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Feste des Herrn

2006

Mosaik 6. Jht. Ravenna
Mosaik 6. Jht. Ravenna
Nicht König über uns, sondern König in uns

1 Jesus ein König?

Wenn wir auf Jesus schauen, wie ihn das heutige Evangelium zeigt und an den Namen des heutigen Festes »Christkönig« denken, dann beschleichen uns recht zwiespältige Gefühle. Jesus steht ohnmächtig vor Vertreter des römischen Kaisers. Er ist dem Spott und dem Hass der Menge ausgeliefert. Die Frage des Pilatus wörtlich übersetzt bedeutet: „Du bist der König der Juden?“ Wir hören die Überlegenheit und den Spott aus dieser Frage deutlich heraus. Der damalige jüdische König Herodes war sowieso nur eine machtlose Marionette von Roms Gnaden.
Im Blick auf das Leben Jesu und sein Ende scheint kein Titel unangemessener als der des Königs.

2 Die vielen Titel Jesu

Die Zeitgenossen Jesu und auch seine späteren Jünger, also die Kirche, haben Jesus viele Titel gegeben. Dahinter standen und stehen Erfahrungen, die Menschen mit Jesus gemacht haben.

2.1 Die Jünger nennen Jesus Lehrer und Meister.
Sie haben erlebt, wie er sie unterwiesen und ihnen vieles erklärt hat. Sie haben gespürt, dass er dies mit göttlicher Vollmacht tat. Vieles von dem, was er über Gott und über den Menschen sagte, war für sie wie eine Offenbarung.

2.2 Petrus bekennt: »Du bist der Messias, der Gesalbte Gottes«.
Petrus spürt: Jesus handelt und verkündet seine Botschaft im Auftrag Gottes. Und wenn wir Jesus als unseren Erlöser bezeichnen, dann tun wir das aus dem Glauben heraus, dass Jesus für uns Menschen gelebt und gelitten hat und für uns gestorben ist. Noch mehr, dass er uns durch seine Auferstehung die Aussicht auf ein Leben über den Tod hinaus, auf die Fülle des Lebens bei Gott eröffnet hat.

2.3 Wir nennen Jesus gerne unseren Bruder.
Wir tun das, weil wir ihn den Evangelien als den erleben, der wie keiner auf der Seite der Menschen steht. Er nimmt die Menschen an und erweist ihnen seine Freundschaft und Liebe trotz ihrer Schuld. Er steht vor allem auf der Seite derer, die keinen Anwalt haben, die sich selber nicht helfen können.
Er lebt arm und warnt vor den Gefahren des Geldes und des Reichtums. Mächte, die auch heute viele in ihren Bann ziehen und nicht mehr loslassen.
Er ist inmitten seiner Jünger »wie einer, der dient«. Vor allem, er herrscht nicht und erlässt keine Befehle, deren Befolgung er erzwingt.
Und trotzdem bezeichnet sich Jesus selbst vor Pilatus als König:


3 ”Ja, ich bin ein König«.
3.1 Aber was ist das für ein König,
der nicht herrscht, kein Reich, keine Untertanen, keine Armeen, also keine irdische Macht hat? Im Himmel vielleicht schon, aber hier auf Erden, da herrschen doch ganz andere. Überall gibt es die kleinen und großen Diktatoren. Das fängt in der Familie an, wenn ein Ehepartner dem anderen seinen Willen aufzwingt. Durch Geschrei und Demütigungen den anderen unter Druck setzt und entwürdigt. Das setzt sich fort am Arbeitsplatz bis hinein in die Politik.
Jesus bekennt vor Pilatus : »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.« Sicher, wir glauben, dass Jesus Christus beim Vater im Himmel ist. Die alten Meister der Kunst haben ihn so dargestellt: Christus sitzt zur Rechten des Vaters mit Szepter und Krone geschmückt. Aber irgendwie scheint uns dieser himmlische und jenseitige Christus weit weg.
Die entscheidende Frage ist jedoch, ist dieser Jesus von Nazareth

3.2 König für mich?
Wie kann er für mich zum König werden? Wie sieht seine Herrschaft denn aus? Wie kann ich sein Königsein erfahren? Was bedeutet es für mein Leben, mein Menschsein, meine Zukunft?
Bei der Beantwortung dieser Fragen

3.2.1 kann der Schluss des Evangeliums weiterhelfen.
Jesus sagt:
                        „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen,
                        Dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
                        Jeder, der aus der Wahrheit ist ,
                        hört auf meine Stimme.“

