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Lesejahr B 2014/15 bis 2015/11

Predigt - Homilie am 1. Advent in ULF Dormitz

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Du bist doch unser Vater und Erlöser - trotz allem. (1)

1. "O Heiland reiß die Himmel auf!“

Nach tagelangem, neblig-trübem Wetter sehnen wir uns danach, dass der Himmel aufreißt und die Sonne die Welt wieder hell macht.

Die heutige Lesung aus dem Propheten Jesaja ist der Ursprung dieses sehnsuchtsvollen Liedes.

Die Israeliten leben in der Notzeit nach dem babylonischen Exil. Das Land ist verwüstet, der Tempel zerstört. Gott scheint sich von seinem Volk abgewendet zu haben.

Betend beklagen die Juden ihr Los: "Du hast dein Angesicht vor uns verborgen und hast uns der Gewalt unserer Schuld überlassen."[2]

2. Zuversichtliche Klage

 In die Klagegesänge über die vergangenen besseren Zeiten

und die Not der Gegenwart mischen sich Worte der Zuversicht und der Hoffnung. "Du bist doch unser Vater, unser Erlöser von jeher, wirst du genannt.“[3] Damit wird die nun folgende Klage vorbereitet. Der Beter richtet eine Anfrage an Jahwe, die beinahe einer Anklage gleichkommt.

Auch wir fragen, wenn Schlimmes über uns kommt, eine schlimme Krankheit uns überfällt, ein lieber Mensch durch den Tod entrissen wird oder sonst ein Unglück zustößt: Warum muss gerade mich das treffen? Was habe ich denn verbrochen, dass ich so gestraft werde?

Bei Jesaja geben die vor Gott Klagend-Betenden zu, dass die Schuld auf ihrer Seite liegt. Sie haben Gott nicht gefürchtet, ihm nicht gedient und seinen Auftrag nicht erfüllt; mit einem Wort, die zu Jahwe Flehenden haben nicht getan, was die von Gott geschenkte Beziehung, was der Bund Gottes mit seinem Volk, verlangt hätte.

Auch wir sind ständig in Gefahr, unsere Gottesbeziehung zu vernachlässigen, Gott einen guten Mann sein zu lassen. Leben wir denn täglich in lebendiger Beziehung zu ihm und in Verantwortung vor ihm? Bestimmt sein Wille unseren Alltag und unser Leben?

Die schlimmen Dinge auf der Welt sind doch weitgehend hausgemacht, von uns Menschen durch gedanken- und verantwortungsloses, egoistisches Verhalten heraufbeschworen und verursacht?

3. Schuldbekenntnis - aber auch die Frage warum oder besser wozu?

Die Betend-Klagenden der Lesung geben sich mit ihrem Schuldbekenntnis nicht zufrieden. Das 'WARUM" lässt sie nicht los.

Warum hat der Herr sein Volk vom rechten Weg abweichen lassen? Wenn er doch unser Vater ist, hatte er es nicht verhindern können, dass wir uns verrannten. Weshalb hat er wie das Herz des Pharao auch unser Herz verhärtet, so dass wir ihn nicht mehr ernst genommen haben?

Kann Gott wirklich daran gelegen sein, dass sein Volk in Sünde stürzt und so dem Gericht verfällt?

Hier spricht der angefochtene Mensch, der an Gott glaubt und ihn in jeglichem Geschehen handeln sieht, der aber auch die Erfahrung seiner eigenen Schuld und heilloser Zustände in der Welt macht.

Ja, es scheint tatsachlich bisweilen so zu sein, als wäre Jahwe nicht der Herr, nicht unser Gott und wir nicht sein Volk.

Und doch bringt diese schwere Anfechtung die Glaubenden nicht zur Aufkündigung des Gehorsams und  des Vertrauens.

