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2009

Homilie bei der Vermählung von Michael und Rachel Turnwald am 12,12.2009 in St. Michael Neunkirchen

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Liebe, die niemals aufhört
Das Wort Liebe hat viele Facetten.

Viel gebraucht, aber auch missbraucht. Es taucht hinab in die dunklen Tiefen des Triebhaften und steigt hinauf bis in die Höhen der Mystik. Die Liebe überwindet Ozeane und Sprachbarrieren, wie an Euch beiden ablesbar.

Letztlich aber gedeiht die Liebe auf Dauer nur, wo sich Menschen begegnen, sie sich selber mit ihren Licht- und Schattenseiten, mit ihren Grenzen angenommen haben. Der auf den dreieinigen Gott getaufte Christ darf in der Zusage leben, ein durch Jesus Christus von Gott ganz angenommener und geliebter Mensch zu sein.

Erst dadurch wird möglich, wozu Paulus die Christen in Rom ermutigt: "Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes." [1] Das Ziel einer jeden Liebe, vor allem der Liebe zwischen Mann und Frau ist also die Ehre Gottes. Gemeint ist damit, durch unsere Liebe zueinander soll Gottes lichtvolles Wesen, das Liebe ist, aufleuchten. Im Evangelium sagt Jesus "Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet."[2]

In jedem von uns ist nicht nur Licht, sondern sind auch die Beziehung belastende Schatten. Manche Liebende leben in der Illusion sie könnten den geliebten Menschen ändern bis er schließlich ihren Vorstellungen entspräche. Aber wer schon einmal versucht hat einen Menschen zu ändern, der weiß um die Vergeblichkeit. Der Mensch kann sich nur selber ändern.

Was aber erweckt jene Fähigkeit, daß ich mich zum Besseren verändere? Die Liebe! Jene Liebe, die in der unbedingten Annahme des Geliebten besteht, so wie er jetzt ist, also auch mit seiner Geschichte, seiner Vergangenheit, die ihn geprägt und geformt hat, mit seinem Erbe, seinen Licht- und Schattenseiten.

Was macht Mut einander so anzunehmen? Die Liebe. Aber welche Liebe?
 

Welche Liebe hört niemals auf?

In seinem Hohen Lied der Liebe zeigt Paulus den Korinthern, was letztlich vor Gott zählt: die Liebe. Paulus schreibt in griechischer Sprache. Diese hat zwei Worte für Liebe: ἔρος und ἀγάπη.

Eros meint das natürliche zu einander Hingezogenwerden, das Aufeinander-Fliegen, hat also sehr viel mit unserer Triebhaftigkeit, unseren Hormonen, mit Sexualität zu tun. Auch diese Liebe ist Gottes Schöpfung.

Damit sie aber menschlich wird und bleibt, braucht sie jene höchste Gnadengabe Gottes, von der Paulus im 13. Kapitel seines ersten Briefes an die Korinther spricht. In der Taufe wurde uns dieses Geschenk, diese Gnadengabe zuteil: "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist." [3] Darum habe ich Euch am Beginn dieser Hochzeitsmesse mit dem geweihten Wasser an Euere Taufe erinnert.

Diese Liebe liebt den Partner um seiner selbst willen, weil er von Gott angesehen und geliebt ist, Gottes Sohn, Gottes Tochter, Gottes geliebtes Kind ist, das seine Würde und Einmaligkeit von Gott empfangen hat.

Es wichtig, daß du, Rachel, deinen Mann, und du, Michael, deine Frau so siehst: Von Ewigkeit her bist du von Gott geliebt, seit deiner Taufe wohnt Gottes Heiliger Geist in dir. Bis in Ewigkeit bist du in seiner Liebe geborgen. Diese Liebe wird nicht aufhören, auch dann nicht, wie man im Fränkischen bezeichnender Weise sagt - wenn die erste Tollheit vorbei ist, die Libidophase sich abschwächt. Weil die Liebe Gottes nie aufhört, kann der Christ es wagen durchhaltend lieben.

Auch die natürliche Liebe ist ein Geschöpf Gottes, etwas sehr Kostbares. Aber sie ist auch immer durch die Sünde, durch den Mangel an Liebe, durch den Egoismus und durch die Verselbständigung des Triebhaften gefährdet.

Der Eros, die natürliche Liebe braucht die Agape, die geistliche Liebe, um im Lot zu bleiben, um die Würde des Partners zu achten. Diese Liebe allein hat einen langen Mut, handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil.[4] Diese Liebe ist also zuerst ein Geschenk, eine Gabe Gottes. Dass ich so lieben kann, verdanke ich ihm.

 Gott dafür dankend bekommt Euere Liebe Tiefe und Weite.

