Startseite | Predigten
Boxbild
  Druckversion   Seite versenden

Predigten

Übersicht

2006 Lesejahr B

Homilie zu Mk 6,7.13 in der Sonntagvorabendmesse in St.Michael und am Sonntag in der Filialkirche in Rosenbach

Von Dämonen befreit werden und befreien[1]

1 Prophet gegen dämonische Mächte

Unbequemen Wahrheiten gehen nicht nur Politiker aus dem Weg. Auch wir haben damit unsere Probleme, vor allem wenn unser Tun und Lassen in Frage gestellt und wir zur Umkehr gerufen werden. Solchen Menschen gehen wir lieber aus dem Weg.

Die Mächtigen reagieren so wie der Reichspriester des Nordreiches Israel Amazja mit Redeverbot und Ausweisung. "In Bet-El darfst du nicht mehr als Prophet reden; denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel."[2] Hier geht es um Macht, welche die Unterordnung der Religion unter die Politik verlangt.

Wo immer politische, gesellschaftliche und auch kirchliche Mächte Kritiker und Mahner mundtot machen, verderben sie das Zusammenleben der Menschen, wird die eigene Macht zum Dämon, der alles beherrschend das Leben einengt und unfrei macht.

 2 Dämoniserung der Kirche

Es ist wichtig, das Dämonische in unserer Welt zu erkennen, es aufzudecken und zu überwinden. Man kann aber auch Menschen und Institutionen unterstellen, sie und ihre ganze Geschichte sei von dämonischen Unheilsmächten gesteuert. Daher gehöre sie bekämpft und zerstört.

In der dritten Maiwoche dieses Jahres wurde auf dem Festival in Cannes der Film zu dem Buch “The da Vinci Code” - vorgestellt. Viele haben auch bei uns es unter dem Titel "Das Sakrileg" gelesen oder werden sich den Film ansehen.

Der Focus ging sowohl mit dem Buch wie mit dem Film von Dan Brown hart ins Gericht. Es sei ein Machwerk, das wie ein Kritiker sagte, die "dämonische Seite der katholischen Kirche" aufzeige. Es geht nicht um geschichtliche Wahrheit, sondern um Legenden und Vermutungen durch die  die katholische Kirche diffamiert, verachtenswert erscheinen soll.

"Illuminati, die Erleuchteten", so nennt Dan Brown seine Geheimgesellschaft. "Engel und Dämonen," so die französische Übersetzung. Wobei allerdings nicht ganz klar ist, wer die Engel, wer die Dämonen sind?

Natürlich kann das Dämonische auch in die Kirche eindringen, weil die Kirche aus Menschen ihrer jeweiligen Zeit besteht. Inquisition und Hexenwahn sind Stichworte dafür. Wir können uns darauf fixieren und dabei die ungezählten Märtyrer und Heiligen vergessen, die das Evangelium gelebt und durch die 2000jährige Geschichte der Kirche getragen haben. Genau das möchten die Feinde der katholischen Kirche. Schon die Gegner Jesu haben ihn beschuldigt: „Mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.“[3]  Das Matthäusevangelium nennt dies die Sünde gegen den Heiligen Geist. Wer ein offensichtliches Werk Gottes als Werk des Teufels ausgibt, dem wird diese Sünde „nicht vergeben, weder in dieser noch in der zukünftigen Welt.“[4]

3 Gesendet zur Befreiung von Dämonen

Im Evangelienabschnitt des Sonntags bekommen die Zwölf von Jesus die Macht über die unreinen Geister. Sie werden ausgesandt. Und etwas weiter heißt es: Sie trieben viele Dämonen aus. Wer sind sie eigentlich, diese “Dämonen” bzw. unreinen Geister?

Wir Heutigen sind geprägt von filmischen Bildern über Dämonisches, denken vielleicht an Exorzismus, an Voudou-Praktiken, an den bösen Blick, an Naturvölker, die alles Unerklärliche auf Geister zurückführen. Ursprünglich aber war der griechische Begriff der Dämonen gar nicht auf die “bösen Geister” beschränkt, sondern bezeichnete völlig neutral den Geist eines Hauses. Bedenken wir aber auch, dass in einer Zeit, die weder etwas von Bakterien noch von Viren wusste, man nach Erklärungen für so manche Krankheit suchte, die es auszutreiben galt.

