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Predigten

Österliche Bußzeit

Predigt am 4. Fastensonntag in der Sonntagabendmesse in St. Michael Neunkirchen a.Br.

Der Glaube an den gekreuzigten und erhöhten Herrn

Tabuthema Glaube

Trauen Sie sich in der Öffentlichkeit über Glaube und Religion zu sprechen? Im Pausenhof, am Stammtisch, im Verein, mit Freunden? Sich für aufgeklärt haltende Zeitgenossen werden mir antworten: Religion, das sei doch Privatsache. Außerdem gäbe es ja so viele verschiedene Religionen. Was stimmt, weiß eh keiner.
Im heutigen Evangelium hören wir von einem gebildeten und angesehenen jüdischen Ratsherrn, der versucht,

Gott in Jesus nahe zu kommen.

Vor allem gegen Ende des öffentlichen Wirkens Jesu war es für Menschen mit Namen und Ansehen gefährlich, über die Botschaft Jesu zu reden oder sich gar als Sympathisanten des Mannes aus Nazareth zu outen.

Am Beginn des 3. Kapitels im Johannes Evangelium heißt es: "Es war ein Pharisäer namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden. Der suchte Jesus bei Nacht auf...“ [1] Die Zeichen, die Jesus tat, waren für ihn ein untrüglicher Beweis, dass Gott mit Jesus ist.[2] Nikodemus spürt, dieser Jesus ist Gott ganz nah. Er wird mir im Gespräch helfen, Jahwe, dem Gott Israels, näher zu kommen. Mit ihm möchte ich über meine Glaubens- und Lebensfragen sprechen. Er kann mich sicher zu tieferen Einsichten führen.
Bei diesem Gespräch kommt er zu der Einsicht:

Gott ist in Jesus herab- und hinaufgestiegen

Gestern feierten wir das Fest der Verkündigung des Herrn. In der von mir gehaltenen Ansprache ging es um das Herbsteigen Gottes in unsere Welt, in unser menschliches Leben. In Jesus ist Gott in unser Leben mit seinen Höhen und Tiefen, dem Geboren werden und Sterben hinabgestiegen. In seiner Auferstehung nimmt er unser Leben mit hinein in den Himmel, in die Herrlichkeit bei Gott. Neun Monate vor dem Fest der Geburt Christi leuchtet schon das Mysterium der Menschwerdung Gottes auf.
Wollen wir das Bild von der in der Wüste an einer Signalstange befestigten ehernen Schlage nicht einseitig nur als Aufblick zum Gekreuzigten verstehen, dann ist es gut die vorausgehenden Verse zu bedenken.
Jesus weist den Nikodemus darauf hin, wie schwer von Begriff die Menschen schon bei irdischen Dingen sind. Noch schwerer tun sie sich, wenn er zu ihnen über himmlische Wahrheiten spricht. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Dann aber auf sich selber weisend sagt er, dass er die irdischen wie die himmlischen Dinge den Menschen nahe bringen kann, denn "niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn."[3]

Der Austausch zwischen Himmel und Erde ist Erbarmen und Liebe

Dieser Austausch zwischen Gott und Mensch hat schon immer stattgefunden. Schon das erste Gottesvolk lebte von diesem Austausch.

Das Elend seines zu ihm rufenden Volkes sehend spricht Gott zu Mose: "Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land."[4]

Als Israel nicht auf Gott hörend in sein eigenes Unglück gerannt war,[5] ist das letzte Wort, das Gott über die Sünder spricht, nicht Gericht, sondern Erbarmen. Er ist es, wie die 1. Lesung verkündet, der das Herz der Perserkönigs Kyrus bewegt, die Verbannten wieder in Ihre Heimat zurückzuführen und den Tempel Gottes wieder aufzubauen.[6]

Die zweite Lesung aus dem Epheserbrief [7] weist uns darauf hin, dass sich der Mensch in Ungehorsam und Unglauben von Gott entfernt. Dadurch wird er aber kein freier Mensch, im Gegenteil, er verfällt dem eigenen Ich, und damit dem Tod.

