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Freitag 19.04.2024, 12:12 Uhr
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Lesejahr A 2019/12 - 2020/11

Predigtthema: Die nicht heile Heilige Familie

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 Die nicht heile Heilige Familie

1 Früher
1.1 Die Familie Jesu ein Vorbild für unsere Familien?
1.2 »die Familie heute« sei in der Krise
2 »Heilige Familie« und »Familie heute«
2.1 Die nicht heile Heilige Familie
2.2 Wo bleibt Josef, wo bleiben die Väter?
2.3 Guter Rat nicht gefragt
2.4 Erwachsene Kinder in die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu entlassen
2.5  Das Unbegreifliche begreifen und das Unerträgliche ertragen
3 Mit dem Hinweis auf die Heilige Familie könnte die Kirche beispielhaft statt idealisierend argumentieren
3.1 Menschen wie du und ich haben in ihrem Bemühen um eine gute Familie Gottes Wohlgefallen gefunden.
3.2  Die Familie als erste Erzieherin zum Frieden

Die Nicht heile Heilige Familie
1 Früher
hatte in fast jedem katholischen Haus eine Bild von der »Heiligen Familie in Nazareth«  gehangen. Maria am Spinnrocken, Josef mit Jesus an der Hobelbank. Ein allzu idyllisches Familienbild aus dem 19.Jht.
1.1 Die Familie Jesu ein Vorbild für unsere Familien?
Mit der Nachkriegsgeneration verschwanden diese Bilder aus den Wohnungen. Die Frage ist sicher berechtigt: Kann eine Familie aus dem Orient vor 2000 Jahren für uns heute von irgendwelcher Bedeutung sein? Nein, unmöglich! meinen nicht wenige.
Außerdem war es so wie so keine normale Ehe, sagen andere. Marias Jungfräulichkeit und der Begriff »Josefsehe« (was für beide sexuelle Enthaltsamkeit bedeutet) sind in einer Zeit sexueller Aufgeklärtheit sowie so nicht mehr zu vermitteln. Also ging man ohne die "Heilige Familie" zu Tagesordnung über.
Inzwischen werden bei uns die Stimmen immer lauter, die meinen,
1.2 »die Familie heute« sei in der Krise
Die steigenden Scheidungszahlen und die Zunahme der allein Erziehenden deuten darauf hin. Andere sprechen von einem »Auslaufmodell Familie«. Und das ganze Getue um Schwulen- und Lesben Ehen scheint dies zu bestätigen. Freilich solche Verbindungen tragen eher dazu bei, dass unser Volk ausstirbt.
2 »Heilige Familie« und »Familie heute«
das ist sicher ein spannungsreicher Vergleich. Wer aber dennoch das Ideal der Heiligen Familie und die eigene Lebenswirklichkeit auf einen gemeinsamen Nenner  bringen möchte, für den ist ein genauerer Blick auf die Heilige Familie hilfreich. Vielleicht müssten wir eher sagen:
2.1 Die nicht heile Heilige Familie
• Da ist Maria, die man als unehelich Schwangere aus dem Dorf gewiesen hätte – ihr Verlobter nimmt sie zu sich, um den guten Ruf und den Schein zu wahren. – Denken wir an die vielen Mädchen und Frauen, die in schwierigen Situationen verzweifelt nach Auswegen suchen, weil ihnen der Partner oder die eigene Familie kein Verständnis entgegenbringt.
• Die hohen Abtreibungszahlen sprechen eine beredte Sprache, wie groß der Druck auf Schwangere ist. Dass viele Frauen ihr Kind behalten möchten, dafürspricht, dass die katholischen Schwangeren-Beratungsstellen weiter sehr gefragt sind, obwohl sie keinen Beratungsschein als Freibrief zur Abtreibung mehr ausstellen. Die Schwangerschaft Mariens passte weder in die Moralvorstellung der Zeit, erst recht nicht in die Lebensplanung Marias und  Josefs.
• Maria muss in einem Schuppen ihr Kind zu Welt bringen, weil es keinen Platz bei den Menschen gibt, wo sie vorübergehend samt Lebensgefährte hätte wohnen können. – Nichts unterscheidet sie von jungen Leuten heute, die von einem Wohnungsamt zum anderen rennen, und überall hören: Nichts frei! Und zu teuer! Wie schwer ist es für Familien mit mehreren Kindern eine ordentliche Wohnung zu finden. Für Familien mit mehr als zwei Kindern ist auch bei uns Wohnungssuche eine sehr demütigende Sache.