Wenn ich mich Gott ganz öffne, durchglüht er mich mit seiner Liebe. Deshalb ist für Eheleute die persönliche, wie die gemeinsame Beziehung zu Gott, die wichtigste Voraussetzung für den Bestand und das Wachstum der Liebe.
Eheleute denen am Wachstum und Erhalt ihrer Liebe liegt werden einander jenen Raum der Freiheit gewähren, dass der geliebte Mensch zu sich selber kommend vor Gott sein kann.
Jeder von Euch wird auch immer wieder seinen Partner betend und meditierend vor Gott und vor Jesus bringen, um von der bedingungslosen Liebe Gottes berührt seinem Ehepartner zu begegnen.
Ohne die »Revision de Vie«, ohne Umkehr gibt es keinen Fortschritt in der Liebe. Ihr habt jetzt vor Euerer Hochzeit im vom auferstandenen Herrn geschenkten Sakrament der Versöhnung in der Beichte Euch von eueren Sünden reinigen und befreien lassen. Diese Befreiung macht neue Energien der Liebe frei.
Es ist gut Euch auch in Zukunft gegenseitig dazu zu ermutigen. Wir alle leben vom Erbarmen Gottes. Dieses wird, wie Jesus verheißt, jedem zuteil, der selber Erbarmen schenkt. Freilich um dahin zu kommen, müssen wir selber

In Gott und bei Jesus Ruhe finden

Das meint Augustinus der große Sucher nach der göttlichen Wahrheit und Liebe, wenn er in seiner Autobiografie seinen Confessiones schreibt: „Gott, du hast uns auf dich hin geschaffen und unruhig ist unser Herz bis es ruht in dir.“
In diese Richtung geht auch jenes geflügelte Wort: „Das große Glück in der Liebe besteht darin, Ruhe in einem anderen Herzen zu finden.“
Aber sind wir dazu fähig, dem Geliebten, der Geliebten Ruhe in unserem Herzen zu schenken? Das geht nur, wenn wir in uns selber ruhen. In mir selber ruhen kann ich nur, wenn ich im Ursprung und Ziel meines Lebens in Gott ruhe. Darum singt der Beter des Psalms 62: „Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe von ihm kommt mir Hilfe.“[5]
Damit der Weg zu Gott dem Geheimnis unseres Daseins leichter fällt, hat uns Gott in Jesus sein menschliches Antlitz, sein wahres Wesen, sein Herz gezeigt.
Darum lädt Jesus uns unruhige oft wankelmütige Menschen ein, von ihm zu lernen, gütig und sanft zu werden; denn »so werden wir Ruhe finden für unsere Seele«.[6]
Darum wird jeder von euch die Freundschaft mit Jesus, die Beziehung zu ihm pflegen, um wie er demütig d.h. dem Glück des Partners sanftmütig zu dienen.
Aus dem Beispiel der Liebe Jesu lebend, gewinnt unsere Liebe einen langen Mut, tritt sie dem Partner, der Partnerin in bescheidener Güte gegenüber, meidet sie jede Art selbstgefälliger Angeberei. Jesus will durch die Freundschaft und das Gehen mit ihm unsere kleine schwache Liebe tragfähig und ausdauernd machen.
Von der Liebe Jesu geprägt vermeidet der liebende Mensch alles, was den anderen kränkt, in seiner Würde verletzt, hütet er seine Worte, bittet er um Verzeihung, wenn er verletzt hat.
In jeder heilige Messe wird die Lebenshingabe Jesu, seine bis zum äußersten gehende Liebe gegenwärtig, auch jetzt in dieser Stunde, da ihr vor Gott und seiner Kirche ganz ja zu einander sagt. Im lebendigen Kontakt mit Jesus in unserer Personmitte Ruhe findend werden wir fähig dem geliebten Menschen wenigstens ein bisschen Ruhe Geborgenheit und Sicherheit zu schenken.
Geborgenheit aber kann nur entstehen,

Wo Verlässlichkeit und Treue gegeben sind.

Treue ist mehr, als keinen Seitensprung machen. Treue zeigt sich im füreinander Lebendigsein.
Treue heißt, die Beziehung pflegen, sich auf den geliebten Menschen zubewegen, ihm gut sein, ihn behüten, ihm Gutes zutrauen. Wenn Gott von Anfang an der Verbundenheit von Frau und Mann das Wort redet, dann um den Blick hinzulenken auf das, was euch beide verbindet, was der tragende Grund ihres Lebens ist: der lebendige schöpferisch liebende Gott.
Dag Hammarskjöld von 1953 - 1961 Generalsekretär der UNO kam bei einem Flugzeugabsturz in Afrika im September 1961 ums Leben. In seinem geistlichen Tagebuch "Zeichen am Weg" gibt er uns den Rat "wage das Ja und du erlebst Sinn. Wiederhole das Ja, und alles bekommt Sinn; wenn alles Sinn hat, wie kannst du anders leben, als ein Ja."
Treue ist eine wichtige Tugend im Christentum. Jesus fordert immer wieder zu ihr auf.
Jesus selbst lebt die Treue zu seiner Sendung bis zum Tod am Kreuz. Ohne Treue gibt es kein sinnvolles Leben: Weder als Mensch noch als Christ, weder in der Ehe noch im Priestertum, im Ordensleben noch im Beruf. Jeden Tag muss das "Ja" neu gesprochen werden.[7]
Das ist nicht immer leicht. Wir werden durch vielerlei und vieles darin verunsichert und davon abgehalten. Die Medien sprechen nur vom Scheitern der Ehen nicht vom Gelingen. Wir müssen uns, wie Papst Benedikt am 8.Dez. an der Mariensäule in Rom sagte „nein sagen zur Verschmutzung des Geistes.“[8]
Nur wer das "Ja wagt" in der alltäglichen Treue, der erlebt Sinn. Nur wer dass Ja immer wieder erneuert, für den bekommt alles Sinn ein Leben lang.
Was aber wenn Verlustängste uns befallen? Wir wissen, unsere Jugend, unser Erwachsensein und unsere Lebenszeit dauert nur eine begrenzte Zeit. Die Angst vor dem Verlust des Partners sitzt auf dem Grund der Seele. Wir sehnen uns nach dem Du das bleibt.

