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Predigten

2006

Übersicht

Homilie am 31.Sonntag (B) zu Dtn 6,2-6 und Mk 12,28b-34 im Altenheim St. Elisabeth und im Pfarrgottesdienst In St. Michael Neunkirchen am Brand

 

Die zwei Beine auf denen die Liebe steht

1 Mit beiden Beinen

Wer schon einmal versucht hat, längere Zeit auf einem Bein zu stehen, weiß dass wir das nicht lange aushalten. Nach kurzer Zeit fangen wir an zu zittern und verlieren das Gleichgewicht. Mit einem Bein schaffen wir zwar wie der Dreispringer ein paar Hupfer, aber weit kommen wir nicht. Gott hat uns mit zwei Beinen geschaffen. Nur so stehen wir fest und kommen voran.

Ein Fußballer kann sagen: Ich habe einen guten rechten Fuß. Mit ihm kann ich sicher und scharf schießen. Aber während er mit dem rechten Fuß den Ball stoppt oder gezielt schießt, gibt ihm der linke Fuß Halt und die Möglichkeit, den rechten zu bewegen.

Ähnlich ist es auch mit der Liebe, wie uns Jesus im heutigen Evangelium zeigt.[1] Auch sie steht auf zwei Beinen: Das eine ist die Liebe zu Gott, das andere die in der rechten Selbstliebe gründende Liebe zum Nächsten. Beide Gebote finden wir schon im Alten Testament.

Wie wir auf zwei Beinen stehen und uns fortbewegen, so kann sich auch die Liebe nur richtig verwirklichen, wenn sie auf beiden Beinen steht: auf dem Bein der Gottes und Nächstenliebe.


2 Das erste Bein: Die Liebe zu Gott.

In der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium hörten wir jenen Abschnitt, den jeder fromme Jude auswendig kann. Mit eindringlichen Worten sagt Gott seinem Volk, dass er, der Schöpfer und Befreier Israels, die ganze Zuwendung und Liebe seines Volkes will.[2] Er will sie nicht nur hie und da, oder ab und zu, wenn sie gerade nichts anderes vorhaben. Er will von ihnen ganz und gar, mit Herz und Verstand, mit ihrer ganzen Lebenskraft geliebt werden.
Er kann die ganze Liebe seines Volkes beanspruchen, weil er "einzig" und ganz „für sie da ist,“ wie sein Name Jahwe sagt.

Durch Jesus Christus sind wir dem Volk Gottes eingegliedert, wird uns Gottes Zuwendung und Liebe zuteil. So gilt dieses Wort auch uns: "Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, ist einzig."[3]
Am Anfang der Liebe steht die Hörbereitschaft gegenüber dem einzigen Gott. Für ihn ständig Ohr und Herzen offen zu halten, ist so wichtig und dringlich, dass es aller Anstrengung bedarf und wert ist: Diese Einzigartigkeit Gottes, sein ständiges rettendes und belebendes für uns Dasein, seine uns bergende Nähe, mit der er uns schützt und Sicherheit schenkt, muss uns »auf dem Herzen geschrieben stehen«. [4]

Wie das Herz die innerste Mitte und die treibende Kraft des Menschen ist, so muss die Liebe zu Gott unser ganzes Leben durchdringen, antreiben und bewegen.
Der anschließende Text schärft dem Volke Gottes ein: Es ist ständige Pflicht der Eltern diese Worte, dass Gott unsere ganze Liebe und Aufmerksamkeit will, den Kindern zu vermitteln: »Du sollst sie deinem Sohn wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zuhause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst." [5]

Noch mehr! Sie sollen sich Erinnerungszeichen machen, die sie immer wieder auf ihren einzigen und einzigartigen Gott hinweisen; die Erinnerungszeichen sollen darauf aufmerksam machen, wenn sie die Hand bewegen; sie sollen sie sich auf die Stirn binden, damit sie gleichsam in ihr Hirn eindringen; noch mehr, diese Worte sollen ihr Schmuck sein, der ihr ganzes Denken krönt: "Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. Du sollst auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben." [6]

Das ganze öffentliche und private Leben muss von dieser Wichtigkeit der Liebe zu Gott künden, soll sie das ganze Wesen erfassen und prägen. Gott will den Menschen ganz. Das macht unsere Würde und Größe aus, dass Gott auf unsere Liebe so großen Wert legt. Dieses auf seine Liebe hören, verheißt "langes Leben". Dieses in Liebe auf Gott hören schenkt dem Einzelnen ein gutes Leben und sichert dem Volk fruchtbares Fortbestehen.

3 Das zweite Bein: Die Selbst- und die Nächstenliebe.

Die Gottesliebe ist also das eine Bein, auf dem wir stehen, gleichsam das Standbein. Das zweite agierende Bein ist die Selbst- und Nächstenliebe. Jesus sagt ja: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Eine geordnete Selbstliebe geht also der Nächstenliebe voraus.

