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2007 (A) Weihnachtszeit

Predigt am Fest der Heiligen Familie in Rödlas »Maria Regina pacis - Königin des Friedens«

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Heile unheile Heilige Familie

1 Früher

  • hatte in fast jedem katholischen Haus eine Bild von der »Heiligen Familie in Nazareth« gehangen. Maria am Spinnrocken, Josef mit Jesus an der Hobelbank. Ein allzu idyllisches Familienbild aus dem 19.Jht.
  • Die Familie Jesu konnte sie ein Vorbild für unsere Familien sein? Mit der Nachkriegsgeneration verschwanden diese Bilder aus den Wohnungen. Die Frage ist sicher berechtigt: Kann eine Familie aus dem Orient vor 2000 Jahren für uns heute von irgendwelcher Bedeutung sein? Nein, unmöglich! meinen nicht wenige.
  • Außerdem war es so wie so keine normale Ehe, sagen andere. Marias Jungfräulichkeit und der Begriff »Josefsehe« (was für beide sexuelle Enthaltsamkeit bedeutet) sind in einer Zeit sexueller Aufgeklärtheit sowie so nicht mehr zu vermitteln. Also ging man ohne die "Heilige Familie" zu Tagesordnung über.
  • Inzwischen werden bei uns die Stimmen immer lauter, die meinen, »die Familie heute« sei in der Krise. Die steigenden Scheidungszahlen und die Zunahme der allein Erziehenden deuten darauf hin. Andere sprechen von einem »Auslaufmodell Familie«. Und das ganze Getue um Schwulen- und Lesben Ehen scheint dies zu bestätigen. Freilich solche Verbindungen tragen eher dazu bei, dass unser Volk ausstirbt.
  • Die Schreckensmeldungen der letzten Tage und Woche rufen Entsetzen aber auch Ratlosigkeit hervor. Schreckensbilanz an Weihnachten: Im Landkreis Regensburg tötet eine Mutter ihre zwei kleinen Söhne, sie ist vielleicht psychisch krank. In München bringt ein Vater erst seinen Sohn und dann sich selbst um.

2 »Heilige Familie« und »Familie heute«

das ist sicher ein spannungsreicher Vergleich. Wer aber dennoch das Ideal der Heiligen Familie und die eigene Lebenswirklichkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen möchte, für den ist ein genauerer Blick auf die Heilige Familie hilfreich. Vielleicht müssten wir eher sagen:


