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Lesejahr A 2013/14 bis 2014/11

Predigt - Homilie in Rödlas »Regina Pacis« 3. verbesserte Auflage

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Die Würde unseres Leibes [1]

Auf dem Höhepunkt des Sommers, am 15. August, feiert die Kirche das Fest der Aufnahme Marias, der Mutter Jesu, in den Himmel. Als Papst Pius XII. am ersten November 1950 diese alte Glaubensüberzeugung als offizielle Glaubenswahrheit verkündete, waren damals viele -besonders evangelische Christen - schockiert. Wie kann der Papst etwas verkünden, wovon nichts in der Bibel steht? Steht wirklich nichts drin?

Der Schweizer Psychologe C. G. Jung, Sohn eines evangelischen Pfarrers, hat dagegen diese amtliche Verkündigung für "das wichtigste religiöse Ereignis seit der Reformation"[2] gehalten. Man sollte es nicht historisch, sondern psychologisch deuten. Denn in dieser Glaubensüberzeugung würden archetypische Bilder in der Tiefe unserer Seele angesprochen. Da werde die Frau in den Bereich des Göttlichen erhoben, und der Leib erhalte eine göttliche Würde.

Aber genügt es nicht, wenn wir Christi Himmelfahrt feiern? Unser Leib wird ja »in Christus« in den Himmel erhoben. Jesus ist Gott und Mensch.

Maria ist ein Mensch wie wir. Sie steht aber für uns, für uns irdische sterbliche Menschen. Sie ist "Typos" des durch Jesus Christus erlösten Menschen. In ihr feiern wir, was für uns alle gilt. Maria ist als Frau Bild für den ganzen Kosmos. Die ganze Schöpfung ist durch Christus geheiligt worden. Sie wird von Gottes Herrlichkeit durchstrahlt wie der Leib Marias.

1 Marienfeste sind optimistische Feste.

In ihnen begeben wir uns in das Geheimnis unserer Erlösung hinein. Am 15. August drücken wir auf festliche Weise unseren Glauben aus, wir werden  im Tod nicht ins Bodenlose fallen, sondern in die mütterlichen Arme Gottes hinein sterben. Der ganze Mensch als konkrete Person mit Seele und Leib ist für den Himmel bestimmt.

Natürlich wird der hinfällige Leib verwesen. Aber unsere Person, die sich in diesem Leib ausdrückt, wird aufgenommen in die Herrlichkeit Gottes. „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich... Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib.“[3]

Alle unsere Gefühle drücken sich im Leib aus. Unsere Liebe geht über den Leib. Wir können mit anderen Menschen nur über den Leib in Beziehung treten. Wenn wir sie lieben, berühren wir sie zärtlich.

Die Worte, die wir sprechen und hören, ertönen nur durch den Leib, durch Mund und Ohr.

Um einen Menschen zu erkennen, sehen wir ihm ins Gesicht. In seinen Mienen können wir ablesen, wie es ihm geht.

Vereinen sich Mann und Frau so geschieht es durch den Leib. Lassen sie es zu, wird Gott durch Ihre Vereinigung einen neuen Menschen schaffen. Durch den Anhauch Gottes wird ihm die unsterbliche Seele geschenkt, die sein leibliches Leben formt und führt.

»Die Einheit von Seele und Leib ist so tief, dass man die Seele als die ,,Form" des Leibes zu betrachten hat, das heißt die Geistseele bewirkt, dass der aus Materie gebildete Leib ein lebendiger menschlicher Leib ist.«[4] Der Mensch ist mit Leib und Seele Bild Gottes.

Am »Fest der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmeln« feiern wir

2 Die Würde unseres Leibes

In unserem Leib, der in die Gestalt des verherrlichten Leibes Christi verwandelt wird,[5] will jetzt schon Gottes Herrlichkeit aufleuchten. Wir sind Gott so teuer, dass er zu der Erlösung unseres Leibes sein Kostbarstes für uns eingesetzt, seinen Sohn. Darum ruft Paulus den Korinthern zu „Verherrlicht Gott in eurem Leib.“[6]

2.1 Unser Leib ist Ort der Gotteserfahrung und Gottesbegegnung.

Wir nehmen Gott mit unseren Sinnen wahr, indem wir seine Herrlichkeit in der Schöpfung schauend und im Wort des Lebens hörend wahrnehmen.

Im Aufsteigen des Weihrauchdufts nehmen wir riechend wahr, unsere Gebete steigen zu Gott auf und ihn anbetend werden wir für ihn zum Wohlgeruch.

Im verwandelten Brot der Eucharistie es kauend oder auf der Zunge zergehen lassend, erfahren wir leibhaftig durch den Glauben geführt, wie er sich mit unseren Fleisch und Blut vereint und uns zu lebendige Gliedern seines mystischen Leibes macht.

2.2. Wir dürfen Gottes Liebe über unseren Leib erfahren

 indem wir uns von ihm in seiner Schöpfung berühren und umarmen lassen, indem wir im Brot und Wein der Eucharistie den Leib und das Blut Christi in uns aufnehmen.

Leib und Blut Christi sind die fleischgewordene Liebe Gottes, die unseren Leib und unser ganzes Sein durchdringen möchte.

2.3 Das Fest Maria Himmelfahrt möchte uns befreien von aller Leibfeindlichkeit.

Tilmann Riemenschneider hat das verstanden, als er in Creglingen anstelle der Monstranz mit dem Leib Christi die Aufnahme Mariens in den Himmel darstellt.