Heute würden wir sagen, die Autoimmunabwehr muss gestärkt werden. Es ist erwiesen, dass auch Glaube und Vertrauen, Gebet und liebendes Verweilen in  der Gegenwart Gottes solches bewirken. Und tun wir heute wirklich so viel anderes, wenn wir mit Hilfe von Medikamenten Krankheitserreger auszutreiben versuchen oder wenn wir außer Kontrolle geratenes Zellwachstum mit Hilfe von Chemotherapie oder Bestrahlung wieder unter Kontrolle bringen wollen?

3.1 Entdämonisierung

Unser jüdisch-christlicher Glaube hat die Welt entdämonisiert. Er hat alles Geschaffene entgöttlicht und ihm damit ihm die Macht über den Menschen genommen. Dieser bekennt allein Jahwe, den Ich-Bin-Da als den Schöpfer und Erhalter der Welt und des ganzen Kosmos.

Schon früh zeigt die christliche Gebetsmeditation  z.B. des Evagrius Ponticus auf, "wie unsere Seele von  gegensätzlichen, sich schlagenden Kräften und sich bekämpfenden  Tendenzen erfüllt ist. In seinem Weltbild nennt er sie Dämonen. Und  nun geht es darum, sie zu zügeln, zu besänftigen, miteinander zu  versöhnen, eben jene Zufriedenheit und Ruhe zu erreichen, die  letztlich nur ein Geschenk des Himmels ist."[5]

Wo Menschen von geschaffenen Kräften oder Geistern beherrscht werden, führt dies zu inneren Selbstzerfleischung und Abhängigkeit, zur Zerstörung der Freiheit der Persönlichkeit. Alle Suchtkranken können  davon ein schreckliches Lied singen.

Denn nur der Mensch der ganz frei ist für seinen Schöpfer und Erlöser, findet zu seinem wahren, Gott ebenbildlichen Selbst.

Kirche muss daher immer hellwach sein und ihre Stimme erheben, wenn Völker, Institutionen und Menschen in Gefahr sind, von dämonischen Mächten vereinnahmt zu werden. Sie wird durch die Verkündigung des befreienden Evangeliums Jesu alles daran setzen, das die Menschen immun werden gegen alle dämonischen Kräfte. Deshalb wird die Kirche sich bemühen,

3.2 Menschenfreundlich zu sein, nicht fanatisch.

Jesus sendet seine Jünger jeweils zu zweit aus: Nicht heroische Einzelkämpfer, über sich hinauswachsende Helden des Glaubens werden hier ausgebildet, sondern Menschen, die in Gemeinschaften leben, die einander ergänzen, füreinander Sorge tragen und gewiss auch aufeinander Rücksicht nehmen müssen.

Der Auftrag, den die Jünger und Jüngerinnen von Jesus erhalten, ist zutiefst menschenfreundlich: Sie sollen ”die unreinen Geister austreiben.“  Was uns vielleicht befremdlich und mysteriös erscheint, das lässt sich recht leicht in unsere Sprache neu übersetzen. Unreine Geister austreiben, das heißt in der Bibel ja so viel wie: Menschen, die von Ängsten, Zwängen, Krankheiten geplagt sind, zu heilen. So wie das gute Ärzte, gute Therapeuten, gute Seelsorger tun: Menschen aus der Not ins Leben führen; sie unabhängig und frei machen, ihnen helfen, ihr Dasein ohne Einfluss zerstörerischer, lebensfeindlicher Kräfte selbstständig zu gestalten. Die zweite Lesung aus dem Epheserbrief liefert uns da einen mächtigen Impuls. Wir sind

3.3 Von Gott durch Christus erwählt.

Der Epheserbrief ist in einer Umgebung geschrieben, die voll war von Geistern und Mächten in der Höhe und in der Tiefe; die in der Höhe besetzen den Geist, die in der Tiefe unsere Triebe oder wie man heute gerne sagt, unseren Bauch.

Die heutige 2. Lesung aus dem Epheserbrief hörend, so sagt eine Theologin, habe sie an eine Szene aus einem Liebesfilm erinnert, "in dem der verliebte Mann zur Frau sagt: Du bist ein Solitär! Wie ein Edelstein, in dem sich das Licht bricht, unabhängig davon, von welcher Seite man ihn betrachtet. So beleuchtet der Beginn des Epheserbriefes die Einzigartigkeit Jesu Christi in allen Facetten. Er führt uns vor Augen, was Jesus in dieser einzigartigen Liebesbeziehung für uns bereithält:

3.3.1 Seine Freude, dass Gott uns entgegenkommt

als Vater, Sohn und Heiliger Geist und sich so erkennen und loben lässt und dass wir in der Tiefe der Einzelheiten den Zusammenhang mit unserem eigenen Leben wahrnehmen können. Gott "hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel."

