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Lesejahr A 2016/12 bis 2017/11

Predigt - Homilie am 2.Advent in ULF Dormitz

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WACHSAM AUF DEN HERRN WARTEN[1]
Nach Terroranschlägen - wie sie im vergehenden Jahr mehrmals geschahen - wurden alle Bürger aufgefordert wachsam zu sein. Der Feind könne überall lauern. Die Sicherheitsvorschriften wurden erhöht und viel Geld locker gemacht, um dem Terrorismus wirksam begegnen zu können. Ja, wenn es uns an den Kragen geht, dann merken wir auf einmal, wie wichtig es ist, wachsam zu leben.
1 Wie aber ist es mit unserem Wachsam-sein Gott gegenüber bestellt?
Er will ja in und durch Jesus heilend, rettend und richtend zu uns kommen.
1.1 Leitworte der beiden Lesungen und des Evangeliums sind Aufbruch und Wachsam-sein.
  • Vom »Sich auf den Weg machen«, »Aufstehen vom Schlaf«, vom »Einbruch« in unser Lebenshaus, vom »Ende, das vor der Tür steht«, ist da die Rede.
  • Alle Texte haben heute mit dem Kommenden, mit unserer Zukunft und mit Warten auf die endgültige Erlösung zu tun. Da geht es nicht um intimes Sich Zurückziehen, nicht um Kerzenschein bei Nüssen und Bratäpfel.
  • Der Advent ist die Zeit, in der wir Christen uns bewusst werden, dass unser Dasein hier auf Erden begrenzt ist. Wir dürfen ausblicken nach dem, was wir Christen Erlösung nennen.
1.2  Advent heißt auf unsere Erlösung warten
  • Wir Menschen in den Ländern des Wohlstandes tun uns heute schwer mit dem Begriff Erlösung. Wovon sollten wir denn schon erlöst werden. Not und Hunger müssen in unseren Breiten die wenigsten leiden. Wir haben, wenn alles gut geht, eine hohe Lebenserwartung. Unser Gesundheitssystem ist hervorragend ausgebaut. Und für die meisten Zeitgenossen ist nicht Gott, sondern Gesundheit das höchste Gut.
  • Höchsten beunruhigen die steigenden Mietpreise, die drohende Energie Knappheit und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen und Einschränkungen. Der  Anstieg des Meeresspiegels infolge der Klimaerwärmung scheint uns nicht unmittelbar zu betreffen. Ob wir uns da nicht täuschen!
  • Die Adventszeit ist leider für viele eine Ablenkzeit geworden.
  • Die Texte am 1. Advent mahnen uns, die uns geschenkte Lebenszeit zu nutzen. Wir werden daher
2 Unser Leben als Ganzes ansehen
 Wir müssen nachspüren, worin unsere tiefsten Sehnsüchte und Hoffnungen, aber auch Ängste und Sorgen bestehen.
2.1 Unsere Sehnsüchte
  • "Alles beginnt mit der Sehnsucht", schreibt die jüdische Dichterin Nelly Sachs; und wir dürfen darin die Ermutigung sehen, unserer Sehnsucht mehr Achtsamkeit zu schenken.
  • Da ist sicher einmal die Sehnsucht nach Geborgenheit, die Sehnsucht, im Leben einen Halt zu finden. Gerade wenn jemand das Gefühl hat, vor einem Abgrund zu stehen.
  • Abgründe tun sich oft genug im Leben auf: Das Scheitern einer Beziehung, Misserfolge in Schule und Beruf, das Scheitern eines Lebensplanes, unheilbare Krankheiten oder der Tod eines geliebten Menschen und vieles andere mehr. Und doch! Nur wer seine Sehnsüchte wahrnimmt, kann bereit werden, sie von jemand stillen zu lassen.
2.2 Wer oder was kann unsere Sehnsucht stillen?
  • Manche erfasst in dieser Zeit vor Weihnachten eine Kauf und Bestellwut. Manche drängt es von einem Weihnachtsmarkt zum anderen. Aber können Menschen oder Dinge wirklich unsere Sehnsucht stillen?
  • Wilhelm von Scholz meint: „In der Sehnsucht empfindet man die Dinge, nach denen man Verlangen trägt, so stark und lebendig wie nie im Besitz. Allem Erreichten droht Ernüchterung und Enttäuschung.“ Also am besten gar nichts ersehnen nichts erwarten? Das wäre der Tod.
  • Aber bei allem Sehnen und Erwarten muss ich wissen: Menschen oder Dinge können unsere Sehnsucht nur teilweise, nur vorläufig stillen. Johann Scheffler teilt uns in dem Lied »Jesus komm doch selbst zu mir« seine Erkenntnis mit „Keine Lust ist in der Welt, die mein Herz zufrieden stellt. Dein, o Jesu, Bei-mir-sein nenn ich meine Lust allein.“[2] 
  • Wer das nicht akzeptiert, kann süchtig werden nach Abwechslung und rennt von einem Event zum anderen. Jede Sucht bedeutet Abhängigkeit, Verlust der Freiheit, Siechtum, Zerstörung der seelischen und leiblichen Gesundheit. Es gilt also auch unseren Sehnsüchten gegenüber wachsam und genügsam zu sein.

