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Lesejahr 2013 (C)

Homilie zu Joh 20,19-31 in der Sonntagabendmesse in St. Michael Neunkirchen

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Nicht sehen und doch glauben - den Auferstandenen berühren

1 Die Macht der Bilder
  • Gute Bilder rühren unsere Seele an. Seht nur die Figur des Auferstanden auf dem Seitenaltar aus dem beginnenden 15. Jahrhundert. Seht die Schönheit des von der Herrlichkeit des neuen Lebens erfüllten Auferstehungsleibes.
  • Doch alle Bilder können nur einen Augenblick aus dem Leben der dargestellten Person zeigen. Das Bild des Auferstandenen aus vergänglichem Material ist nur ein schwacher Schimmer der unvergänglichen ewigen Wirklichkeit Jesu Christi.
  • Bilder von Menschen können uns auf einen bestimmten Augenblick des Dargestellten - wie der Künstler ihn sah - festlegen. Das Ganze eines Lebens können sie uns nicht vermitteln. Der Auferstandene fordert Thomas auf seine Wunden zu berühren. Doch anschließend preist er
2 Alle „selig, die nicht sehen und doch glauben.“
Mit diesem Wort sind wir an dem Punkt, an dem es um das Ganze unseres Glaubens geht: nämlich um ein
2.1 Sehvermögen der besonderen Art
  • Gehen wir diesem Sehvermögen der besonderen Art ein wenig nach. Nirgendwo wird die Herkunft unseres christlichen Glaubens aus dem Judentum so deutlich wie im Bilderverbot. ”Du sollst dir kein Bildnis machen.”[1] Jedes Kultbild kann zum Götzendienst verführen. Das ist die Erfahrung Israels. Denn unfassbar und unbegreifbar ist das Geheimnis, das Ursprung und Ziel allen Seins ist: Jahwe, unser Gott. Durch Mose warnt er: „Kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.“ [2]
  • Deshalb geschieht die Verkündigung allein durch das Wort, wird die Abbildung des Göttlichen untersagt. Das gilt im Judentum und im Islam. Auch für uns Christen gilt, was im 1. Kapitel des Johannesevangeliums gesagt wird ”Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“[3] Allein im Mensch gewordenen Sohn Gottes wird Gott sichtbar.
  • Selbst der in einer Vision den verherrlichten Christus schauende Johannes fällt wie tot vor den Füßen des Geschauten zu Boden, so überwältigt ist er von dessen Herrlichkeit.[4] Dieser aber legt seine rechte Hand auf ihn und sagt zu Johannes: „Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.“[5]
2.2 Der Osterglauben ein Sehvermögen der besonderen Art.
  • Tief verwurzelt im Glauben des jüdischen Volkes und des Alten Testamentes will die Erzählung vom fragenden und zweifelnden Thomas klarstellen ”Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.”[6] Dieser Glaube verzichtet darauf, sich Bilder von Gott und der Auferweckung Jesu zu machen; er verzichtet darauf handfeste Beweise fotografierbarer Art vorzeigen zu können.
  • Der Osterglaube bezieht sich auf den unsichtbaren Gott, den unsichtbaren Sohn Gottes, den unsichtbaren Heiligen Geist. Aber Gott ist in Jesus Mensch geworden. Und auch als Mensch ist er auferstanden. So konnte sich der auferstandene Christus den auserwählten Zeugen in menschlicher Gestalt zeigen und mit ihnen essen und trinken. Der Auferstandene zeigt sich in sichtbarer leiblicher Gestalt, wem er will.
Damit sind wir mitten drin sind in dem, was wir heute in dieser Eucharistie feiern:
2.3 Gelebter Glauben, der nicht sieht.
  • Wären wir denn sonst hier? Ohne gelebten Glauben, der das Leben, den Beruf, unsere Beziehungen, uns mit Leib und Seele durchwirken kann? Denn Gottes Unsichtbarkeit und die Unsichtbarkeit des bei ihm verherrlichten Christus ist gerade der Schatz der Glaubenden.