 Was er zu sagen hat, steht als Überschrift gleich im Gruß: »Gnade und Friede«. Nicht als unerfüllter Sehnsuchtswunsch aller Zeiten dem eigenen guten Willen anempfohlen, nein, »Gnade und Friede« aus der Quelle, »von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus«.

3.3.2 Einen warmen Strom aus der Ewigkeit fließend,

der unser Herz und unseren Verstand erreicht und alle Lebensverhältnisse berühren möchte: die Gnade, eine nicht endende, herzliche Beziehung zu Gott, die von ihm ausgeht und von uns beantwortet wird und als Folge davon der Friede, der unsere inneren und äußeren Spannungen ausgleicht.

3.3.3 Aus unserer Liebesziehung zu Jesus steigt der Lobpreis auf

Er kommt aus diesem von Gott durch Christus im Heiligen Geist geschenkten Frieden, in dem Absender und Empfänger des Briefes über die Zeiten und Räume hinweg miteinander verbunden sind. Beschenkt und befriedet preist »Paulus« Gott.  "Wo wir loben, freudig loben", haben die Dämonen weder in unserem Kopf noch in unserem Bauch eine Chance. Denn wir haben den Sinn unseres Lebens entdeckt und erkannt:

4 Wir sind von Anfang an erwählt

Uns beruft zwar kein Bundestrainer in die Nationalmannschaft, kein T-Mobile Chef in sein Team bei der Tour de France. Uns ist etwas viel Größeres zuteil geworden:

Den Vater jubelnd preisend sagen die Verse 4-6 vor allem, dass er uns erwählt hat. Erwählt sein ist mehr als Benutzwerden für nationalen Ruhm,  Einschaltquoten und Konzerninteressen; Erwählt sein ist mehr als Geschaffensein, das wir mit Pflanzen und Tieren teilen.

Erwählung als ein zweiter Akt hebt uns über das bloße Dasein hinaus und gibt unserem Leben Grund und Ziel von Gott her und auf Gott hin. Diese Erwählung ist in Jesus Christus der gesamten Menschheit und jedem einzelnen Menschen angeboten und zugesagt. Durch uns seine JüngerInnen soll sie allen zuteil werden.

Von Ewigkeit her sind wir in Jesus Christus von Gott erwählt und geliebt. Durch sein Blut, durch seine Hingabe aus Liebe sind wir erlöst, von allen Mächten, die uns knechten und uns Leben versprechend das Leben und die Liebe zerstören. Der Sinn unserer Existenz erschöpft sich nicht im Vergänglichen, sondern

5 wir leben unter der Perspektive der Liebe,

die aus der Ewigkeit der Liebe Gottes kommend uns bis in alle Ewigkeit zuteil wird. Sie kann durch keine Macht der Welt, der Menschen, des Kosmos außer Kraft gesetzt werden. Sie ist das Einzige, das Bestand hat für immer.

Unsere Lesung aus dem Epheserbrief schließt mit der Erkenntnis, dass Jesus Christus (V.7-10) das Geheimnis der Beziehung Gottes zu den Menschen in sich birgt. Indem er durch die Kraft des Heiligen Geistes aus Maria geboren als Gott und Mensch in die Welt gekommen ist, hat Gott dieses Geheimnis offenbar gemacht:

Jesus Christus ist der Mensch, der von Gott alles bekommen hat - deshalb ist in ihm die Fülle all dessen »zusammengefasst ... was im Himmel und auf Erden ist«. Aber er behält das Seine nicht für sich, sondern offenbart es uns,  schenkt es uns weiter. So ist durch ihn auch unser Sein vor Gott verwandelt und in ihm geborgen. Wir sind erlöst. Befreit von allen dämonischen Mächten.

===>> Zur Übersicht

===>> Predigt als PDF-Datei ansehen oder Herunterladen


[1] Schrifttexte vom 15.So.B2006; L Am 7,12–15; 2. Ls: Eph 1,3-10; Ev Mk 6,7–13
[2] Am 7,13
[3] Mt 9,34; Mk 3,22
[4] Mt 12,32
[5] A. Rotzetter in CiG 1990/24/194