• Nach ihrer überstürzten Flucht aus Palästina lebt die Heilige Familie jahrelang im ägyptischen Asyl, in einem fremden Land. – Wie viele Eltern können als Flüchtlinge ihren Kindern die Geborgenheit eines Elternhauses nicht bieten. Auch viele christliche Familien fliehen im Nahen-Osten aus ihrer Heimat, weil der Druck der muslimischen Mehrheit zu groß geworden ist.
• Konfliktreich war die allmähliche Ablösung des jungen Jesus vom Elternhaus. Sohn Jesus macht sich auf einer gemeinsamen Wallfahrt selbständig und setzt sich von seinen Eltern eine Zeitlang ab, und die Eltern, die ihn tagelang suchen, fragen völlig irritiert, warum er ihnen das angetan hat.
• Jeder von uns kennt heute Eltern, deren Kinder plötzlich eigene, oft unverständliche Wege gehen. Und es sind keineswegs immer wie bei Jesus Wege, die in die Nähe Gottes führen. Andererseits müssen heute junge Menschen, wenn sie einen geistlichen Beruf anstreben,  um  ihr Leben ganz  Gott und den Menschen zu weihen, auf Unverständnis und Widerstand in der eigenen Familie gefasst sein.
2.2 Wo bleibt Josef, wo bleiben die Väter?
• Da von Josef in den Evangelien später nicht mehr die Rede ist, kann angenommen werden, dass – wie die Tradition sagt -  Josef früh verstarb. Wir wissen nicht, wie lange Maria vom Handwerksbetrieb der Familie Josefs finanziell unterstützt wurde und wie viele Jahre sie die Lasten einer Allein-Erziehenden ohne eigenes Einkommen zu tragen hatte –
Heute bei uns: Allein gelassene Mütter, weil die Väter das Weite gesucht haben. Die Frauen, die sich aus diesen Gründen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht mehr leisten können, werden immer mehr. In Lateinamerika ist das fast der Normalzustand.
Auch bei uns entziehen sich Väter immer wieder der Verantwortung für Frau und Kinder. Nicht einmal den Gerichten gelingt es, die Unterhaltszahlungen immer eintreiben. „Da könne man doch was machen“, bekommen Schwangere zu hören – gemeint ist die Tötung des Kindes im Leib seiner Mutter.
2.3 Guter Rat nicht gefragt
• Maria bittet ihren Sohn bei einer Hochzeit, dem Hausherrn aus einer Verlegenheit zu helfen. Sehr distanziert fast schroff klingt die  Reaktion Jesu. „Frau“ nicht Mamma, sagt er zu ihr „Was willst du von mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
Wie viele Eltern fühlen sich heute in ihrer Situation von ihren Kindern verletzt, weil ihre guten Ratschläge einfach ignoriert werden. Das Evangelium verbindet das Verhalten Jesu damit, dass die Stunde seiner Verherrlichung noch nicht da ist und nicht von seiner Mutter herbeigeführt  werden darf, sondern nur vom Vater im Himmel.
Vielleicht ist es auch nur die theologische Absicht des Evangelisten, die Jesus so schroff mit seiner Mutter umgehen lässt. Die Kirchen der Reformation haben diese Stelle gar als Votum gegen die Marienverehrung verwendet. Jedenfalls müssen sich gerade heute Eltern von ihren Kindern Brüskierungen und verletzende Reden gefallen lassen, die oft sehr verwunden.
Oft fällt es Eltern schwer auch schwer
2.4 Erwachsene Kinder in die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu entlassen
Da sind Maria und die Großfamilie, welche die öffentlichen Auftritte Jesu mit immer größerer Sorge verfolgen[1], denn dieser gerät mit den herrschenden Sitten und Gesetzen immer mehr in Widerspruch.
Können wir da das Einschreiten Mariens und ihrer Verwandten nicht verstehen, da sie erleben, wie Jesus durch sein Reden und Tun immer mehr den tödlichen Hass der führenden Schichten auf sich zieht?[2] – Das machen viele Eltern durch, deren Kinder durch ihr Verhalten mit der herrschenden Meinung oder mit Gesetzen in Konflikt geraten.
