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Lesejahr 2013 (C)

Homilie zu den Texten des 5. Ostersonntags in St. Michael Neunkirchen

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Leidend und liebend der Zukunft Gottes entgegen
• Die Lesungen und das Evangelium des heutigen 5. Ostersonntags wollen uns für zwei wichtige christliche Grundhaltungen gewinnen: für die Liebes- und Leidensbereitschaft.
Die Bereitschaft zu lieben, die können wir ohne weiteres bejahen; denn wir möchten ja selber auch geliebt werden. Aber die Bereitschaft zu leiden, schmeckt uns überhaupt nicht. Denn unter uns wird kaum jemand so masochistisch sein, dass es ihm Lust bereitet, wenn ihm Schmerzen zugefügt werden.
Ich kann mir schlecht vorstellen, daß Paulus und Barnabas, zwei gestandene Männer, sich nach Leiden und Schmerzen sehnten. Sie sprechen vielmehr neu entstandenen Christengemeinden Mut zu und ermahnen sie treu am Glauben festzuhalten.
 1 Die Leidensbereitschaft
  • Freilich, wer Gott in sich regieren lässt, ja sagt zu seinem Reich, dem wird es wie Jesus gehen. An ihm erfüllte sich die Weissagung des greisen Simeon: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ Deshalb verkünden die in Nachfolge Jesu stehenden Paulus und Barnabas - und sie haben das am eigenen Leib erfahren - „Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen.“ Wer mit Jesus auf der Seite Gottes steht, der wird sich auf Widerstände, auf Verfolgung und ja sogar auf den Tod gefasst machen müssen.
    • Die Zukunft, die Gott schenkt, werden wir nur erreichen, wenn wir leidensbereit und leidesfähig sind. Christen sind keine Leidgenießer, aber sie rechnen mit Drangsal und Verfolgung.
     • Wahre Zukunft, von Gott geschenkte Zukunft wird nur dort wachsen, wo Menschen aufhören vor dem Schweren und Schwierigen im Leben zu fliehen; wo sie bereit sind, um der Wahrheit und des Guten willen Strapazen auf sich zu nehmen, notfalls dafür zu leiden und ihr Leben einzusetzen.
     • Um die Diktatur der Nazis mit ihrer menschenverachtenden Rassenpolitik niederzuringen, waren viele Opfer nötig. Wie würden unsere Väter und Mütter vor der Welt dastehen, hätte es in unserem Volk nicht tapfere Männer und Frauen geben, die diesem Unrechtssystem widerstanden und es mit ihrem Leben bezahlten.
     • Der Jesuitenpater Alfred Delp, der von den Nazis gehängt wurde, hat kurz vor seinem Tod geschrieben: „Das Opfer meines Lebens hat einen Sinn, wenn daraus eine bessere menschenwürdige Zukunft wächst.“
  • In der Offenbarung des Johannes wird von Jesus Christus und denen gesagt, die den Anführer des Bösen in der Welt besiegen: „Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und ihr Zeugnis. Sie hielten ihr Leben nicht fest bis hinein in den Tod.“ [1] Der ganze Himmel wird aufgefordert darüber zu jubeln.
     Das Reich Gottes, und damit die von Gott geschenkte Zukunft, braucht nicht nur die Leidensbereitschaft, sondern auch
 2 Die Liebesbereitschaft
Damit ist nicht irgendeine Liebe gemeint, sondern so zu lieben, wie Jesus geliebt hat. Und diese Liebe ging bis zum Äußersten, bis zum Sklavendienst und unschuldigen Verbrechertod. Gehängt wie ein Verbrecher, weil er für die Wahrheit Gottes, für Gott , wie er wirklich ist, für den Gott des Erbarmens und der Liebe Zeugnis ablegte.
    • Überall wo Menschen es wagen, so zu lieben wie Jesus, wo sie aus seiner Botschaft und Hingabe leben, leuchtet Gottes Reich, die Zukunft auf, die er schenkt. Wo mit Druck und Einschüchterung gearbeitet wird, ob in der Welt oder in der Kirche, wird diese Liebe verraten.
    • Wenn Mann und Frau für einander und für ihre Kinder da sind, wenn Vorgesetzte für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Seelsorger und Hauptamtliche in der Kirche für die Menschen ihrer Gemeinden da sind, dann leben sie den Namen Gottes - Jahwe. Dieser Name bedeutet: Ich bin der Ich-Bin-Da!
Wo Menschen für andere da sind, bezeugen sie den Namen Gottes, machen sie etwas von ihm und seinem Reich erfahrbar. Glücklich der Mann, dessen Frau für ihn da ist. Glücklich die Frau, deren Mann für sie da ist. Glücklich die Kinder, deren Eltern für sie da sind.
Glücklich die Mitarbeiter, deren Chef für sie da ist.  Glücklich die Pfarrgemeinde, deren Seelsorger und Seelsorgerinnen für die Gemeindeglieder da sind,  ein offenes Ohr und ein mitfühlendes Herz für sie haben, einen verstehenden Geist und die Bereitschaft zu helfen.
Um unsere Liebes- und Leidensbereitschaft zu fördern, lenkt die Lesung aus der Offenbarung des Johannes[2] unseren Blick auf
 
