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Lesejahr B 2014/12 bis 2015/11

Predigt - Homilie

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Das Letzte hergeben [1]
1 Zwei Witwen beschämen uns
 1.1 Die Witwe von Sarepta
beschämt mich. Sie gibt dem fremden Gottesmann Elija nicht den letzten Pfennig, sie gibt, was sie noch einige Zeit am Leben erhalten kann: die letzte Hand Mehl und den letzten Krug Öl. Sie gibt ihre eiserne Ration, ihr Existenzminimum. Ist sie lebensmüde? Das auch, denn sie hat den Hungertod vor Augen. Dennoch gibt sie das Letzte her.

Sie tut es, weil sie der Verheißung Gottes traut, dass "der Mehltopf nicht leer und der Ölkrug nicht versiegen werden" bis der Regen eine neue Ernte hervorbringt. Es leuchtet etwas von der Wahrheit des Sprichwortes auf, die sagt: Wo die Not am größten ist, ist Gottes Hilfe am nächsten. Diese Wahrheit erfährt nur, wer ganz loslassen kann.
1.2 Die Witwe am Opferkasten des Tempels
beschämt uns noch mehr. Wenn wir geben, dann geben wir meisterns von Unserem Überfluss, von dem, was wir entbehren können. Sie, die kaum das Nötigste zum Leben hat, wirft zwei kleine Münzen in den Opferkasten des Tempels. Von ihr sagt Jesus: "Sie hat alles gegeben."

Die anderen, die Reichen geben sehr viel, aber sie geben von ihrem Überfluss, die Witwe gibt alles, was sie besitzt.
Zugleich enthält das Evangelium auch eine wichtige Mahnung Jesu:
2 Die Freigebigkeit nicht zu missbrauchen
Ein Priester sollte nicht deshalb zu einem Geburtstag gehen, weil er eine Spende erwartet. Er soll nicht deshalb jemand besuchen, weil da etwas zu holen ist. Ich habe nie eine Spende für meine persönlichen Bedürfnisse angenommen. Denn ich werde von der Kirche ordentlich entlohnt.

Ich habe auch nie jemand angehalten, sein Vermögen der Kirche zu vermachen. Ja einmal habe ich sogar dringend darum gebeten, das nicht zu tun, um die Erwartungen der Nachkommen nicht zu enttäuschen. Die betreffende Person hat dann ihr Vermögen der Krebshilfe vermacht. Und der enttäuschte Erbe ist anschließend aus der Kirche ausgetreten.

Vermacht jemand aus freien Stücken sein Vermögen oder einen Teil davon der Kirche, weil er keine Nachkommen hat, dann ist es hilfreich, wenn er in seinem Vermächtnis angibt für welche religiösen oder caritativen Aufgaben es verwendet wissen möchte. Bei den weniger werdenden Einnahmen aus Kirchensteuern wird dies in Zukunft noch wichtiger werden.
Freigebigkeit nicht auszunützen betrifft nicht nur die Vertreter der Kirche, sondern jeden von uns.

Wie begegnen wir den verwitweten und alten Menschen? Schielst du beim Besuch der Oma auf ihren Geldbeutel? Muss sie sich die Zuwendung, die du ihr gibst, mit Geld erkaufen?
Beschäftigt dich die Frage, was du einmal von ihr erben wirst mehr, als dass es ihr gut geht?
Und würdest du ihr auch dann ein ehrendes Andenken bewahren und eine Gebetsbitte in der heiligen Messe widmen, wenn sie dir keinen Pfennig hinterließe? Aber,
 3 Es geht nicht nur um Geld
Auch wenn es auch zunächst so scheint.
 3.1 Am Geld wird nur offenbar, was mit uns los ist.
Viele sprichwörtliche Redensarten beweisen es, was Geld aus uns macht und welchen Wert es für uns hat:
"Geld regiert die Welt.“ „Beim Geld hört die Freundschaft auf.“ „Geld öffnet alle Türen.“ „Man kann nie genug davon haben."

Mit dem Geld verbinden wir Macht, Einfluss, Ansehen, Sicherheit. Wer nicht mit Geld umgehen kann, genießt kein Ansehen. Und wer keines hat, auch nicht.

Eltern erziehen ihre Kinder zum Sparen, denn sie sollen lernen für die Zukunft vorzusorgen. Das ist gut und richtig, aber es darf nicht eine Erziehung zum Geiz werden. Denn schnell wird einer geldgierig, d.h all sein Sinnen und Trachten sichtet sich darauf, noch mehr davon zu bekommen.

Jeder der Geld von ihm will, wird zum Feind. Das fängt beim Staat an und hört bei der Kirchensteuer nicht auf. Am Ende ist unser Herz einem Tresor gleich, abgeschlossen und mit Geheimcodes verriegelt wie der Tresor der Bank, indem unser Geld liegt.
3.2 Das Letzte geben
muss gelernt sein. Der verantwortungsvolle und soziale Umgang mit dem Geld kann der Gradmesser sein, ob ich nur ein HabenWollender oder ein Schenkender bin.

