH-BIN-DA gab dem Toten das neue Leben.
  • Er erweckte sein am Kreuz zerstörtes, von der Stärke der Barmherzigkeit kündendes Wort zum unvergänglichen Leben. Durch den Geist gewann das Wort seine eigene Kraft und kam zu voller Wirkung. Was sich hier mitteilt, macht die Empfänger groß, lässt sie über sich hinauswachsen, befähigt ihr geläutertes Ich, sich zur Gemeinschaft der Erlösten aus allen Völkern und Sprachen global zusammen zu schließen.

Der an Pfingsten neu gewonnene Blick

  • schaut auf das, was ist und wo es Ansatzpunkte zum Neuwerden gibt. Pfingsten hat eine die Wahrnehmung steigernde und die Tätigkeit fördernde Wirkung. Erkenne, wer du in Augen Gottes bist und was du tun kannst. Die mit Pfingsten beginnende christliche Religion, erweckt die Menschen zur Hingabe.
  • Die Geduld Gottes nachahmend gewinnen wir die Kraft, dieses neue Leben, das Gott schafft, zu fördern, ihm Zeit zum Wachsen zu gewähren: Du hast etwas davon, wenn du dich einsetzt für andere. Aber nicht sofort. Das Neue braucht seine Zeit. Die Frucht muss reifen. Sie kommt vielleicht erst der nächsten Generation, deinen Kindern und Kindeskindern, zugute. Wer jetzt ein Apfelbäumchen pflanzt, tut wenig für sich und viel für die nach ihm Kommenden. In der Offenbarung des Johannes verheißt uns die Stimme vom Himmel: „Selig die Toten, die im Herrn sterben, von jetzt an; ja, spricht der Geist, sie sollen ausruhen von ihren Mühen; denn ihre Werke begleiten sie.“[10] Was wir für die kommenden Generationen an Gutem investieren, wird uns in den Himmel begleiten.
  • Zu viele haben heute keine Kinder und Enkel. Wenn sie nur für sich leben und denken »nach uns die Sintflut«, dann wird die Not der kommenden Generationen sie verurteilend bis in die Ewigkeit verfolgen und vor Gottes Gericht bringen. Menschsein ist immer im Werden und weist weit über die unmittelbaren Bedürfnisse hinaus. Allein das Gefühl, mehr getan zu haben, als den eigenen Nutzen zu mehren, und in diesem Sinn sich selber überschritten zu haben, schenkt uns über die irdische Existenz hinaus Frieden. Wer so lebt und handelt, erntet als geistigen Ertrag, die Genugtuung das Richtige zur richtigen Zeit getan zu haben.

Die pfingstliche Kirche ermutigt in der Gegenwart zur Zukunft

  • Sie ist jene Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig ermutigen und aufmuntern zum Einsatz für andere, für die Zukunft der kommenden Generation, für ihren Glauben an den dreifaltigen Gott, für ihr Wohlergehen, für die Bewahrung der Schöpfung, damit sie friedvoll und hoffend leben kann.
  • Welcher Geist in Deutschland und Europa wehen wird, hängt wesentlich auch von uns Christen ab. Christ sein bedeutet, anerkennen, dass ich mich selbst als Gabe empfangen habe, und daher zu einer Gabe werde, die sich selber gibt.
  • Den anderen höher zu achten als sich selbst, das ist die Kunst, die heute und morgen ihre Meister sucht. Die Zukunft gehört dem Opfer, der sich verschenkenden Liebe. Wenn dieser Geist in Deutschland und Europa weht, dann gibt es eine gute Zukunft für uns und die kommenden Generationen. Dann ist Auferstehung schon in eine gute irdische Zukunft möglich. Zugleich wird solches Auferstehen zum Bild für die kommende Auferstehung der Toten hinein in die Herrlichkeit und die Fülle des Lebens bei Gott. Wenn wir nachher im Lied gefragt werden: „Welch Geistes Kind seid ihr?“[11] Was wird unser Herz und unser Verstand darauf antworten?


[1] 1. Lesung: Ez 37,1-14; 2 Lesung: Röm 8,14-17; Joh 3,16-21
[2] Ez 37,11
3(vgl. Jes 40,27)
4 (vgl. Jes 49,14).
5 Ez 37,1-14
[6] Röm 6,15
[7] Röm 6,17
[8] Joh 3,21
[9] Mt 7,12
[10] Offb 14,13
[11] GL 991

 

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