3 Die Weisheit der Mönche und der Kirche
Sie könnte für uns Heutige nach außen gewendete Menschen hilfreich sein. Ein Mönchsbruder kommt in die Einsamkeit eines wegen seiner Weisheit geachteten Mönches und erbittet von ihm ein Wort. Der Greis sagt zu ihm »Fort, geh in deine Zelle und setze dich nieder, und die Zelle wird dich alles lehren.«
3.1 Das Sitzen in der Zelle war für die frühen Mönche eine wichtige Übung
  •  Sie konnten sogar sagen: »Du brauchst gar nichts Frommes zu tun. Du musst nicht beten oder fasten. Nur halte dich aus in deiner Zelle. Wirf deinen Leib nicht aus der Zelle heraus. Entscheidend ist, dass du vor dir selbst nicht davonläufst, sondern dich so, wie du bist, vor Gott aushältst«.
  • Der Benediktiner Anselm Grün schlägt folgende Übung vor: Setze dich in dein Zimmer, eine halbe Stunde lang. Nimm kein Buch zur Hand, auch nicht die Bibel. Denke nicht über bestimmte Dinge nach. Meditiere auch nicht und bete nicht irgendwelche Gebete. Deine Aufgabe besteht darin, dich einfach vor Gott hinzusetzen und zu beobachten, was sich da in dir regt.
  • Die Mönche nennen diese Übung Griechisch »nepsis = Wachsamkeit«. Sie vergleichen den Mönch mit einem Fischer. Dieser wartet in seinem Kahn darauf, dass sich das Wasser um ihn beruhigt. Dann sieht er, wie im klaren Wasser die Fische aufsteigen. Und er kann sie fangen.
Unsere Kirche rät uns noch eine andere Möglichkeit wachsam zu werden.

3.2 Vor Jesus sein, der durch den Glauben im Herzen wohnt
  • So kannst du in deinem Zimmer warten, bis das Wasser um dich herum ruhig und klar wird. Dann erkennst du, was da alles in dir aufsteigt. Und das nimm dann in die Hand und halte es Jesus hin. Dann erkennst du, welcher Fisch dich nähren kann und welchen du wieder ins Wasser zurückwerfen solltest.
  • Hast du kein eigenes Zimmer, dann geh in die Kirche. Such dir dort einen Platz, wo dich niemand stört. Und warte, was mit dir geschieht.
3.3 Vor dem Tabernakel verweilen, wo uns Jesus seine besondere Gegenwart schenkt
Immer wenn du zum Friedhof gehst oder von dort kommst, deine Kinder oder Enkel von der Schule oder vom Kindergarten abholst, geh in die Kirche. Jesus wartet auf dich. Er möchte dich in dieser besonderen Nähe mit seiner Liebe beschenken, so dass du wieder klar siehst, worauf es ankommt, was wirklich wichtig ist in deinem Alltag.
4 Advent ist die Zeit des Wach und Aufmerksam-seins
Die Adventzeit lädt uns ein, aus dem verordneten Trubel der Vorweihnachtszeit auszusteigen. Aber nicht um in die Scheinidylle adventlichen Brauchtums umzusteigen, sondern jenen ganz anderen Weg zu gehen, den uns die Texte der Frohen Botschaft dieses und der kommenden Sonntage weisen:
4.1 Die Wegweiser des Advents
  • - Den Weg der Aufmerksamkeit und Wachsamkeit den eigenen tiefen Sehnsüchten und Hoffnungen gegenüber gehen;
  • - Den Weg der Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zu gehen auch im Blick auf die Sehnsüchte und Hoffnungen anderer Menschen, ja der ganzen Menschheit.
  • All das dürfen wir mit Jesus vor Gott bringen; Denn Jesus hat alles Leid und allen Schmerz auf sich genommen hat und nimmt es weiter auf sich. Im Barmherzigkeitsrosenkranz der heiligen Sr. Faustina rufen daher zum Vater „Durch sein schmerzhaftes Leiden hab Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.“
4.2  Gott stillt durch Jesus unsere Sehnsucht
  •  Einer, der im Psalm 10 um Hilfe gegen gottlose gewalttätige Menschen ruft, kann am Schluss sagen „Herr, du hast die Sehnsucht der Armen gestillt, du stärkst ihr Herz, du hörst auf sie:  Du verschaffst den Verwaisten und Bedrückten ihr Recht. Kein Mensch mehr verbreite Schrecken im Land.“[3]
  • Nie werden wir aufhören, uns nach der Fülle des Lebens zu sehnen, die nur Gott schenken kann. Er allein kann einmal all unsere Sehnsucht stillen.
  • Adventlich, wachsam und aufmerksam leben, heißt wieder neu wahrnehmen, dass Gott in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist. In ihm zeigt er uns sein menschliches Antlitz. Dies gilt es im Advent zu suchen.
  • Adventlich, wachsam und aufmerksam leben, heißt aber vor allem wie der heilige Paulus sehnsüchtig auf den Tag der Vollendung der Erlösung, den Tag der Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit zu warten.[4] Das bedeutet: Ich werde jeden Tag so leben, als wäre es mein letzter.


[1] 1. L Jes 2,1–5; 2. L Röm 13,11–14a; Ev Mt 24,37–44
[2] Jesu, komm doch selbst zu mir - Johann Scheffler, 1657
[3] Ps 10,17f.
[4] 2 Tim 4,8