2.1 Die unheile Heilige Familie

  • Da ist Maria, die man als unehelich Schwangere aus dem Dorf gewiesen hätte – ihr Verlobter nimmt sie zu sich, um den guten Ruf und den Schein zu wahren. – Denken wir an die vielen Mädchen und Frauen, die in schwierigen Situationen verzweifelt nach Auswegen suchen, nur weil ihnen die Gesellschaft kein Verständnis entgegenbringt.
  • Die hohen Abtreibungszahlen sprechen eine beredte Sprache, wie groß der Druck auf Schwangere ist. Dass viele Frauen ihr Kind behalten möchten, dafür spricht, dass die katholischen Schwangeren Beratungsstellen weiter sehr gefragt sind, obwohl sie keinen Beratungsschein als Freibrief zur Abtreibung mehr ausstellen. Die Schwangerschaft Mariens passte weder in die Moralvorstellung der Zeit, erst recht nicht in die Lebensplanung Marias und Josefs.
  • Da muss Maria in einem Schuppen ihr Kind zu Welt bringen, weil es keinen Platz bei den Menschen gibt, wo sie vorübergehend samt Lebensgefährte hätte wohnen können. – Nichts unterscheidet sie von jungen Leuten heute, die von einem Wohnungsamt zum anderen rennen, und überall hören: Nichts frei! Und zu teuer! Wie schwer ist es für Familien mit mehreren Kindern eine ordentliche Wohnung zu finden. Für Familien mit mehr als zwei Kindern ist auch bei uns Wohnungssuche eine sehr demütigende Sache.
  • Da lebt die Heilige Familie nach ihrer überstürzten Flucht aus Palästina jahrelang im ägyptischen Asyl, in einem fremden Land. – Wie viele Eltern können als Flüchtlinge ihren Kindern die Geborgenheit eines Elternhauses nicht bieten. Auch viele christliche Familien fliehen im nahen Osten aus ihrer Heimat, weil der Druck der muslimischen Mehrheit zu groß geworden ist.
  • • Wie konfliktreich war die allmähliche Ablösung des jungen Jesus vom Elternhaus. Da macht sich Sohn Jesus auf einer gemeinsamen Wallfahrt selbständig und setzt sich von seinen Eltern eine Zeitlang ab, und die Eltern, die ihn tagelang suchen, fragen völlig irritiert, warum er ihnen das angetan hat.
  • Jeder von uns kennt heute Eltern, deren Kinder plötzlich eigene, oft unverständliche Wege gehen. Und es sind keineswegs immer wie bei Jesus Wege, die in die Nähe Gottes führen. Andererseits müssen heute junge Menschen, wenn sie einen geistlichen Beruf anstreben, um ihr Leben ganz Gott und den Menschen zu weihen, auf Unverständnis und Widerstand in der eigenen Familie gefasst sein.
  • Da von Josef in den Evangelien später nicht mehr die Rede ist, kann angenommen werden, dass – wie die Tradition sagt - Josef früh verstarb. Wir wissen nicht, wie lange Maria vom Handwerksbetrieb der Familie Josefs finanziell unterstützt wurde und wie viele Jahre sie die Lasten einer Allein Erziehenden ohne eigenes Einkommen zu tragen hatte –
  • Heute bei uns: Allein gelassene Mütter, weil die Väter das Weite gesucht haben. Die Frauen, die sich aus diesen Gründen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht mehr leisten können, werden immer mehr. In Lateinamerika ist das fast der Normalzustand. Auch bei uns entziehen sich Väter immer wieder der Verantwortung für Frau und Kinder. Nicht einmal den Gerichten gelingt es, die Unterhaltszahlungen immer eintreiben.
  • • Da bittet Maria ihren Sohn bei einer Hochzeit, dem Hausherrn aus einer Verlegenheit zu helfen und muss sich gefallen lassen, von Jesus vor den Gästen schroff zurechtgewiesen zu werden –
  • Wie viele Eltern fühlen sich heute in ihrer Situation von ihren Kindern gedemütigt und möchten am liebsten im Boden versinken? Das Evangelium verbindet das Verhalten Jesu damit, dass die Stunde seiner Verherrlichung noch nicht da ist und nicht von seiner Mutter herbeigeführt werden darf, sondern nur vom Vater im Himmel.
  • Vielleicht ist es auch nur die theologische Absicht des Evangelisten, die Jesus so schroff mit seiner Mutter umgehen lässt. Die Kirchen der Reformation haben diese Stelle gar als Votum gegen die Marienverehrung verwendet. Jedenfalls müssen sich gerade heute Eltern von ihren Kindern Brüskierungen und verletzende Reden gefallen lassen, die oft zutiefst verwunden. Oft fällt es Eltern schwer ihre erwachsenen Kinder in die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu entlassen.
  • • Da ist Maria und die Großfamilie, welche die öffentlichen Auftritte Jesu mit immer größerer Sorge verfolgen, denn dieser gerät mit den herrschenden Sitten und Gesetzen immer mehr in Widerspruch. Können wir da das Einschreiten Mariens und ihrer Verwandten nicht verstehen, da sie erleben, wie Jesus durch sein Reden und Tun immer mehr den tödlichen Hass der führenden Schichten auf sich zieht? – Das machen viele Eltern durch, deren Kinder durch ihr Verhalten mit der herrschenden Meinung oder mit Gesetzen in Konflikt geraten.
  • • Schließlich bleibt da eine Mutter, die den Schmerz und die Schande ertragen muss, Mutter eines Gehängten, eines Hingerichteten zu sein. – Wie fühlt sich eine Mutter, ein Vater, heute, wenn das eigene Kind entführt, missbraucht und getötet wird; wenn das eigene Kind einen tödlichen Unfall verursacht, den Drogentod stirbt oder eine Kerkerstrafe verbüßen muss?