  • Mit ihm ist jenes alles tragende und vollendende Geheimnis gemeint, für das diese Welt, ja der ganze Kosmos einfach zu klein sind.
  • Gott und der von ihm auferweckte Christus sind unbegreiflich anders da, und werden nur von jenen ”mit dem inneren Auge gesehen,” die glaubend sich auf seine Treue und auf das Zeugnis derer verlassen, die  Auferstandenen geschaut haben und dafür gestorben sind
Unser Glaube bezieht sich auf eine Wirklichkeit, die wir nicht sehen und die doch sehr viel wirklicher ist als alles, was wir sehen können.
3 In den drei österlichen Sakramenten zeigt sich uns der Auferstandene
Im Sakrament der Taufe, der Sündenvergebung und der Eucharistie ist Gott durch den Auferstandenen rettend, heilend und verwandelnd bei uns. Heute wird uns als Ostergeschenk die Barmherzigkeit Gottes verkündet und gewährt. „Welchen ihr die Sünden nachlasst, denen sind sie (bei Gott) nachgelassen.“ Das alles geschieht
3.1 Zwischen Christus und Thomas
In der Freiburger Münsterkirche ist dies eindrucksvoll architektonisch dargestellt:
  • Auf den beiden ersten einander gegenüberstehenden Säulen ist auf der einen Seite Christus und auf der anderen Seite Thomas dargestellt. In ihrem Spannungsbogen, in ihrem fragenden und zugewandten Zueinander, steht der Altar, auf dem die Eucharistie gefeiert wird.
  • Es könnte dort auch das Taufbecken stehen oder ein Mensch knien, der von seinen Sünden losgesprochen wird. In allen drei Sakramenten geschieht ja aus allem fragenden Unterwegssein unsere Begegnung mit Christus Jesus, dem Auferstandenen und bei Vater Erhöhten.
  • ER schenkt sich den in seinem Namen Versammelten im Empfang der Taufe, im Sakrament der Sündenvergebung und in der großen Danksagung der Eucharistie mit der ganzen Fülle seines auferstandenen Lebens.
  • Denn der Auferstandene ist es, der tauft, von den Sünden losspricht, der Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut verwandelt und so sein uns erlösendes Opfer unblutiger weise auf dem Altar gegenwärtig setzt, damit wir uns mit ihm dem Vater darbringen.
  • Er speist mit dem Brot des ewigen Lebens, das sein geopferter und auferstandener Leib ist, Er selber als Person. Er tut dies durch den Dienst der dafür geweihten Bischöfe und Priester in der Kraft des Heiligen Geistes.
  • Wenn wir also Eucharistie feiern, ist der auferstandene Christus aber auch Thomas bei uns. Weniger als der Zweifler, als viel mehr einer, der etwas erfahren möchte.
  • Er begnügt sich nicht damit, nur zu glauben, was andere ihm erzählen. Er möchte selbst sehen, ertasten, berühren. Nur dann ist er bereit zu glauben. Johannes lädt uns ein, in die Schule des Thomas zu gehen und wie er den Glauben an die Auferstehung zu lernen. Unser Glaube braucht auch die Erfahrung.
  • Thomas stellt eine Bedingung für seinen Glauben, die uns zunächst eigenartig berührt. Warum legt er soviel Wert auf die Wunden Jesu, auf die Male der Nägel an seinen Händen und auf die offene Seite Jesu?
  • Kann er nur dann an die Auferstehung glauben, wenn er die Wunden Jesu berührt? Braucht er den Beweis für die Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten, weil es für ihn so unwahrscheinlich ist, dass der unter solchen Qualen gestorbene Jesus je wieder leben wird?
