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Donnerstag 28.03.2024, 13:13 Uhr
(c) 2024 Veit Dennert

Predigten

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2010 (C)

Homilie bei der Messfeier mit der Abiturklasse 1953 in der Nagelkapelle des Kaiserdoms Bamberg

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Geistl. Rat Veit Dennert bei der Predigt in der Nagelpkapelle des Doms
Geistl. Rat Veit Dennert bei der Predigt in der Nagelpkapelle des Doms
Meine Zeit steht in deinen Händen


"Eines Menschen Zeit"

Ist ein viel gelesenes Buch von Peter Bamm. Er blickt darin zurück auf die Zeit zwischen dem ersten Weltkrieg und die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Zurückzublicken auf die Vergangenheit ist vielfach eine Lieblingsbeschäftigung von älteren Menschen. Schauen doch auch wir in Erinnerungsverklärung auf die Zeit unserer Jugend und die Erlebnisse der Schulzeit zurück.
  • Junge Menschen schauen lieber nach vorn, träumen von der Zukunft. Wovon werden sie berichten, sind sie so alt wie wir? Werden sie auf die Chronologie ihrer Lebensdaten traurig oder fröhlich, wehmütig oder dankbar zurückschauen?
  • Hoffen wir, dass nicht der Zeitvertreib, das Totschlagen der Zeit ihr Leben bestimmt, sondern dass sie erfahren dürfen, was wir heute zur Danksagung und zum Weggeleit nach der Kommunion singen werden: "Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in Dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz mach es fest in Dir."
  • Der Weg in diese Geborgenheit ist heute durch die vielen Ablenkungen und wichtigtuerischen Nichtigkeiten erschwert. Wie oft hören wir Menschen: Ich habe keine Zeit. Mir fehlt die Zeit. Ich komme mit meiner Zeit nicht zurecht.

Gefräßige Zeit

  • Der oberste Gott der Griechen Zeus, bei den Römern Jupiter, ist nach der griechischen Mythologie ein Sohn des Titanenpaares Kronos und Rhea und Bruder von Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon. Nach Hesiod verschlingt Kronos alle seine Kinder gleich nach der Geburt, da er fürchtet, diese könnten ihn entmachten.
  • Als Zeus geboren werden sollte, beschließt Rhea auf den Rat von Gaia und Uranos hin, ihn im Verborgenen auf die Welt zu bringen. So konnten wir bei unserer Studienfahrt nach Kreta die Höhle seiner verborgenen Geburt besichtigen.
  • Sinniger Weise wird Zeus auf Kreta sterben. Die Götter der Griechen sind eben sterblich, weil Chronos, die gefräßige Zeit, alles verschlingt.
  • Wäre Chronos unser Schöpfer dann würde auch uns die Zeit unentrinnbar verschlingen.

 
Erfüllte Zeit

  • Jesus spricht nicht von κρόνος. Er verkündet den καιρὸς - die erfüllte Zeit.[1] Mit ihr hat Neues begonnen. Das Reich Gottes, die βασιλεῖα τοῦ θεοῦ, die Königsherrschaft Gottes ist mit ihm angebrochen. Nicht mehr die alles verschlingende Zeit beherrscht uns, sondern das Reich Gottes steht mit Jesus vor der Tür.
  • Das Nahegerückt- = das Angekommensein der Gottesherrschaft entspricht der Auffassung Jesu von Gottes Königtum als einem machtvollen, dynamischen Geschehen, in dem Gott seine Heilsherrschaft universal aufrichtet: Gottes Heilsherrschaft bricht herein. Diese zuvorkommende Bewegung Gottes auf uns zu bringt uns zum Umdenken und Umkehren.

Umdenken und Umkehren

  • Μετανοεῖτε - Wir müssen umdenken, unsere Lebenssicht und unsere Zukunftsperspektive von der Diktatur des Chronos, der vergehenden Zeit, um 180 Grad ändern. Darum die Aufforderung Jesu zu Beginn seines öffentlichen Wirkens,  "Glaubt an das Evangelium". Das entscheidende Motiv seines heilenden erbarmenden Handelns und Redens ist die Erfahrung der unbegreiflichen Güte Gottes.
  • Mit der Verkündigung dieser grundlegenden Botschaft, dieses Evangeliums, sendet Jesus seine Jünger in die Palästinamission. Dieser Heroldsruf spricht in äußerst gedrängter Form Jesu Gotteserfahrung und die darin begründete Heils- und Zukunftserwartung aus.

