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2010 (C)

Homilie am 17.Sonntag i. JK in der Sonntagabendmesse in St. Michael Neunkirchen am Brand

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Das Vaterunser - Grundgesetz christlichen Betens

Beten - Zeichen einer Beziehung

  • Schon für Kinder gibt es nichts Schlimmeres, als wenn keiner mit ihnen redet. Hören Menschen auf miteinander zu reden, stirbt ihr Beziehung oder sie ist schon tot. Es ist lebenswichtig für uns, dass Gott zu uns redet und wir mit ihm.
  • Die Jünger erleben, dass Jesus ganze Nächte mit dem Vater im Himmel redet. Sie nehmen seine intensive Beziehung zum Vater immer wieder wahr. Jesus schöpft aus dieser Beziehung seine Kraft. So möchten sie auch mit Jahwe verbunden sein. Deshalb bitten sie ihn: „Herr, lehre uns beten.“
  • Wenn ich also recht beten möchte, werde ich bei Jesus in die Schule gehen. Das von Jesus uns geschenkte »Vater unser« ist kein Leistungsgebet, nach dem Motto möglichst viel, also fünf oder 10 Vaterunser. Es ist vielmehr die Magna Charta, das Grundgesetz christlichen Betens.
  • Deshalb ist es mit Bedacht zu sprechen, also das bedenkend, was ich da vor Gott ausspreche. In einer der Einleitungen des Vater unsers heißt es: Von Jesus angeleitet „wagen wir zu sprechen.“

Das Grundgesetz christlichen Betens

1. "Vater unser" oder "Unser Vater im Himmel"

  • Schon diese Anrede zeigt uns, dass ich nicht allein vor Gott bin. Gott ist unser aller Vater, zunächst der Christen, aber auch aller Menschen. Deshalb gewinnt dieses Gebet gerade von vielen gesprochen eine besondere Aktualität. Wir bekennen darin, dass der Gott und Vater Jesu Christi uns alle verbindet. Es ist also ein die Menschen verbindendes Gebet.
  • Freilich dieser Gott ist im Himmel. Er ist uns unsagbar nahe und doch verborgen. Wir dürfen und sollen ihn anreden, aber wir können nicht über ihn verfügen. So zeigt uns der Anfang dieses Gebetes wie wir zu ihm und zueinander stehen.

2. Das Gebet Jesu nennt Thema und Inhalt christlichen Betens

2.1 In den ersten drei Bitten geht es um Gott selber

2.1.1 „Geheiligt werde dein Name.“

  • Auf die Bitte des Mose offenbart Gott aus dem brennenden Dornbusch heraus seinen NAMEN: „So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.“[1] ER ist der allzeit Gegenwärtige, der Ich-Bin-Da. Diesen Gott spricht Jesus mit „Abba, lieber Vater“ an.
  • Sein Name wird geheiligt, wenn wir ihn als den Schöpfer und Erhalter allen Seins, als unseren Retter und Befreier lobend und rühmend anbeten, ihm danken und ihn bitten.
  • Sein Name wird geheiligt, wenn wir keine anderen Götter in unserem Leben dulden, sondern ihm den ersten Platz in unserem Leben einräumen. Sein Name ist uns kostbar. Daher werden wir ihn weder lieblos, noch im Zorn oder abfällig gebrauchen.
  • Gottes Namen heiligen wir, wenn wir an seinem Tag ausruhen und ihm die Ehre geben, indem wir ihm Zeit von unserer Lebenszeit schenken, durch das Hören seines Wortes, durch die Feier des Opfers und Mahles seines Sohnes den Sonntag als den Tag Gottes des Herrn heiligen.
  •  Gottes Name wird überall geheiligt, wo Menschen für einander da sind. Wenn Ein Mann für seine Frau und eine Frau für ihren Mann da ist, wenn Eltern für ihre Kinder und Kinder für ihre Eltern, vor allem auch die alten und kranken Eltern da sind, dann heiligen sie den Namen Gottes.
  • Wo das geschieht, wird Gottes rettende, heilende und beglückende Gegenwart mitten unter uns erfahren. Darum beten wir zu allererst, »geheiligt werde dein Name«.
2.1.2 "Dein Reich komme", lautet die zweite Bitte.
  • Wir bitten also Gott, dass er seine Herrschaft in uns und bei uns aufrichte. Er, seine Liebe und Gerechtigkeit soll in uns und bei uns regieren. Das erbitten wir für die Menschen, die uns regieren, die Kirche leiten, die uns nahe stehen und anvertraut sind. Das erbitten wir für uns selber. Die dritte Bitte lautet:
2.1.3 "Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden"
  • Im Lukasevangelium fehlt diese Bitte. Sie ist eigentlich in den beiden vorausgehenden schon enthalten. Im Himmel ist alles von Gottes Herrlichkeit, seiner Lebensfülle und seinem Willen durchdrungen herrlich. Im Himmel ist das Reich Gottes vollendet.
  • Auf der Erde sind wir oft weit weg davon. Und oft wissen wir selber nicht, was denn der Wille Gottes sei, oder wir sind uns darin unsicher. Umso mehr ist es nötig, dass sein Wille bei uns, bei mir, bei dir, in der Kirche, in der Welt geschehe, wie er im Himmel geschieht.
  • Diese Rangordnung des Betens - zuerst die Sache Gottes, dann die Sache der Menschen - macht keineswegs den zweiten Teil des »Vater unsers« weniger wichtig. Vielmehr steckt darin eine ungeheure Verheißung. Sie schenkt dem Beten um unsere Sache, um die Sache des Menschen, eine ganz neue hoffnungsvolle Perspektive. Jesus sagt in der Bergrede wie sie Matthäus uns schildert: "Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben."[2]
2.2 Im 2.Teil des »Vaterunsers« geht es um unser irdisches Wohl und ewiges Heil.