  • Offensichtlich hat ihn dieser ganz und gar unerwartete und qualvolle Kreuzestod Jesu so in seinem Glauben an den Messias verunsichert, dass er eines greifbaren Beweises bedarf, um an die Auferstehung glauben zu können. Deshalb möchte er
3.2  Christus berühren
  • Die Christen kommen am Ende des 1. Jahrhunderts, als Johannes sein Evangelium schreibt, oft bei verschlossenen Türen zusammen. Denn sie haben Angst vor den Nachstellungen der römischen Staatsmacht. Aber die verschlossenen Türen weisen auch hin auf die, die immer noch in Angst leben, die auch die Begegnung mit dem Auferstandenen am Osterabend noch nicht zu einem vertrauenden Glauben befreit hat.
  • Mit dem Gruß „Der Friede sei mit euch!“ tritt Jesus in die Mitte der Jünger, wie er es jeden Sonntag tut, wenn wir Christen uns zum Brotbrechen versammeln und uns um den Auferstandenen scharen. Johannes will uns an Thomas zeigen, wie wir, die wir Sonntag für Sonntag Eucharistie feiern, den Glauben an die Gegenwart des Auferstandenen lernen können.
  • Anselm Grün sagt dazu in seinen Ostermeditationen »die Osterfreude auskosten«[7]: In der Eucharistie ist Jesus nicht nur in unserer Mitte, er lässt sich berühren. Wenn er seinen Leib in der Gestalt des Brotes in unsere Hände legt, dann legen wir den Finger in seine Wunde. Denn es ist sein Fleisch, hingegeben für uns, hingegeben für das Leben der Welt.[8] Das Fünfwunden Gebet kann eine Hilfe sein, uns auf die Begegnung mit dem Auferstandenen, der auch der Gekreuzigte ist, vorzubereiten. Oder einfach: „Jesus Christus, auferstanden von den Toten, durch deine heiligen Wunden, erbarme dich meiner.“
  • Wenn wir glaubend unsere Finger in die Wundmale seiner Hände legen und unsere Hand in seine Seitenwunde, dann kann sich an seinen Wunden das Wunder des Glaubens ereignen. Dann verwirklicht sich seine Verheißung aus seiner eucharistischen Brotrede: “Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“[9]
  • Aber wir können seine Gegenwart seinen Leib und sein Blut in der Brot- und Weinsgestalt nur wahrnehmen, wenn wir nicht ungläubig, sondern gläubig sind, wenn wir glauben, dass der Auferstandene wirklich unter uns ist und uns in seinem Fleisch und Blut wahrhaftig berührt und mit seinem Leben erfüllt.
4 Der Osterglaube ist konkret.
  • Er ist so sichtbar wie die elektrische Energie in der Leitung. Wir sehen sie nicht. Doch sobald das Licht brennt, sehen wir ihre Wirkung, spüren wir ihre Energie. Unsichtbar sichtbar, sichtbar unsichtbar.
  • Österlich glauben, das führt in eine andere Welt. Da werden uns die Augen geöffnet, da sehen wir den Unsichtbaren - und lassen uns erlösen von der Diktatur des nur Handgreiflichen, Beweisbaren und Vergänglichen.
  • Dem suchenden und fragenden, dem zweifelnden Thomas zeigt der Auferstandene, was Glauben heißt: Sich vom unsichtbaren Jesus ansprechen lassen - ihn sehen und näher wissen, als wir uns selbst nahe sind.
  • Wenn wir uns auf ihn einlassen, dann geht das Licht an in unserem Herzen, in unserem Leben. Dann werden wir zu dem unsichtbar Anwesenden wie Thomas anbetend sagen: „Mein Herr und mein Gott.“
 

[1] Ex 20,4
[2] Ex 3,20
[3] Joh 1,18
[4] Offb 1,17
[5] Offb 1,18
[6] Joh 20,29
[7] ebd. S.79
[8] vgl Joh 6,31
[9] Joh 6,56