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Lesejahr A 2016/12 bis 2017/11

Predigt - Homilie am 32.So.A2017 in St. Micael Neunkirchen

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Die Botschaft vom Leben nach dem Tod schenkt Mut zum Leben [1]
1 Stirbst du gern?
Max Frisch hat in seinem Tagebuch folgende Begebenheit mit seiner sechsjährigen Tochter niedergeschrieben:
Heute fragt Ursel, unsere Sechsjährige, mitten aus dem Spiel heraus, ob ich gerne sterbe.
”Alle Leute müssen sterben”, sage ich hinter meiner Zeitung:
”Aber gern stirbt niemand.”
Sie besinnt sich. ”Ich sterbe gerne!”
”Jetzt?” sage ich: ”Wirklich?”
”Jetzt nicht, nein, jetzt nicht -.”
Ich lasse die Zeitung etwas sinken, um sie zu sehen, sie sitzt am Tisch mischt Wasserfarben.
”Aber später”, sagt sie und malt mit stiller Lust: ”später sterbe ich gerne.”[2]
2. Sterben am Tag da Christus kommt
Wir alle wissen, dass wir sterben müssen Aber meist schieben wir diesen Gedanken weit von uns. Das ist verständlich, besonders bei Menschen für die mit dem Tod alles aus ist.
Aber als Christen haben wir
2.1 eine Hoffnung, die über den Tod hinausreicht.
Darum ermutigt uns die Kirche durch die biblischen Texte an diesem 32. Sonntag im Jahreskreis, auch heute mit der Botschaft vom Leben nach dem Tod - untereinander Hoffnung für das Leben zu verbreiten.
Denn wer an das Leben nach dem Tod glaubt, wird weder die Hände in den Schoß legen, noch wird er resignieren, wenn ihm nicht alles gelingt.
Beim  Begräbnisgottesdienst für den verstorbenen Aachener Weihbischof August Peters, wurde ein Brief von dem Verstorbenen verlesen, auf dessen Umschlag stand: ”Zu öffnen an dem Tag, an dem Christus kommt!”
Was er auf den Umschlag schrieb, war Ausdruck seiner Hoffnung: Der Tag seines Todes wird der Beginn eines neuen Lebens bei Gott sein. Er erwartete, dass der auferstandene Christus ihm entgegenkomme, und lebte zuversichtlich auf dieses Ereignis hin.
2.2 Von der Erwartung dass Christus kommen wird
waren auch die Menschen in Thessaloniki erfüllt. Gespannt lebten sie dem Tag entgegen, an dem der Auferstandene wiederkehrte und die Seinen ins Reich des Vaters  führte. Auch Spott und Verfolgung ertrugen sie in der Gewissheit, dass der Festtag, an dem Christus sein Versprechen erfüllte, bald bevorstehe.
Doch die Spannung ließ nach. Zweifel kamen auf. Der Tag des Herrn ließ auf sich warten. Die begeisterte Erwartung der Thessalonicher schlug in lähmende Traurigkeit um: Einige der Getauften waren gestorben, ohne dem kommenden Christus begegnen zu dürfen.
War ihr Glaube, waren die Entbehrungen des irdischen Lebens nicht sinnlos, wenn das Ziel ihrer Hoffnung sich immer weiter verschob, auf einen Tag, den sie nicht mehr erleben würden? Das war eine Frage, die über ihr Leben hier und jetzt entschied.
2.3 Wie kann diese konkrete Angst überwunden werden?
Wollte Paulus seiner Gemeinde wirklich Hoffnung machen, musste seine Antwort den konkreten Ängsten ein ebenso konkretes Ziel entgegensetzen. Gottesbefehl, Weckruf des Engels und Trompetenstoß kündigen das Kommen Christi an. Die Toten werden aus ihren Gräbern gerufen. Wie die noch Lebenden werden sie zum Fest des Lebens geführt.
Die Gestaltung der Begräbnisstätten zeigt, dass diese Vision die ersten Christen tatsächlich mit großer Hoffnung erfüllte, Unter dem Petersdom finden sich Gräber von Menschen, die für Christus ihr Leben ließen, z.B. Petrus.
In ihrer Nähe, so glaubte man, waren Engelsruf und Posaune sicher zu hören. Die Hoffnung, den Angehörigen die Auferstehung zu sichern, war größer als die Ehrfurcht vor den Grabstätten. Kreuz und quer, teilweise übereinander, wurden die Gräber angelegt, damit die Toten nahe bei den Heiligen lagen.
2.4 Den aufgeklärten Menschen unserer Tage mutet dieser Auferstehungsglaube naiv an.
Sie schmunzeln wie Besserwissende oder  schütteln Sie den Kopf. Unsere Vorfahren hatten noch ein Problem mit dem Leben nach dem Tod. Sie sorgten sich darum, was geschieht an dem Tag, an dem Christus kommt.
Für die Menschen heute ist das Leben nach dem Tod kaum mehr ein Thema. Nicht wenige glauben an ein zweites und drittes Leben  in einem anderen Leib auf dieser Erde. Selbst Menschen, die  an Gott glauben, bekennen oft, ein Leben nach dem Tod gebe es für sie nicht.
Mit den Menschen in Thessaloniki  hat unsere Generation eines  gemeinsam: Wir haben die Hoffnung verloren. Der Tag, an dem Christus kommt, ist aus dem Kalender unserer Weltgeschichte, aus dem Kalender der persönlichen Geschichte der meisten Menschen offensichtlich gestrichen.
2.5 Der verstorbene Weihbischof von Aachen sah das anders.
Er war überzeugt, auf ein Ziel hinzuleben, auf den Tag, an dem Christus kommt. Vielen  ist es beim Begräbnisgottesdienst ähnlich ergangen wie vermutlich den Thessalonichern als ihnen der Brief des Apostels vorgelesen wurde. Ihnen machte der Brief, ”zu öffnen an dem Tag, an dem Christus kommt”, Mut.
Die endzeitlichen Bilder sind reduziert auf die Person Christi: Wenn er kommt, wird es gut. Jesus Christus schaut und lebt über die Grenze des Todes hinaus. Er interessiert sich für das, was nach dem Tod sein wird. Er ist getröstet und gibt den Grund seiner Hoffnung weiter: Für alle wird es ihn geben, den Tag, an dem Christus kommt.
3 Was bewirkt solche Hoffnung im Leben eines Menschen?
Paulus antwortet:
3.1 Ihr braucht euch nicht zu betrüben wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
Die lähmende Trauer der Thessalonicher blockierte zuerst das irdische Leben. Ohne Ziel und Perspektive schien es besser, keinen Schritt zu viel zu wagen.
Lähmende Traurigkeit erfasst auch Menschen heute: Es hat doch alles keinen Sinn. Was soll ich denn tun? Wer hört schon auf mich, was können wir wenigen ausrichten? –
Oder: Da ist die Angst. Wenn das irdische Leben alles ist, ist es nicht viel zu kurz, um sich darin ein Ziel zu erobern? Was habe ich schon versäumt? Das Ende muss ich verdrängen. Jetzt nicht und nie - ich habe doch erst angefangen.
Angesichts solcher Fragen ist es nötiger den je
3.2 Die Hoffnung stiften
Bei den Thessalonichern war es der Alltag mit seinen Entbehrungen, der Zweifel aufwarf, die Freude niederdrückte und den Tatendrang. Die Pläne und Wünsche blieben liegen. Darauf zielt das ermutigende Wort des Paulus. Dahinein will er Hoffnung stiften.
Es klingt wie ein Widerspruch. Doch glaube ich, die Erfahrung der ersten Christen hat gestimmt. Paulus hat recht. Wir sollten es uns von ihnen sagen lassen: Die lähmende Traurigkeit, die unser irdisches Leben prägt, lässt sich verwandeln, wenn ein Mensch Hoffnung über dieses Leben hinaus hat.
 Wenn das, was gut und wertvoll ist, nicht allein vom irdischen Dasein abhängt und in ihm aufgeht. Wenn die Menschen, die ich liebe, nicht auf ihre irdische Geschichte reduziert werden.
Wenn ich glauben darf, dass der Nächste, dem ich ein gutes Wort, eine helfende Hand verdanke, eine Geschichte hat, die gut ausgeht, weil es auch für ihn diesen Tag geben wird, an dem Christus kommt,
- dann lebe ich mein irdisches Leben erfüllter. Unsere christlichen Ahnen haben wegen ihrer Hoffnung auf das Leben nach dem Tod das Leben vor dem Tod erst richtig angepackt.
4 Die Botschaft des Paulus ein Wort für uns heute.
4.1 Ein Wort, das Mut macht und lebendige Hoffnung stiften kann.
Der Glaube an die Auferstehung motiviert dazu, auch im irdischen Leben wieder aufzustehen, sich nicht lähmen zu lassen von den dumpfen Parolen, es sei alles sinnlos. Die Überzeugung vom endgültigen Tod, vom endgültigen Ende der Geschichte, vom endgültigen Tod meiner Geschichte ist keine Errungenschaft der modernen Zeit, sondern ein Verlust.
 Wenn es wahr ist, dass Christus der Erste ist, den der Tod nicht festhalten konnte, der gezeigt hat, dass Gott keine endgültigen Tode zulassen will, derer, die er liebt, dann brauchen wir Menschen uns auf dieser Erde genauso wenig mit endgültigen Toden abzufinden. Dann brauchen wir uns nicht einreden zu lassen, es gäbe keine Auswege mehr.
4.2 Wir haben eine Botschaft des Lebens, die trägt.
Machen wir einander Mut mit der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Versuchen wir auf den Tag hinzuleben, an dem alles sich vollendet, der Tag, an dem Christus kommt.
In einem Grablied hat der den Untergang des dritten Reiches miterlebende Dichter Reinhold  Schneider, diese Hoffnung auf das Leben nach dem Tode bei Gott, eindrucksvoll verdichtet:
 