Wir leben in der Heilsgeschichte

  • Für die Griechen war die Geschichte sinnleer, ein Aufgefressen werden von der alles verschlingenden Zeit. Durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist die Geschichte zum Kairos - zur guten Zeit und Heilszeit geworden. Diese beginnt schon im Bund Gottes mit Abraham und Israel.
  • Der dauernde Rückbezug der frühchristlichen Exegese auf den ersten Bund Gottes mit Israel [2] zeigt den wachen Sinn für die doppelte Wahrheit, die für die antike Welt so schwer fassbar war. Das Denken der Gnosis ist ein Beweis dafür. Dieses gnostische Denken ist auch heute bei vielen dem christlichen Geschichtsverständnis entfremdeten Menschen wieder in.
  • Wahrheit des ersten wie des Neuen Bundes ist: Gott offenbart sich nicht auf einmal und nicht auf unzeitliche Art durch eine allgemeine Idee, sondern im Lauf einer konkreten Geschichte in der er sein Werk vorantreibt. Es gibt also eine reale Geschichte, welche die Einheit der Menschheit ausmacht und der Welt ihren Sinn und ihr Ziel gibt.[3]

Unsere Zeit ist Heilszeit

  • Es hat zwar alles seine Zeit, wie Kohelet verkündet.[4] Aber in allem ist Gott am Wirken. Freilich fehlt uns Menschen oft der Überblick. Gerade in turbulenten Zeiten verlieren wir diesen schnell, weil wir eben zeitlich existierende Wesen sind.
  • Mit Recht bekennt der Psalm 90 vor der versammelten Gemeinde und vor Gott "Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin."[5]
  • In den schweren Zeiten der Menschheitsgeschichte und der eigenen Lebensgeschichte, dürfen wir die befreiende Botschaft vernehmen, die vergehende Zeit ist seit Christi Auferstehung aufgebrochen für die Ewigkeit, für den Himmel Gottes, wo er alles in allen ist.
  • Paulus verkündet den Christen in Rom und heute uns: "Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit die an uns offenbar werden soll."[6]
  • Zugleich hilft uns das Evangelium angesichts der von uns Menschen angerichteten schlimmen Zustände auf der Welt nicht nach Rache zu schreien und das Unkraut auszureißen. Den dazu neigenden Christen in Korinth schreibt Paulus: "Richtet also nicht vor der Zeit; wartet, bis der Herr kommt, der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten."[7]
  • Unsere jetzige Lebenssituation zwischen 75 und 77 bedenkend werden wir der Versuchung widerstehen, resignierend auf das Vergehen unserer letzten Lebenszeit zu starren. Paulus ermutigt uns "Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlafe. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden."[8]
  • Der dem Gott Chronos hörige Mensch wird denken, nun bin ich seit unserem letzten Abiturtreffen dem Tod wieder einen großen Schritt näher.
  • Als Christ weiß ich mich mit meiner persönlichen Geschichte eingeborgen in den Kairos Gottes. Also darf ich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Jetzt sind wir dem Heil, dem endgültigen Geborgensein in der Fülle des Lebens bei Gott näher als vor zwei Jahren.

Sind wir reif für die Ernte?

  • Übers Land fahrend sehen wir überall die reifenden Getreidefelder. Als Ackerfeld Gottes [9] gehen auch wir auf die Ernte zu, die Gott einbringt. Also tun wir, was in unseren Möglichkeiten steht, damit es eine gute und reiche Ernte wird. Deshalb schreibt Paulus an die Galater und an uns: "Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun; denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist."[10]
  • Viele Menschen sind uns im Lauf unserer Lebenszeit begegnet. Von Jahr zu Jahr werden es mehr, die schon drüben sind. In der irdischen Wirklichkeit nehmen wir seit dem Schöpfungsakt des Urknalls nur die Zeit als vergehend wahr. Zwischen vergangener Zeit und kommender Zeit ist nur ein Augenblick Gegenwart.
  • In der Seele und im Geist gibt es die physikalische Zeit nicht. Bei Langeweile oder Unglück dehnt sich die Zeit, im Glück und sinnvollem Tun vergeht sie wie im Flug. Unvorstellbar schön ist, was Gott denen bereitet, die ihn lieben. Nochmals Paulus an die Korinther: „Nein, wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist, das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“[11]
  • Den Zustand jenseits der Zeit nennen wir Ewigkeit. Gott aber ist der immer Gegenwärtige. Ganz und für immer bei ihm sein ist, die Fülle des Lebens als erfüllende Gegenwart erleben. In Augenblick des Glücks, der Ekstase verliert der Mensch jetzt schon jedes Gefühl für Zeit." So ahnen wir, was ewige Seligkeit sein wird. Unsere Zeit, wir, aufgehoben in der lebendigen Gegenwart Gottes in der Fülle seines Lebens und seiner Liebe.
  • Für diese ermutigende und befreiende Aussicht auf unsere Zukunft bei Gott danken wir jetzt in der Eucharistiefeier Gott, unserem Schöpfer, Erlöser und Vollender durch Jesus Christus im Heiligen Geist.

 
 [1] Mk 1,15
[2] Bes. bei dem brühmten Katecheten aus Alexandiren Origenes  (185 – 254 n.Chr.)
[3] vgl Hernri de Lubac, Geist aus der Geschichte, Johannes Vlg Einsiedeln 1968, S. 328
[4] Koh 3,1-8.11
[5] Ps 90,10
[6] Röm 8,18
[7] 1 Kor 4,5
[8] Röm 13,11
[9] 1 Kor 3,9
[10] Gal 6,9
[11] 1 Kor 2,9

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