Sie berufen sich vielmehr aufs neue auf das Heilsverhältnis das Gott seinem Volk geschenkt hat Sie trauen der Treue Gottes Noch gibt es Stämme in Israel. Noch sind sie sein Eigentum, das unter seiner Verantwortung und Verfügung steht. Und darum die inständige Bitte: "Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Eigentum sind.“[4] Vielleicht käme eine neue Einsicht, wenn sie fragen würden: „Wozu?“ Was will das über mich hereingebrochene bewirken, was will es in mir verändern? Wir verstehen,

4. Warum die Bitte um Gottes Zuwendung zum stürmischen Flehen wird

"Reiß doch den Himmel auf und komm herab Komm wie ein Feuer, das Reisig entzündet, wie ein Feuer, das Wasser zu Sieden bringt.“[5]

Nur Gott kann den heillosen Zustand, in den der Mensch durch sein eigenes schuldhaftes Tun sich verstrickt hat, durch das Feuer seiner Liebe reinigen.

In unserem selbstverschuldeten Elend bleibt uns Menschen als einziger Ausweg, unser bisheriges Tun und Lassen zu hinterfragen, ob wir zur  Ehre Gottes  oder zu unserer Ehre haben. Daraus kann die unaufhörliche, vertrauende Anrufung unseres Gottes, der unser Vater und Erlöser ist, aufsteigen und zum wahrhaftigen Gebet werden.

Schon bei Jesaja gibt uns Gott zu bedenken "Es gibt keinen Gott außer mir, keinen gerechten und helfenden Gott neben mir."[6]  Die Richtigkeit dieses Gotteswortes hat sich in der Erfahrung des Gottesvolkes immer wieder bewahrheitet.

Auch die Heilstaten Gottes in der Geschichte berechtigen das erste Gottesvolk zu dieser Haltung. Für Christen gilt, die Tat des Vaters, der den Himmel aufgerissen und seinen Sohn gesandt hat,

der uns nicht richten, sondern retten will, schenkt uns In Seinem Sohn  seine Liebe und sein Erbarmen. Er ist für uns gehorsam geworden bis in den Tod. Er ist das unübersehbare Zeichen der Treue Gottes. Zu ihm dürfen und sollen wir auch in den schlimmen Lebenserfahrungen umkehren. Der in Schuld geratene und in das selbstgeschaffene Elend verstrickte Mensch, ist erst dann verloren, wenn er aufhört zu seinem Vater und Erlöser zu rufen.

Mit einem gewaltigen Schlussakkord endet die Lesung:

5 Das Bekenntnis des Glaubens,  das Bekennen der Schuld führen zur Hingabe und Anbetung

Diese Verse entsprechen unserer Seelenlage, unserer Sehnsucht und Hoffnung. Christus hat diese Sehnsucht und Hoffnung neu in uns geweckt.  In den Tagen der großen Not - so sagt er uns im Evangelium - ist er mit seiner Macht und Herrlichkeit den Seinen besonders nahe. Bei Jesaja klingt an, was in Christus neu aufgeleuchtet ist: „Seit Menschengedenken hat man noch nie  vernommen, kein Ohr hat gehört und kein Auge gesehen, dass es einen Gott außer dir gibt, der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen.“[7]

Die Anklagen der Lesung treffen auch auf viele Getaufte zu "Niemand ruft deinen Namen an, keiner rafft sich dazu auf, an dir festzuhalten" Vor Urzeit an sind wir treulos geworden " "Wie unreine Menschen sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid“.

Die Gottesgemeinde damals wie heute muss bekennen, dass sie schuldig geworden ist. Der Empfang des Bußsakramentes im Advent und der Mitvollzug des Bußgottesdienstes ermöglichen einen Richtungswechsel.

Bei Jesaja wird die Schuld auf vierfache bis heute nicht überholte Weise gekennzeichnet.

