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Predigten

Heilige

2006

Homilie zu 1 Kor 6,12-20 am Gedenktag der hl. Maria Goretti

Sexualität aus christlicher Sicht

Sexualverbrechen

In regelmäßigen Abständen werden junge Mädchen Opfer von Sexualverbrechern. Wer kann nachempfinden, was diese jungen Menschen in den letzten Stunden ihres Lebens an Erniedrigung und Qual erduldeten?
Maria Goretti erinnert uns heute an die vielen Mädchen, die sexuellen Gewalttätern zum Opfer fielen. Sie und das Schicksal vieler Mädchen und Frauen mahnen uns, die Lesung aus dem 1. Korintherbrief bedenkend, über den Sinn menschlicher Sexualität aus christlicher Sicht immer wieder nachzudenken.

Der Mensch - Abbild Gottes

In der Schöpfungsgeschichte heißt es: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“[1] Als Mann und Frau ist der Mensch auch als Geschlechtswesen Abbild Gottes. Denn in der Vereinigung von Mann und Frau werden zwei ein Mensch, wie es in dem aus der Vereinigung werdenden Kind für alle sichtbar wird.

Noch mehr! Dieses Einswerden zweier Menschen wird mit einem Segen und einem Auftrag beschenkt: "Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde.."[2]

Deshalb darf Sexualität sich nicht verselbständigen. Der Mensch wird daher darauf achten, dass er diese Lebenskraft nicht egoistisch missbraucht. Er wird vielmehr sich bemühen, die von Gott geschenkte Kraft verantwortlich und liebend einzusetzen.

Der ganze Mensch gehört Gott

Der moderne Mensch interpretiert häufig die christlichen Tugenden idealistisch: Die geistigen Abläufe verbänden den Menschen mit Gott. Die leiblichen hätten mit Gott nichts zu tun. So dachten anscheinend auch manche Christen in der von sexuellen Lastern erfüllten Hafenstadt Korinth.

Paulus hält dagegen: Bei Christen nimmt der Geist Gottes von der ganzen Person Besitz, innerlich und äußerlich, geistig, seelisch und leiblich. Wie der Tempel als ein heiliges Gebäude Gottes Gegenwart anzeigt, so soll der Leib des Christen die Gegenwart des Geistes Christi anzeigen.

Paulus unterscheidet zwischen leiblichen Vorgängen, die Ich-fern bleiben, und solchen, die den Personkern berühren. Zu den ersten gehören Essen und Trinken. Hier muss jeder nach dem für ihn Bekömmlichen schauen. Ein zuviel bekommt dem Menschen nicht.

Zu den zweiten gehört vor allem der geschlechtliche Umgang. Die Bibel weiß darum, dass sexuelle Beziehungen den Menschen tief beeinflussen. Menschen werden verletzbar, empfindlich und nicht selten abhängig vom Partner. Die Liebe verdirbt, wenn man den anderen als Besitz ansieht, über den man glaubt verfügen zu können oder zu müssen. Der ganze Mensch mit Leib und Seele, auch mit seiner Sexualität gehört Gott. Von daher wird klar, dass auch

Sexualität und Christus

miteinander zu tun haben. Da der Christ in erster Linie in seinem Personkern Christus gehört, können sexuelle Vorgänge auch problematisch werden, wenn diese nur als etwas gesehen werden, was ich einfach brauche oder worauf ich ein Recht habe. Paulus beschreibt eine Art heiliger Eifersucht des Herrn gegen andere Personen und Kräfte, die den Christen beherrschen könnten. Dazu kommt der Gedanke der kultischen Reinheit, wie er einem Tempel gebührt.

eder, der Sexualität als Mittel der Verführung und damit als Machtausübung benützt, pervertiert dieses große Geschenk Gottes. Und es ist zu fragen, ob sich Eltern und Erzieher der Verantwortung bewusst sind, wenn Kinder schon an der Grundschule sich sexy kleiden und gebärden. Viel Fleisch zu zeigen stachelt zwar die Begierde, aber nicht die Liebe an. In manchem sexuell stark oder abnorm Veranlagten eskaliert dadurch die Begierde übermächtig.

Paulus gibt zu bedenken: Die endgültige Gemeinschaft, die Gott gewährt, gehört in ein asexuelles Leben, das nicht mehr von vergänglicher Reproduktion, sondern von der Auferstehung aus den Toten geprägt ist.