Engel tragen den verwandelten Leib Mariens empor. Das ist eine mutige Theologie. Der Leib der auf Jesus Christus Getauften ist Monstranz, die Jesu Leib in sich trägt und Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. 

3  Maria ist ein Bild der erlösten Schöpfung.

3.1 Ihr Leib repräsentiert die Schöpfung

Sie drückt sich aus im Geboren-werden und Sterben. Jetzt auf dem Höhepunkt des Sommers steht sie in voller Blüte und Frucht.

Es ist ein alter Brauch, daß die Gläubigen am Fest Maria Himmelfahrt Heilkräuter sammeln und sie zu kunstvollen Kräuterbüscheln binden.

Unser Missionskreis hat viel Zeit dafür aufgewendet, Kräuter zu sammeln und zu binden, damit möglichst viele heute an diesem alten Brauch teilhaben können. Mission heißt ja, in aller Welt verkünden, Gott hat in Jesus Christus den ganzen Menschen erlöst und zur ewigen Herrlichkeit berufen.

3.2 Es liegt eine große Weisheit in diesem Brauch.

Zum einen ist es ein heilsames Ritual, dass Väter oder Mütter mit ihren Kindern in die Natur gehen und ihnen erklären, welche Heilkräuter Gott dort für uns bereit hält.

Dieses Ritual erinnert uns daran, Gott tut uns durch seine Schöpfung gut und spendet uns durch sie Leben. Durch sie und unseren Dienst an ihr nährt er unser leibliches Leben. Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen.

Der Kosmos birgt heilende Kräfte in sich. Gott hat unserem Leib eine große Aufmerksamkeit und Würde geschenkt. Er sorgt für uns, indem gegen jede Krankheit auch ein Kraut wächst, das diese Krankheit zu heilen oder zu lindern vermag. Helfen sie nicht mehr, wird er unser einziger Helfer, der uns durch den Tod hindurch rettet.

3.3 Die Christen bringen die Kräuterbüschel in die Kirche

und lassen sie in diesem festlichen Gottesdienst weihen. Dann nehmen sie diese mit nach Hause und hängen sie in ihren Häusern unter das Kreuz oder legen sie auf die Gräber ihrer Angehörigen.

Sie weisen uns darauf hin, der Tod hat keine Macht mehr über uns, Gottes heilende und verwandelnde Kraft ist stärker als der Tod.

In der Mitte des Sommers verweist uns das Fest Maria Himmelfahrt auf die Schönheit der Schöpfung, die Seele und Leib erfreut. In der Lesung wird

Kopie der Stuppacher Madonna von M.Grünewald in St. Johannes Großembuch
Kopie der Stuppacher Madonna von M.Grünewald in St. Johannes Großembuch
4 Maria selbst mit kosmischen Bildern geschmückt


 "Ein großes Zeichen erschien am Himmel - eine Frau, mit der Sonne umkleidet, zu ihren Füßen der Mond, auf ihrem Haupte ein Kranz von zwölf Sternen"[7]. Das ist von der Kirche und von Maria gesagt.

4.1 Die Sonne ist ein Bild für den auferstandenen Christus

In der Auferstehung ist Christus für uns als Sonne aufgegangen, die alle Finsternis besiegt. Maria und die Kirche sind  mit der Sonne umkleidet. Sie stehen im Licht Christi, im Licht seiner Auferstehung. So wie sie werden auch wir im Tod eingetaucht werden in das Licht des Auferstandenen.

4.2 Der Mond gilt in vielen Mythen als die Geliebte der Sonne.

Die Frau hat eine enge Verbindung mit dem Mond. Der Mond verweist auf Fruchtbarkeit, aber auch auf Werden und Vergehen. Maria, mit der Sonne umkleidet und auf dem Mond stehend, läßt an die Hochzeit zwischen Gott und Mensch, zwischen Christus und der Kirche, zwischen Mann und Frau denken.

4.3 Der Kranz der zwölf Sterne verweist auf die zwölf Sternbilder

 die alle Eigenschaften der Menschen symbolisieren. Sterne sind zugleich Bilder der Sehnsucht nach dem Ewigen.

Diese Sehnsucht hat Gott uns Menschen in die Seele und in den Leib geschrieben. Augustinus hat dies gespürt. In seinen Confessiones schreibt er „Gott du hast uns auf dich hin geschaffen und unruhig ist unser Herz bis es ruht in dir.“[8]

4.4 In der Herrlichkeit Gottes werden Sonne und Mond eins

Gott hat es durch das Ja Mariens zu seinem Heilsplan möglich gemacht: Der Mensch wird durch Jesus eins mit Gott. Im Himmel werden unser Leib und unsere Seele Gottes Herrlichkeit vollkommen widerspiegeln.

Alles wird eins sein: Leib und Seele, Gott und Mensch, Mann und Frau, Groß und Klein, Himmel und Erde, Schöpfer und Schöpfung. Wir nehmen an diesem Fest voraus, worauf wir alle hoffen: auf die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.


[1] Anselm Grün, die Würde unseres Leibes  in: Christ in der Gegenwart  52(2000) 13.8.2000 Nr. 33 S.265 f.

[2] In: Jürgen Kuhlmann, http://www.stereo-denken.de/sophia-lied.htm

[3] 1 Kor 15,42.44

[4] Katechismus der Kathoischen Kirche 365

[5] Phil 3,21

[6] 1 Kor 6,20

[7] Offb 12,1

[8] Augustinus, Confessiones, Buch 1.1