Grabstein am neuen Freidhof - Das Neue Jerusalem
Grabstein am neuen Friedhof - Das Neue Jerusalem
3 Das neue Jerusalem

    • Die Bereitschaft zu leiden und zu lieben kann zwar geschichtliche Zusammenbrüche nicht verhindern, aber sie ermöglicht einen Ausblick in eine neue Zukunft, auf das neue Jerusalem.  Der Seher der Apokalypse, dem letzten Buch des NT, das immer das große Trostbuch der verfolgten Christen war, eröffnet uns diesen Ausblick.
    • Während das Lamm, also Christus der getötete und auferstandene Herr, die Siegel der Geschichte aufbricht, darf Johannes einen Blick in Zeit und Ewigkeit tun. Erst glaubt er sich verloren inmitten der Schreckensvisionen, dann aber trifft ihn der große Lichtblick. Wie ein großes Aufatmen, ja wie ein Jubel klingt, was er schauend verkündet:
„Ich, Johannes, sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; .... Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her  aus dem Himmel herabkommen…“
    • Die alte Schöpfung ist vergangen. Sie wurde verwandelt, um der Ort für das neue Jerusalem, das Zelt Gottes unter den Menschen zu sein. So ist es auch mit unserer Heilig-Grabkapelle, deren Weihefest wir am übernächsten Sonntag begehen. Ihr Name spricht vom Grab, wie wir auch in Jerusalem den Ort von Jesus Begräbnis Grabeskirche nennen.
Aber die Grabeskirche in Jerusalem heißt im Griechischen ANASTASIS der Ort der Auferweckung Jesu, wo die Vergänglichkeit in  Herrlichkeit, die Zeit in Ewigkeit, der Tod in ewiges Leben verwandelt wird. Für unsere irdischen Augen ist nur das Grab sichtbar, für die Augen des Glaubens aber blüht darin die Auferstehung und das ewiges Leben.
4 Mit dem Seher der Offenbarung sollen sehend werden für das Neue
    • Er sieht, dass alle Schrecken, die über die Erde hinwegfegen, nicht das Letzte sind. Gott lässt sich seine Schöpfung nicht endgültig zerstören. Er betreibt vielmehr die Enthüllung des inneren Unsinns gottloser Lebens- und Weltentwürfe. Er führt uns vor Augen - und das 20. Jahrhundert hat es uns drastisch vor Augen geführt - wie der menschliche Versuch den Himmel auf Erden für alle oder für eine bestimmte Rasse zu errichten, die Hölle hervorgebracht hat.
    • Das Hauptthema ist: wenn der Traum “sein zu wollen wie Gott“ als größte Dummheit entlarvt ist, wird Gott die Welt in eine neue verwandeln. “Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein, und er, Gott, wird mit ihnen sein.“ 
• Die Vision vom neuen Jerusalem meint: Vollendet, sicher, friedvoll und für immer in der Liebe Gottes geborgen. Das Neue kommt nicht von unten, von der Erde, aus dem Stofflichen, sondern vom Himmel, von Gott her, steigt es herab und verwandelt alles in Schönheit und Liebe.
•Es kommt wie eine Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat. Tränen, Trauer, Mühsal und der Tod wird nicht mehr sein. Dieses Neue ist keimhaft schon mitten unter uns, wenn Menschen liebens- und leidensbereit ihr irdisches vergängliches Leben führen.
5 Wir durften dieses Neue sogar schon erleben
   • Entscheidend für den Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und der totalen Kapitulation war, dass die führenden Politiker Westeuropas erkannten: Rache, Sühne und Strafe dürfen nicht das letzte Wort sein. Nach 1945 waren in Westeuropa Staatsmänner am Werk, die sich von einer tiefen geistig-moralischen und christlichen Antriebskraft bewegen ließen. Für Versöhnung und Beistand setzten sie sich ein.
  •  Robert Schuman in Frankreich, De Gasperi in Italien und Konrad Adenauer in der Bundesrepublik Deutschland waren überzeugte Katholische Christen. Sie sind die Väter des neuen Europa. So konnten sich aus Erzfeindschaften Freundschaften entwickeln. Schade, dass die heutigen Europäer es nicht schaffen, diese geistigen und moralischen Wurzeln der angestrebten Einheit Europas in die Verfassung zu schreiben. Gott kommt in ihr nicht vor. Das ist kein guter Start in ein größeres Europa.
   • Der christliche Glaube verheißt uns, dass Gott Neues schaffen kann und wird. Die Auferweckung Jesu ist das Zeichen, das Gott uns gegeben hat. In der Taufe hat dieses Neue in uns angefangen. Es lohnt sich für diese kommende Welt Gottes, auch auf dieser Erde, zu leiden und zu lieben.
   • Manchmal sind wir versucht zu sagen: Was habe ich davon, wenn ich es nicht erlebe. Wer mit Gott lebt, leidet und liebt, dessen Zukunft wird Gott sein. Und Gott ist Liebe, Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit, Leben und Beziehung in Fülle. Durch ihn wird aus der Grabeskirche die Auferstehungskirche.
Darum dürfen wir leidend und lieben der Zukunft entgegen gehen, die Gott schenkt.

[1] Offb 11,18
[2] Offb 21,1-5a