Wer heimlich Christi Leiden
An seinem Leib gespürt,
Wird im Hinüberscheiden
Vom ersten Glanz berührt;
Wer Christi Tod erlitten,
Wird mit ihm auferstehn;
Wo er hindurchgeschritten,
Da wage ich’s zu gehn.
 
Ich will mein selbst vergessen
Am Saum der Erdennacht
Und an das Kreuz mich pressen
Mit meiner Seele Macht;
Kein Wort soll mich erreichen,
Das, Herr, Dein Mund nicht sprach.
Gewähre nur ein Zeichen,
So folge ich Dir nach.
 
Aus ungeheuren Räumen,
Darin das Grauen webt,
Schreckt, gleich verworrnen Träumen,
Der Tod, der vor Dir bebt.
Ich seh’ Dein Antlitz strahlen,
Kein Wort gleicht Deinem Wort,
Und über Zweifelsqualen
Reißt mich die Liebe fort.
 
Schon dringt ein ahnend Schauern
Von Raum zu Raum herab;
Die noch an Gräbern trauern,
Begreifen nicht dein Grab.
Die meine Brüder waren,
Bezwingt die Erde nicht;
In ungemessnen Scharen
Sehn sie Dein Angesicht.
[1] Die Botschaft heute 1996/11 S.333-338
[2] Max Frisch, aus: Tagebuch 1946-1949, (c) Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1950, ”Heute fragt Ursel, ...”