Schließlich bleibt da eine Mutter, die den Schmerz und die Schande ertragen muss, Mutter eines Gehängten, eines Hingerichteten zu sein.[3] – Wie fühlt sich eine Mutter, ein Vater, heute, wenn das eigene Kind entführt, missbraucht und getötet wird; wenn das eigene Kind einen tödlichen Unfall verursacht, den Drogentod stirbt oder eine Kerkerstrafe verbüßen muss?
Viele Familien müssen
2.5  Das Unbegreifliche begreifen und das Unerträgliche ertragen
Es mag es trostvoll sein, zu wissen, dass Gott seiner Familie in der Welt die konkrete Lebenswirklichkeit mit all ihren Niederungen zugemutet hat – Es ist ein deutliches Zeichen der Solidarität mit allen Familien, die Sehnsucht und Alltag auf einen Nenner bringen möchten und unter der Tatsache leiden, dass sie damit nicht zurande kommen.
Die Frage muss erlaubt sein: Haben am Ende Lehrer, Pfarrer und andere Gesellschaftstheoretiker die Heilige Familie zu lange für die sog. heile Familie vereinnahmt?
Wenn unsere abendländische Kirche von der lateinamerikanischen Kirche lernen könnte, die Texte der Schrift vor dem Hintergrund der konkreten Lebenswirklichkeit von heute zu lesen und zu deuten, dann täte sie sich in ihrer Familienpastoral zweifellos leichter.
3 Mit dem Hinweis auf die Heilige Familie könnte die Kirche beispielhaft statt idealisierend argumentieren
3.1 Menschen wie du und ich haben in ihrem Bemühen um eine gute Familie Gottes Wohlgefallen gefunden.
Warum sollte dies bei allen Schwierigkeiten heute für uns und unsere Familien nicht auch möglich sein?
Die Unterordnung der Frau unter den Mann, das war zur Zeit des Paulus in der antiken Gesellschaft üblich. Dem können wir nicht zustimmen. Alles andere aber behält seine Gültigkeit. Das Maß des Miteinanders und Zueinanders  ist nicht eine vorgegebene zeitlose Naturordnung, sondern - und das ist der Tenor der ganzen Lesung - das neue Leben der Getauften im Herrn.
Jede Form der Unterdrückung oder Demütigung kann gerade vor der von den Männern geforderten Liebe nicht bestehen. Für die gegenseitige Liebe gilt, was der Epheserbrief den Christen ans Herz legt „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.“[4]
Paulus verwendet für Liebe nicht das Wort »Eros« also Erotik und Sexualität, sondern das Wort »Agape« das er zuvor für die göttliche Liebe verwendet. Es ist jene Liebe, die den Partner in seiner einmaligen von Gott geschenkten Würde und Anderssein achtet und wertschätzt und dementsprechend mit  ihm umgeht.
Wir dürfen durchaus annehmen, dass Maria und Josef in solcher Liebe einander begegnet sind. Wenn wir ihnen darin nacheiferten, wäre das ein wichtiger Baustein für ein glückliches und sinnvolles Leben, bei aller Belastung, die das Familienleben auch bringt.
Papst Benedikt bezeichnet in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2008,
3.2  Die Familie als erste Erzieherin zum Frieden
Unter der Überschrift: DIE MENSCHHEITSFAMILIE, EINE GEMEINSCHAFT DES FRIEDENS  sagte Benedikt XVI:
»Tatsächlich macht man in einem gesunden Familienleben die Erfahrung einiger grundsätzlicher Komponenten des Friedens: Gerechtigkeit und Liebe unter den Geschwistern,
die Funktion der Autorität, die in den Eltern ihren Ausdruck findet,
der liebevolle Dienst an den schwächsten — weil kleinen oder kranken oder alten — Gliedern,
die gegenseitige Hilfe in den Bedürfnissen des Lebens,
die Bereitschaft, den anderen anzunehmen und ihm nötigenfalls zu verzeihen.
Deswegen ist die Familie die erste und unersetzliche Erzieherin zum Frieden«.
 

[1] Mt12,47; Lk 18,20;
[2] Mk 3,21
[3] Joh 19,25
[4] Eph 5,21

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