Paulus brandmarkt vor allem die Hurerei. Er nennt es Unzucht. Auch mit der Hure wird der Christenmann ein Leib und überträgt auf sich die Unreinheit wechselnder Partnerschaft. So vertreibt er den Geist Christi aus seinem Leib.
Es ist die Berufung des Christen,

Gott im Leibe zu verherrlichen.

Frau und Mann gehören einander nicht. Sie gehören einander an. Sie können zu einander sagen: Ich bin dein. Aber im selben Atemzug müssen sagen: Und wir, Herr, wir beide gehören Dir.

Der Christ gehört nicht sich selbst. Wir gehören Christus. Darum sollen wir vorsichtig sein bei Vorgängen, die unseren Leib, unsere Person in konkurrierende Abhängigkeiten ziehen und unfrei machen können. Wir sollen stattdessen Gott mit unserem Leib verherrlichen, preisen. Dazu gehört, dass wir auch mit unserer Sexualität Gott verherrlichen. Fragen wir uns: Wann habe ich das letzte Mal für dieses Geschenk Gottes, aus dem wir alle kommen, gedankt? Gehen wir ehrfürchtig damit um?

Nichts ist es also mit der Ablehnung und Verachtung unserer Leiblichkeit - jeder Christ ist Tempel des Heiligen Geistes. Der Geist Gottes heiligt ihn. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen ist seine Wohnstatt. Gott verleiht dem ganzen Menschen, also auch seinem Körper, Wert und Adel. Täte es uns nicht gut, ein wenig mehr für die Ästhetik am Tempel des Heiligen Geistes zu tun?

Nichts ist es aber bei Christen mit der Vergötzung des Leibes. Nicht die Bedürfnisse des Körpers müssen Triebfeder unseres Handelns sein. Es gibt Dinge, die vertragen sich nicht mit dem Anspruch, ein Tempel Gottes zu sein. Der Mensch ist »Gottes Tempel und des Teufels Stall«, sagt Gottfried Benn. Nicht nur sexuelle Freizügigkeit, auch übertriebener Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch, Arbeitssucht und vieles mehr verändern Leib und Seele eines Menschen, können ihn zerstören.

Im Menschen begegnet uns Gott

Jeder Christ ist Tempel des Heiligen Geistes. Auch der körperlich oder geistig Behinderte, der Alternde oder Kranke. Das unterscheidet die Tempel des Heiligen Geistes von den antiken und modernen Tempeln. Jeder Christ ist ein Ort der unverfügbaren Gegenwart Gottes. In Menschen begegnet Gott den Menschen.

Deshalb begegnen wir jedem Menschen mit Respekt, weil
ja auch in ihm Gottes Geist wohnt. Wer aber im Menschen des anderen Geschlechts nicht das Objekt seiner Begierde, sondern die Schwester oder den Bruder sieht, ihm ehrfürchtig und verantwortlich begegnet, der begegnet auch im Menschen des anderen Geschlechts Christus.

Paulus lässt keinen Zweifel daran, dass Christus mit seiner geistlichen Nähe auch unsere Sehnsucht nach Nähe, Geborgenheit und Zärtlichkeit stillt. Deshalb ist beides für uns wichtig: die Freundschaft mit ihm und der ehrfürchtige verantwortliche Umgang miteinander. Wer liebenden sexuellen Umgang mit seinem Partner, seiner Partnerin hat, darf auch darin Gottes liebende Zuwendung erfahren und dafür Gott danken.

Jenseits des Sexuellen

Wem dies nicht oder nicht mehr zuteil wird, der darf wissen, dass die Seligkeit des Himmels nicht mehr im Sexuellen, sondern in der Fülle des Lebens besteht, die allein Gott schenken kann. Diese wird jede Sinnenfreude weit übertreffen, denn im gleichen Brief an die Korinther verkündet Paulus die himmlische Seligkeit die Heilige Schrift zitierend so: "was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.[3]

Maria Goretti ist uns ein leuchtendes Beispiel. Nicht nur, dass sie ihrem Mörder verzieh, sie wollte, dass er als ganzer Mensch heil werde und bei Gott ankomme: "Ich werde vom Himmel aus für seine Bekehrung beten. Um Jesu willen, der dem reuigen Schächer verziehen hat, will ich ihn auch nahe bei mir im Paradies haben.“



[1] Gen 1,27
[2] Gen 1,28
[3] 1 Kor 2,9