Davon lebt eine jede Ehe, dass beide ihr Bestes, alles, was an Liebe in ihnen ist, geben, dass einer sich dem anderen schenkt.

Ein Chor lebt davon, dass jeder Sänger und der Dirigent ihr Bestes geben, nur dann entsteht Klangschönheit und fühlen sich die Zuhörer angesprochen und beschenkt.

Eine Fußballmannschaft ist darauf angewiesen, will sie Erfolg haben und die Massen begeistern, dass alle Mitspieler ihr ganzes Können und ihre ganze Kraft einsetzen.

Und ein Gottesdienst wird dann zum Gott verherrlichenden und die Gemeinde erbauenden Erlebnis, wenn Priester, Mesner und Ministranten, Organisten und Sänger, Kantoren und Lektoren, wenn jeder in der Gemeinde ganz bei der Sache ist und aktiv mitfeiert.

Ob wir die Weisheit, die Josef Recla in einem Vierzeiler ausspricht, annehmen möchten?
Was du für dich behältst,
hast du bereits verloren,
was du verschenkst,
ist dein für immer.

4 Zum Schluss eine ermutigende Geschichte

die zeigt, dass die Geschichte aus der ersten Lesung auch heute stimmt. Sie wurde uns von dem Dichter Werner Bergengruen erzählt.

Sie trägt die Überschrift das Zweimarkstück.
Die Italiener haben das Sprichwort: 'Iddio non paga il sabato' - Gott begleicht nicht jeden Samstag die Rechnung.

Damit soll gesagt sein, es gehe auf der Welt nicht so einfach zu wie in den Kinderbüchern, wo auf jede gute Tat prompt der Lohn, auf jede böse ebenso prompt die Strafe folgt.
 Schön wäre es, wenn das wenigstens bei unseren guten Taten immer einträfe, bei unseren schlechten aber besser nicht.  Die von Werner Bergengrün aufgeschriebene  Geschichte möchte unsere Skepsis überwinden.

Ein Freund von mir besaß eines Tages nichts mehr als ein Zweimarkstück und die ungewisse, ja beinahe schon nichtige Hoffnung auf ein Buchmanuskript, das bereits ein halbes Dutzend Ablehnungen erfahren hatte; nichtsdestoweniger hatte er es, obwohl entmutigt, dem siebten Verleger angeboten. In einer Gemütsverfassung von bitterer Düsternis strich er durch die Straßen.

An einer Ecke stand eine gekrümmte alte Frau und streckte ihm die Hand hin und sagte ihren jammervollen Spruch.

Der Angeredete war versucht, höhnisch zu lachen. "Ich habe zwei Mark und es ist gänzlich ungewiss, wann mir wieder ein kleiner Betrag in die Hände kommt",  sagte er sich. „Vielleicht nimmt sie jeden Tag das Doppelte ein.“ Und dabei gerieten ihm allerhand Erzählungen in den Sinn, von alten Straßenbettlerinnen mit riesigen Banknotenpäckchen im Bettstroh oder gar mit Sechszimmerwohnungen und Bankkonten.

Dann jedoch sah er der Elendsgestalt noch einmal ins Gesicht, das grau, eingefallen und hoffnungslos ausschaute. Die Frau wiederholte ihre Bitte, ihre vorgestreckte Hand zitterte im Gelenk.

Vielleicht, dass ein abenteuerlicher Instinkt ihn antrieb, sein Geschenk galgenhumorig auf die Probe zu stellen,
- vielleicht dass er einen unvernünftigen Augenblicksekel vor allem Gelde und damit auch vor dem Zweimarkstück in seiner Tasche empfand,

- vielleicht auch dass er sich sagte, das Festhalten dieses Zweimarkstückes könne seine gänzliche Entblößtheit bestenfalls nur noch um wenige Tage hinausschieben,

- genug, es überwältigte ihn plötzlich eine Regung, die er hinterher verdammte, er holte das Zwei-Mark-Stück aus der Tasche und legte es in den grauen, zitternden Handteller.
Die Alte sah ihn groß an, ihr Gesicht verzog sich und sie stammelte: „Vergelt's Gott tausendmal!“

Mein Freund entfernte sich rasch und ging, kopfschüttelnd und sich selber ein widriges Rätsel, nach Hause. Hier fand er einen Brief.

Der Verleger erklärte sich bereit, das Manuskript zu übernehmen, und bot ihm eine Pauschalsumme von zweitausend Mark an. Gott hatte also die Wochenrechnung pünktlich am Samstag beglichen.
Für die letzten zwei Mark „ein tausendfaches Vergelt's Gott.“  Wer alles gibt, geht nicht leer aus.
[1] Lesung: 1 Kön 17,10-16; Hebr 9,24-28; Evang: Mk 12,38-44