2.2.1 "Unser tägliches Brot, gib uns heute"

  • Bei Übergewicht und Nahrungsmittelschwemme in unseren Breiten geht vielen diese Bitte nur schwer über die Lippen. Unser Überfluss sollte uns zum Teilen mit den Hungrigen in der Welt ermuntern. Auf unsere Lebenssituation angewendet, könnte diese Bitte auch heißen "gib uns, was wir täglich zum Leben brauchen". Dazu gehört nicht nur das Essen und Trinken für den Leib, sondern auch die Liebe, das Verstehen, der zärtliche Umgang miteinander. Dazu gehört auch die Nähe Gottes, sein aufrichtendes und befreiendes Wort.
2.2.2 "Und erlass uns unsere Sünden, wie auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist."
  •  Oder in der Matthäusfassung: "Und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Wir alle bleiben Gott, unseren Mitmenschen, ja der ganzen Schöpfung Gottes im Lauf unseres Lebens viel schuldig. Paulus schreibt den Christen in Rom: "Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre."[3] Etwas später: „Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer.“[4]
  • Weil wir einander viel schuldig bleiben, ist es nötig, dass wir auch unseren Mitmenschen ihre Schuld erlassen und vergeben, wenn sie an uns schuldig geworden oder uns etwas schuldig geblieben sind. Der Grund dafür ist das, was Paulus in der 2. Lesung den Kolossern schreibt: "Christus hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben.“[5] Er, der Unschuldige hat dies durch seine Lebenshingabe für uns die Schuldig gewordenen am Kreuz bewirkt.
2.2.3 "Und führe uns nicht in Versuchung"
  • Diese Bitte scheint schwierig. Ist es denn Gott, der uns in Versuchung führt? Im Jakobusbrief heißt es "Gott führt niemand in Versuchung."[6] Und Paulus schreibt den Korinthern: "Gott ist treu. Er wird nicht zulassen, dass ihr über euere Kraft hinaus versucht werdet."[7]
  • Bibelfachleute meinen, dass diese Bitte in der aramäischen Urfassung im Mund Jesu so zu verstehen ist „Lass uns in der Versuchung nicht fallen.[8]" Ich habe im griechischen Urtext nachgesehen. Das griechische Wort bedeutet auch »nicht preisgeben«. Dann würde diese Bitte bedeuten: "Gib uns der Versuchung nicht preis". Dabei geht es nicht um die kleinen täglichen Versuchungen, sondern vor allem um die Versuchung nicht mehr nach Gott und seinem Willen zufragen oder Gott aus dem Herzen und Sinn auszuklammern.

 

2.2.4 "Sondern erlöse uns von dem Bösen"
  • Ob es sich dabei um den Bösen oder das Böse handelt, ist nicht so wichtig. Im Sinne Jesu geht es um unser Heil. Es geht darum dass wir angesichts des Bösen und der Ungerechtigkeit in der Welt selber nicht böse werden. "Gebt dem Teufel in und bei euch keinen Raum"[9]legt der Epheserbrief uns ans Herz. Es geht dabei nicht um die Versuchung zu dieser oder jener Sünde, sondern ums Ganze, die Versuchung alles wegzuwerfen in trotziger Verzweiflung und von nichts mehr hören zu wollen, was mit Glaube, mit HOFFEN, mit Gott zu tun hat.

3. Beharrlich für andere und sich bitten.

Die Abrahamsgeschichte in der 1. Lesung zeigt, wie man mit Gott um die Rettung der Menschen ringen muss. Die Geschichte vom zudringlichen Freund im Evangelium ermutigt uns, Gott inständig zu bitten.
  • Dabei geht es nicht darum »ein Vater unser« nach dem anderen zu beten. Es gibt nicht viele Vater unser, sondern nur das »eine Vater unser«.
  • Öfters bete ich es so, dass ich nach jeder Bitte innehalte und all die mir anvertrauten Menschen, die Kirche, unser Volk, und die Menschheit, mich selber und meine Sorgen, vor Gott hintrage. In unserem Leben als Christen geht es zuerst darum, dass Sie und ich den Namen Gottes heiligen, sein Reich zu Ihnen und mir komme, sein Wille bei Ihnen und bei mir geschehe. Wenn dem so ist, wird uns alles andere dazugegeben werden.
  • Weil Jesus sagt: "Bittet und ihr werdet empfangen, sucht und ihr werdet finden, klopft an und es wird euch aufgetan", lassen wir nicht davon ab, im Sinn des »Vater unsers« unablässig Gott zu bitten.


[1] Ex 3,15
[2] Mt 6,33
[3] Röm 13,7
[4] Röm 13,8
[5] Kol 2,14
[6] Jak 1,13
[7] 1 Kor 10,13
[8] Lk 11,4

[9] Eph 4,27