Gott aber will das Leben. Und er allein kann den Menschen befreien, denn Gott ist die Liebe. In den Geretteten wird seine Liebe sichtbar, spürbar. Zusammen mit Christus hat uns Gott in der Taufe wieder lebendig gemacht.[8] Er hat uns mit Christus auferweckt,[9] und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben.[10] Welch eine Aussicht!

So auf die Liturgie der heiligen Osternacht mit der Feier der Taufe und Tauferneuerung voraus weisend, werden wir heute schon auf das nahende Osterfest eingestimmt. Wahrlich ein Grund sich zu freuen.

Aus Gnade, also durch liebende Zuwendung, hat er uns durch den Glauben gerettet.[11] Als Folge dieser liebend sich nahenden geschenkten Rettung durch Gott sind die Getauften allerdings angehalten, gute Werke zu vollbringen. Und die hat Gott schon für uns schon bereitet. Wir müssen sie nur im Alltag entdecken. Es geht dabei nicht um spektakuläre, sondern um alltägliche Dinge.

Zwei afrikanische Theologinnen haben es kurz und prägnant so formuliert: "Die anschaulichste Lehre über Jesus Christus [wird] immer diejenige sein, die still inmitten des Dramas des täglichen Lebens gelebt wird."[12]

Worüber können wir als Hörer des Evangeliums uns freuen?

Das Thema Glaube durchzieht das ganze Evangelium.

Es ist der Glaube an den gekreuzigten und im Himmel erhöhten Menschensohn, der uns froh macht und rettet. Gott kommt durch Jesus in die Welt, nicht um sie zu richten, sondern zu retten.[13] Dahinter steht die unbedingte Liebe Gottes zum Menschen und zu seiner Schöpfung. Der Glaube an Jesus Christus, der vom Himmel gekommen und zum Himmel aufgestiegen ist, sagt mir, dass mein Leben und Sterben von der Liebe Gottes umfangen in die Fülle seines lichtvollen Lebens mündet.

Entscheidend für die Vorstellungswelt des Johannesevangeliums ist, dass sich das Gericht schon in der Gegenwart vollzieht. Wer das Licht, das von der in Jesus Christus gegenwärtigen Liebe Gottes ausgeht, nicht annimmt, wer nicht an die Mensch gewordene Liebe Gottes glaubt, wer lieblos lebt, der verurteilt sich selber zur Finsternis des Todes. Das geht soweit, dass sich Menschen an ihrer Bosheit und an dem anderen zugefügten Unrecht und Leid noch weiden. Weil sie Finsternis mehr lieben als das Licht.

Gott aber liebt das Leben. Dabei es geht im Johannes-Evangelium nicht einfach um das irdische (Über-)Leben, sondern eben um das den Tod überdauernde ewige Leben nach dem Vorbild des in den Himmel erhöhten Menschensohnes.

Dass Christus Jesus als der bei Gott Erhöhte jetzt schon mitten unter uns gegenwärtig ist, schält sich bei allem Nachdenken über unseren christlichen Glauben als der Kern aller Glaubensfreude und der Quell jeder gesunden Lebensenergie heraus.

Ich kann daher dem Bekenntnis von Kardinal Suenens, der das 2. Vat. Konzil sehr stark mitgeprägt hat, aus ganzer Überzeugung zustimmen:

"Für mich ist Christus jemand, der mit uns lebt; der in dieser Kirche seit 20 Jahrhunderten lebt; der ihr den Atem einhaucht; der jene ganze Blüte der Heiligkeit hervorbringt, welche die lange Geschichte der Kirche zu einem Spiel von Licht und Schatten gemacht hat; aber es ist zu viel Licht, als dass man an dem Licht zweifeln könnte."[14]

[1] Joh 3,1f.
[2] Joh 3,2
[3] Joh 3,13
[4] Ex 3,7
[5] 2 Chr 36, 14-16.19-21
[6] 2 Chr 36,22 f.
[7] Eph 2,4f.
[8] Eph 4,5
[9] Eph 4,6
[10] Eph 4,6b
[11] Eph 2,8
[12] Vorlage Misereor 2006 „Liturg.Bausteine“ S.20
[13] Joh 3,17
[14] Leo Jozef Cardinal Suenens