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2010 (C)

Homilie am Fest Christi Himmelfahrt bei der Zeltmesse in Gleisenhof

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Der Christ steht über allem.
Situation damals und heute

  • Dazu habe ich vor 41 Jahren, also 1969 ein Jahr nach dem Beginn der 68er Revolution am Fest Christi Himmelfahrt die anschließende Predigt gehalten. Es war eine Zeit, in der Kirche und Religion öffentlich niedergemacht wurden. Damals vor allem auch, weil sie der sog. »sexuellen Revolution« im Wege stand.
  • Heute treten in den Medien Menschen auf, die zum Austritt aus der katholischen Kirche aufrufen, weil Menschen der Kirche Priester und Ordensleute durch sexuellen Missbrauch von Kindern schwer schuldig geworden sind.
  • Papst Benedikt XVI. sagte während seines Flugs nach Lissabon am Dienstag vor mitreisenden Journalisten, die größte Verfolgung der Kirche komme nicht von außerhalb, sondern entstehe aus der Sünde innerhalb der Kirche. Der Papst wörtlich: "Nötig ist deshalb die Bereitschaft zu Buße und Reinigung, aber auch zu einer juristischen Aufarbeitung und Vergebung. Man muss realistisch sein und anerkennen, dass es immer Attacken des Bösen geben wird; am Ende jedoch ist Christus aber stärker.“
  • Inzwischen ist klar geworden, Kindesmissbrauch durch Menschen der Kirche ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn dieses Übel ist in unseren Gesellschaften weit verbreitet.
  • Alice Schwarzer schrieb schon 1980 in der Zeitschrift Emma "seit Beginn der Siebzigerjahre wehren sich in der BRD und auch in den anderen Nachbarländern Holland und Frankreich Pädophile zunehmend offen gegen dieses Verbot.[1] (siehe Anmerkung[2]) In Fachzeitschriften treten vor allem sich als progressiv verstehende Sexualwissenschaftler und Pädagogen engagiert für das Recht auf Pädophilie ein. Und in der linken Presse findet die Diskussion in jüngster Zeit breiten Raum. Einige Blätter, wie zum Beispiel die Tageszeitung TAZ machten sich zu uneingeschränkten Sprachrohren dieses Anliegens."[3] (Ende des Zitats)
  • Im Februar dieses Jahres heißt es in einem Artikel von Alice Schwarzer "Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist keine Erfindung katholischer Patres. Und er hat auch nichts mit dem Zölibat zu tun. Allein in Deutschland werden nach Schätzung des Kriminologischen Instituts Hannover Jahr für Jahr etwa eine Million Kinder missbraucht, in neun von zehn Fällen sind es Mädchen."[4] Es ist schlimm, dass auch einige Priester und Ordensleute solches getan haben. Auch Christen, wir alle sind in Gefahr, vom Zeitgeist angesteckt zu werden.
  • Die vor 41 Jahren gehaltene Predigt halte ich nicht deswegen, weil mir zu Christi Himmelfahrt nichts Neues einfällt. Ich will vielmehr zeigen, dass die Botschaft von Christi Himmelfahrt heute genauso aktuell ist wie 1969. Hören Sie also was ich damals am Fest Christi Himmelfahrt predigte.

Der Christ steht über allem.
A. Macht die Kirche unkritisch?

  • Der Frankfurter sozialistische Lehrerbund forderte vor einiger Zeit alle Schüler ab 14 auf, massenweise aus dem Religionsunterricht auszutreten. Der Aufruf gipfelte in dem Satz, "lasst euch nicht länger mit Jesus und Paulus abspeisen und einlullen."
  • Sie sagten, Religion mache unkritisch. Sie warfen der Kirche vor, dass sie durch das Einimpfen der Religion fügsame Menschen erzeuge, die von allen möglichen Mächten manipuliert, das heißt dazu gebracht werden könnten, wo man sie gerade haben wolle. Man sagte, die Kirche sei ideologieträchtig. Sie sei schuld am kirchlichen Antisemitismus, triebfeindlicher Sexualmoral, an der Diffamierung der Frau mit der Folge des Hexenwahns und der Inquisition, an der Verflechtung von Mission und Kolonisation. Sie rechtfertige die Einteilung der Gesellschaft in Klassen.

B. Ja und Nein!

  • Stimmt das? Wir müssen um der Ehrlichkeit willen sagen, Ja und Nein. Es besteht zwischen diesen Vorwürfen und der Kirche ein Zusammenhang.
  • Wenn man aber nachbohrt und fragt, wie diese Dinge möglich waren und ganze Epochen in Beschlag nehmen konnten, so wird sichtbar, dass solches gar nicht aus dem Wesen der Kirche, aus der Botschaft Jesu kommt.
  • Vielmehr wurde das Christentum von der Gesellschaft her beeinflusst, wurde seine Lehre durch den Zeitgeist, die herrschende Meinung verdreht. Meist war die Kirche nicht die Ursache der Flut, sondern gebrochener Damm. (Darum ist es zu allen Zeiten wichtig, sich darüber klar zu werden, auf welchem geistigen Grund wir stehen).

Christus in der Herrlichkeit beim Vater
Christus in der Herrlichkeit beim Vater
C. Unser Standpunkt ist der des erhöhten Christus.

Paulus sagt in der heutigen 2. Lesung, er bitte Gott eindringlich darum, er möge uns »den Geist der Weisheit und der Offenbarung verleihen, damit wir ihn erkennen.«[5]

1. Unser Standpunkt muss also der Standpunkt Gottes sein.

    • Nur wer Gott erkennt, dem geht auf, was Gott will. Der weiß auch, was er von der herrschenden Meinung zu halten hat. Er wird nicht unbesehen alles annehmen, was ihm vorgesetzt wird. Er wird sich mit dem herrschenden Zeitgeist auseinandersetzen. Er wird alles prüfen und nur das Gute behalten.
  • Denn unser (christlicher) Standpunkt befindet sich über der Welt und der Zeit. Unser Standpunkt ist der Standpunkt Gottes, der die Welt und den Menschen geschaffen und beide in seine Herrlichkeit berufen hat.