3.2.2 Wahrheit meint bei Johannes die Wirklichkeit Gottes.
Jesus lebt, liebt, lehrt, leidet und stirbt, um uns Menschen zu zeigen, wer und wie Gott ist: Jahwe ist ein Gott, der für uns da und bei uns ist. So hatte er sich schon dem Mose offenbart: Jahwe – das ist mein Name für immer.
Jesus gibt und ist die lebendige Übersetzung des Gottesnamens JAHWE. Und in jedem, der dieses Gotteszeugnis, diese Gottesoffenbarung annimmt, ist Gottes Reich und Herrschaft lebendig. In uns will, wie es in einem Osterlied heißt, »Christus Sieger sein«.[1]


3.2.3 Die Herrschaft Christi in uns
ist nicht so zu verstehen, dass wir zu seinen Untertanen werden, die Befehle ausführen und blind gehorchen müssen, sondern dass wir zu seinen Freunden werden, die ihm folgen, die mit ihm gehen, deren Herz ihm gehört.
Er selber sagt zu seinen Jüngern: »Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde«. Freiwillig schließen wir uns ihm an. Freiwillig folgen wir ihm auf seinen Wegen. Freiwillig machen wir uns sein Gesetz der Liebe und Gerechtigkeit zu eigen, hören wir auf das, was er uns sagt.
Wir leben nicht als seine Höflinge, sondern als seine Botschafter. (Seine Botschafter sind wir, wenn wir als Wanderer und Wallfahrer unterwegs sind, und inmitten seiner Schöpfung Gott preisen. Seine Botschafter der Liebe sind wir, wenn wir in der Ehe gut miteinander umgehen und leben; wenn wir unsere Kinder und Enkel zur Freundschaft mit Jesus führen.)
So verstanden bedeutet das heutige Christkönigsfest:
Ja, Christus ist König.

Sein Königsein ist nicht von der Art irdischer Könige und Herrscher.

            Er zwingt seine Herrschaft niemanden auf.
            Er ist König und Herrscht überall dort,
            wo wir ihm in unseren Herzen
            in unserem Denken,
            in unserem Leben Raum gewähren
            und dies in unserem Handeln zeigen.

Wer diese milde und göttliche Herrschaft bei sich und in sich zulässt, wird erleben, wie er in aller Schwachheit stark sein wird, wie er dadurch zum vollen Menschsein findet, weil dies dem Bild Gottes entspricht. Selbst unter der Herrschaft von Tyrannen sind solche Christen innerlich frei geblieben.


4 Jesu Herrschaft macht frei

Ich denke an die heilige Katharina von Alexandrien, deren Gedenktag wir gestern feierten, die mit ihrer christlichen Weisheit dem heidnischen Gericht die Stirn bot und nach langer Folter enthauptet wurde.
Ich denke an den Lordkanzler Heinrichs VIII in England, an Thomas Morus, der dem König die Gefolgschaft verweigerte, weil dieser sich wegen seiner Ehefrau, die er loshaben wollte, von der katholischen Kirche trennte. Es hat Thomas Morus zwar den Kopf gekostet, aber er hat dem Missbrauch der Macht widerstanden.
Ich denke an die vielen Märtyrer des 20. Jahrhunderts an den Jesuitenpater Alfred Delp und den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhöffer, die von den Nazis hingerichtet wurden.
Ich denke an Maximilian Kolbe, der im KZ für einen Familienvater in den Hungerbunker ging und dort starb.
Ich denke an die Jüdin Edith Stein, die von einer Atheistin zur Jüngerin Jesu wurde und im Carmel die radikale Nachfolge Jesu lebte, die von den Nazis gefangen auf dem Weg nach Auschwitz sich um die Kinder kümmerte und sie tröstete, um schließlich mit ihnen vergast zu werden.

Wenn Christus unser König, das A und O unseres Lebens wird, dann ist unsere ganze Existenz, unser Anfang, unser Lebensweg und unser irdisches Ende eingeborgen in die Liebe Gottes. Dann erfahren wir, was Paulus im Römerbrief jubelnd ausspricht, was wir als Kommunionvers singen werden:

            „Weder Tod noch Leben
            trennen uns von Gottes Liebe,
            die in Jesus Christus ist.“[2]


Jesus ist nicht König über uns, sondern in uns.

[1] GL 224-3
[2] GL 663

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