2.2 Für alle Familien, die das Unbegreifliche begreifen

  • und das Unerträgliche ertragen müssen, mag es trostvoll sein, zu wissen, dass Gott seiner Familie in der Welt die konkrete Lebenswirklichkeit mit all ihren Niederungen zugemutet hat – ein deutliches Zeichen der Solidarität mit allen Familien, die Sehnsucht und Alltag auf einen Nenner bringen möchten und unter der Tatsache leiden, dass sie damit nicht zurande kommen.
Die Frage muss erlaubt sein: Haben am Ende Lehrer, Pfarrer und andere Gesellschaftstheoretiker die Heilige Familie zu lange für die sog. heile Familie vereinnahmt?
  • Wenn unsere abendländische Kirche von der lateinamerikanischen Kirche lernen könnte, die Texte der Schrift vor dem Hintergrund der konkreten Lebenswirklichkeit von heute zu lesen und zu deuten, dann täte sie sich in ihrer Familienpastoral zweifellos leichter, als sie es jetzt tut. Mit dem Hinweis auf die Heilige Familie könnte die Kirche beispielhaft statt idealisierend argumentieren: Menschen wie du und ich haben in ihrem Bemühen um eine gute Familie Gottes Wohlgefallen gefunden. Warum sollte dies bei allen Schwierigkeiten heute für uns und unsere Familien nicht auch möglich sein?
  • Unterordnung der Frau unter den Mann, das war zur Zeit des Paulus in der antiken Gesellschaft üblich. Dem können wir nicht zustimmen. Alles andere aber behält seine Gültigkeit. Das Maß des Miteinanders und Zueinanders ist nicht eine vorgegebene zeitlose Naturordnung, sondern - und das ist der Tenor der ganzen Lesung - das neue Leben der Getauften im Herrn.
  • Jede Form der Unterdrückung oder Demütigung kann gerade vor der von den Männern geforderten Liebe nicht bestehen. Paulus verwendet für Liebe hier nicht das Wort »eros« also Erotik und Sexualität, sondern das Wort »Agape« das er zuvor für die göttliche Liebe verwendet. Es ist jene Liebe, die den Partner in seiner einmaligen Von Gott geschenkten Würde und Anderssein achtet und wertschätzt und dementsprechend mit ihm umgeht.
  • Wir dürfen durchaus annehmen, dass Maria und Josef in solcher Liebe einander begegnet sind. Wenn wir ihnen darin nacheiferten, wäre das ein wichtiger Baustein für ein glückliches und sinnvolles Leben, bei aller Belastung, die das Familienleben auch bringt. Papst Benedikt bezeichnet in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2008,


2.3 die Familie als erste Erzieherin zum Frieden.

Unter der Überschrift: DIE MENSCHHEITSFAMILIE, EINE GEMEINSCHAFT DES FRIEDENS sagt der Papst:
»Tatsächlich macht man in einem gesunden Familienleben die Erfahrung einiger grundsätzlicher Komponenten des Friedens: Gerechtigkeit und Liebe unter den Geschwistern,
die Funktion der Autorität, die in den Eltern ihren Ausdruck findet,
der liebevolle Dienst an den schwächsten — weil kleinen oder kranken oder alten — Gliedern,
die gegenseitige Hilfe in den Bedürfnissen des Lebens,
die Bereitschaft, den anderen anzunehmen und ihm nötigenfalls zu verzeihen.
Deswegen ist die Familie die erste und unersetzliche Erzieherin zum Frieden«. 

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