2. Unser Standpunkt ist der Standpunkt des Gottes Jesu Christi.

Der Gott, zu dem Jesus Christus als das Geschöpf und als der Mensch aufgeschaut und gebetet hat.
  • Nur an Jesus Christus sehen wir, was der Standpunkt Gottes ist. Von Jesus Christus aber wissen wir, dass dieser Gott unser Vater ist, der uns in seinem Sohn alles schenkt. Dieser Gott ist der Vater der Herrlichkeit. Aller Reichtum, alle Liebe und Seligkeit sind in ihm. Jesus nennt ihn Vater, weil er uns all das (die Fülle der natürlichen und übernatürlichen Gaben) schenkt.
  • Unsere ganze Person mit Verstand, Wille und Gemüt, unser Herz muss sich diesem Gott auftun, seinem Willen, seinem Reichtum, seiner Liebe und Herrlichkeit, die er uns schenken will. Paulus nennt es das Erbe.
  • Und er bittet: "Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke."[6]
  • Diese Hoffnung, dieses Erbe, diese Macht Gottes bewahrt uns vor der Gefahr dass die Welt uns vereinnahmt und wir dem herrschenden Zeitgeist verfallen.

 3. Unser Standpunkt ist der des auferweckten und erhöhten Herrn.
a.) Christus, der Gott ganz gehorsam war,

  • Hatte seinen Standpunkt in Gott. Er hat in seiner Auferweckung und Erhöhung alle Mächte und Gewalten hinter sich gelassen. Er hat seinen Standpunkt jenseits aller Systeme und Ideologien. Im irdischen Leben hat ihm das den Kopf gekostet. Aber gerade dadurch ist er zum Haupt der neuen Menschheit der Kirche, geworden. Gott hat ihn über jede Herrschaft und Macht, über jede Gewalt und Hoheit, über jeden Namen erhöht. Das bedeutet Christi Himmelfahrt.

b.) Von Christus her ist die kritische Einstellung möglich

Sie verhindert, dass wir jedem Rattenfänger nachlaufen, dass wir von jedem System vereinnahmt werden, dass wir jeder Meinung auf den Leim gehen.
  • Unser Standpunkt kann nicht sofort die Meinung der Massenmedien, der Zeitungen, des Rundfunks, des Fernsehens, der Illustrierten sein, auch nicht die einer Partei oder einer gesellschaftlichen Gruppe. Denn dort sind viele Interessen, Mächte und Meinungen am Werk. Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen. Wir müssen in ihnen sein, aber wie Sauerteig. Sauerteig aber können wir in dieser Welt und ihren Lebensbereichen nur sein, wenn wir selber wissen, wo wir stehen.
  • Unser Standpunkt ist der Standpunkt des erhöhten Herrn. Ihn hat Gott von den Toten erweckt und zum Herrn des Himmels und der Erde gemacht. So hat Gott den Standpunkt Jesu Christi als seinen Standpunkt bestätigt und ausgewiesen. Dieser Standpunkt hat Zukunft. In Christus hat Gott uns gezeigt, dass es sich lohnt, der herrschenden Meinung und dem mächtigen Zeitgeist zu widerstehen, alles zu wagen und einzusetzen, wenn es um den Standpunkt Gottes geht.

D. Christ sein wird in den kommenden Jahrzehnten schwer werden,

Es verlangt einen Standpunkt zu beziehen, der nicht der herrschende sein wird; d.h. sich von der Masse zu unterscheiden und sie doch zu lieben und ihr zu dienen. Das verlangt eine große Glaubenskraft. Sie kommt allein vom Standpunkt Jesu von seiner Auferstehung und Erhöhung.
  • Die Welt der Zukunft wird nach einer helfenden Kirche schreien. Sie braucht diese Hilfe, will sie der Selbstvernichtung entgehen, will sie mit den rasanten technischen, geistigen, wissenschaftlichen Entwicklungen innerlich fertig werden und die großen Probleme des kommenden Jahrhunderts meistern.
  • Das Heil der Menschen in 20 und 30 Jahren lastet schon auf denen die heute Kirche sind, auf uns. Wir müssen unseren Standpunkt beziehen. Unser Standpunkt ist der unseres erhöhten Herrn Jesus Christus.
  • Dieser Standpunkt macht uns kritisch. Er bewahrt uns davor, dass wir von irgendeiner Meinung oder Macht kassiert werden und so nicht mehr Sauerteig für das Ganze sein können.
  • Dieser Standpunkt befähigt uns aber auch vom Sinn der Zukunft her, der in Christus für uns erkennbar ist, an der wahren Zukunft und dem Heil der Welt und des Menschen mitzuarbeiten.
  • Ob du ein Mensch der Hoffnung und der Zukunft bist, hängt von der Beantwortung der Frage ab, die der Herr heute am Fest seiner Erhöhung an jeden von uns stellt:
Wo hast du deinen Standpunkt? Wo stehst Du geistig, seelisch und moralisch?


[1] www.aliceschwarzer.de/publikationen/aliceschwarzer-artikel-essays/emanzipiert-paedophilie/
[2] STGB §174 und 176 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, Kindern und Jugendlichen
[3] siehe Fn 2
[4] www.aliceschwarzer.de/publikationen/texte-von-alice/wie-es-geschehen-kann-22010/
[5] Eph 1,17
[6] Eph 1,18f.

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