5.1 Das Volk ist von seinem Herrn abgefallen.

Es hat ihm nicht mehr den ersten Platz in seinem Leben eingeräumt. Anderes ist wichtiger geworden. Beklagen wir nicht  gerade heute den lautlosen Abfall so vieler? Die Beziehung zu ihm wird nicht mehr gepflegt, die Verantwortung vor ihm nicht mehr ernstgenommen Auch Christen treiben ab, brechen die Ehe, hören auf zu beten, bleiben dem Gottesdienst fern

5.2 Durch die Sünde hat sich das Volk Gottes unrein gemacht

Es hat die Lebensgemeinschaft mit seinem Gott verlassen, der uns sagt: "Seid heilig, denn ich bin heilig“[8]

 Als dritte Schuld bekennt die Lesung:

5.3 Die rechte Gottesverehrung, das sich Bekennen zu Gott in Wort und Tat, wurde vernachlässigt.

Das ist heute nicht anders. Wie viele Christen bleiben am Sonntag der Öffentlichen Anbetung Gottes, der Feier der Eucharistie aus nichtigen Gründen fern. Wie schnell halten wir uns für entschuldigt, obwohl Christus als sein Testament d.h. als seinen letzten Willen uns gesagt hat: "Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Als vierte Schuld stellt die Lesung uns vor Augen

5.4 Sie haben sich nicht an Jahwe gehalten, sondern an vergängliche, nichtige Dinge.

Unser Festhalten am Neuen Bund zeigt sich im täglichen Sprechen über unser Leben mit Jesus. Wie viel Zeit verbringen wir mit Telefongesprächen. Wie wenig Zeit nehmen wir uns für ihn, der uns seine Freunde nennt.

6) Die Folgen der Schuld

zeigen sich der gegenwärtigen Situation Israels. Der Zorn Gottes ist über das Volk hereingebrochen. Das Exil, die Verbannung also, ist eine Wirkung des göttlichen Zorns;

Das Volk ist wie Laub verwelkt, kraftlos; und hinfällig geworden und wurde hinweggefegt. Gott hat es preisgegeben und in die Hände seiner Feinde ausgeliefert. Er hat sein Angesicht verborgen und seine Heils-Gegenwart ihrer Erfahrung entzogen. Damit war das Volk dem Untergang und dem Tod verfallen.

7) Aber Gott will nicht, dass sein Volk an seiner Schuld zugrunde geht.

Er möchte uns nur durch die von ihm zugelassenen Nöte zur Einsicht und Umkehr bringen.

Heimsuchungen nennen das gläubige Menschen. Gott sucht uns. Er will, dass wir heimfinden zu ihm. Die Lesung zeigt uns: Unsere Schuld erkennend und bekennend, finden wir heraus aus Finsternis und Depression.

Israel wendet mit der Last seiner Vergehen an Gott, seinen Herrn und Vater. Es weiß sich in seiner Hand, völlig abhängig, aber auch behütet.

Der Vater wird sein Geschöpf, der Meister sein Werk, das sich wieder seinen formenden Händen anvertraut, nicht zugrunde gehen lassen.

Dieses Vertrauen sollten wir uns durch nichts und niemanden, auch nicht von unserer eigenen Schuld zerstören lassen.

Dieses Vertrauen setzt vor aus, dass ich als kleiner, begrenzter Mensch mich diesem Gott und Vater - der auch der Gott und Vater Jesu Christi ist - im Glauben übergebe. Er ist grösser als mein Denken und Verstehen, mein Fühlen und Wollen. Jesus hat es uns in der Finsternis des Kreuzes vorgelebt, als er betete: "Vater in deine Hände lege ich meinen Geist“.

[1] Homilie zu Jes 63,16b-17.19b; 64,3-7 stark veränderte Neuauflage von 2008
[2] Jes 64,6b
[3] Jes 63,16b
[4] Jes 63,17b
[5] Jes 63,19
[6] Jes 45,21
[7] Jes 64,3
[8] 1 Petr 1,16