Ein Du, das bleibt?

Der berühmte jüdische Religionsphilosoph Martin Buber fragt deshalb: „Gibt es ein Du, das mir bleibt? Kann ich ihm begegnen? Man findet Gott nicht, wenn man in der Welt bleibt, man findet Gott nicht, wenn man aus der Welt geht.“[9]
Unsere menschliche Existenz ist ausgespannt zwischen Gott und Welt, Diesseits und Jenseits, zwischen Erde und Himmel. Das hängt mit dem »doppelten Ursprung des Menschen« zusammen.[10]
Realistisch Liebende werden daher auf das ewige Du ihr Leben und ihre Liebesbeziehung gründen. Hat jeder von euch im göttlichen ewigen Du seinen inneren Ansprechpartner werdet ihr die Angst besiegen einander zu verlieren. In ihm seid und bleibt ihr immer und überall miteinander verbunden.
Dennoch ist und bleibt der geliebte Mensch als eigenständige Person ein Geheimnis, das letztlich nur Gott ganz kennt. Daher kann und darf keiner von euch Besitz des anderen sein. Ihr gehört einander an, aber jeder von euch und ihr beide zusammen gehört nur einem, dem Urgrund allen Seins, Gott, der sich als der Gegenwärtige, der Ich-Bin-Da geoffenbart hat.
Martin Buber meint:
„Wenn du das Leben der Dinge und der Bedingtheit ergründest, kommst du an das Unauflösbare; wenn du das Leben der Dinge und der Bedingtheit bestreitest, gerätst du vor das Nichts; wenn du das Leben heiligst, begegnest du dem lebendigen Gott.“
Euere Bedingtheit zeigt sich so: Jeder von euch hat seinen eigenen menschlichen Ursprung, ist geprägt durch Erziehung, durch Einflüsse seiner Mitwelt. Jeder ist aber auch ein einmaliges aus der Liebe Gottes und euerer Eltern hervorgegangenes Geschöpf.
Eines jeden Menschen Würde besteht darin, Du sagen zu dürfen zu Gott seinem Schöpfer und Erlöser und zu dem geliebten Menschen.
Und jeder von euch heiligt sein Leben, wenn er den Namen Gottes lebt: Ich bin für dich da, Du geliebter Mensch. Ich bin für dich da, Du, mein Gott.
  Diesem ewigen bleibenden Du, das in Jesus ein menschliches Antlitz hat, dürft ihr in der Mitte euerer Person gehören. Das befreit dich von der Täuschung, der geliebte Mensch mit seinen Grenzen und Defiziten könnte dein Alles sein.
Dieses dem ewigen Du Gehören befähigt, Euch in euren Grenzen gegenseitig anzunehmen und miteinander euch auf den Weg zu machen, um in und durch die Liebe Gottes in der Liebe zu wachsen und immer vollkommener zu werden.  

Schlussvotum:

Ihr sehnt euch nach Sicherheit und Beständigkeit im Auf und Ab des Lebens und euerer Ehe? Haltet dran fest, »die im ewigen Du Gottes gründende Liebe hört nie auf«.
Solche Liebe auf dem Weg könnte sich dann so ausdrücken: „Gott sei Dank, dass du da bist.“ Und die Antwort könnte heißen: „Gott segne dich!“

 

[1] Röm 15,7
[2] Joh 15,9
[3] Röm 5,5
[4] 1 Kor 13,4f.
[5] Ps 62,2
[6] Mt 11,29
[7] Erzbischof Schick
[8] Radio Vatikan 8.12.2009
[9] Aus: "Martin Buber im Gespräch mit Gott und den Menschen", hg. Eleonore Beck und Gabriele Miller (St. Benno Verlag, 2003).
[10] Karlfried Graf Dürckheim, Vom doppelten Ursprung des Menschen  - Zwischen Wesen und Welt,  HTB 480