Sie kennen das oft zitierte Wort: "Jeder ist sich selbst der Nächste". Man kann dies egoistisch missverstehen. Richtig verstanden ist es durchaus mit dem Evangelium vereinbar. Wer sich selber nicht mag, der wird nur schwer ein Freund der Menschen sein. Wenn ich mich selber mit meinen Licht- und Schattenseiten nicht annehme, werde ich Mühe haben andere Menschen anzunehmen, so wie sie sind. Wenn ich mich selber nicht liebe, wie soll ich Gott lieben, der mich geschaffen hat? Jeder muss sich tatsächlich selbst der Nächste sein, soll er den Nächsten als Bruder und Schwester erkennen, die von Gott geschaffen und geliebt sind. Nur wer sich selbst als einmaliges Geschöpf Gottes angenommen hat und mag, kann auch andere annehmen und lieben.

Oft ist der geheime Grund, warum wir andere Menschen nicht mögen und nicht annehmen können, dass mit unserer Selbstliebe etwas nicht stimmt. Selbstliebe meint nicht Egoismus. Beim Egoisten dreht sich alles um die eigene Person, die eigenen Bedürfnisse. Er ist darauf fixiert. So wird er blind und unempfindsam für seine Mitmenschen.

Selbstliebe nach dem Evangelium meint etwas anderes. Jeder ist in den Augen Gottes einmalig und wertvoll. Erasmus von Rotterdam sagt es so: „Schließlich hängt das Glück ja zum großen Teil davon ab, dass du innerlich zu dir ja sagst. Meine Eigenliebe sorgt dafür, dass keiner sich seiner Gestalt, seiner Veranlagung, seiner Herkunft, seiner Lage, seiner Lebensweise und seiner Heimat schämt.“ Wenn ich in Verantwortung vor Gott mich selbst liebe, dann werde ich auch fähig zur Nächstenliebe.

Auch die Nächstenliebe gehört zum Volk Gottes und ist schon im Alten Testament enthalten. Sie ist gleichsam das agierende Bein, wie etwa das beim Fußballer Schussbein. Im Buch Levitikus mahnt Gott sein Volk: "An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr."[7]

Diese Liebe zum Nächsten schließt auch den Fremden mit ein. Sie werden nicht ausgegrenzt, wie es heute manche bei uns tun. Im Buch Deuteronomium wird dem Volk Gottes eingeschärft: "Er (der Herr, euer Gott) liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung. auch ihr sollt die Fremden lieben, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen." [8]

Jesus fasst im heutigen Evangelium die beiden Gebote der Gottes- und Nächstenliebe zur Einheit zusammen. Sie stehen nicht in Konkurrenz zu einander, im Gegenteil:
Die Nächstenliebe braucht die Verankerung in Gott. Wenn ich mich Gott ganz zuwende, erfahre ich, dass er für mich da ist. Alles, was ich bin und habe, ist sein Geschenk. Ich erfahre mich von ihm geliebt und angenommen trotz meiner Mängel und Schwächen. Aus diesem Beschenktsein heraus werde ich selber zum Schenkenden. Weil Gott mich so wichtig nimmt, dass er von mir geliebt sein will, nehme ich den nahen und fernen Nächsten wichtig und schenke ihm meine Liebe. Das Standbein der Liebe zu Gott gibt mir den Halt, die Kraft und den Spielraum, mich für den Nächsten einzusetzen und tätig zu werden.


4 Beten und Arbeiten

Heilige erkennt man daran, dass sie mit beiden Beinen im Leben stehen. Mit dem Standbein stehen sie fest und sicher in der Gottesliebe und mit dem Schussbein agieren sie für die Nächstenliebe, um für sie Tore zu schießen, damit sie das Leben gewinnen. Denn Gott ist der Urgrund und Fels unseres Lebens, der sich uns in Jesus Christus geoffenbart hat. Er ist der einzige Gott und er ist einzig.

Nur wenn der Mensch so mit beiden Beinen im Leben steht, wird sein Leben gelingen, wird er Sinn, Freude und Frieden erfahren und schenken. Adolph Kolping, war ein solcher Mensch. Er sagt:
"Solange gebetet und gearbeitet wird, ist noch nie das Brot ausgegangen. Nur dann, wenn man nur arbeitet und nicht betet, dann zerbröckelt das Brot in der Hand und nährt nicht mehr den Mann; denn beim Beten und Arbeiten ist Gottes Segen".

Wir stellen fest, dass heute so viele unzufrieden und friedlos sind, obwohl sie so viel haben und sich einiges leisten können. Es fehlt das Verankertsein in der Gottesliebe. Wer sich aber in der Liebe Gottes geborgen und von ihm beschenkt weiß, der kann auch schenken. Und er ist zufrieden.


[1] Mk 12,28b–34
[2] Dtn 6,2–6;
[3] Dtn 6,4
[4] Dtn 6,6
[5] Dtn 6,7
[6] Dtn 6,8 f.
[7] Lev 19,18
[8] Dtn 10,18

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