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Predigten

Übersicht 2006

Homilie am 13.Sonntag (B) in St. Johannes der T. Großenbuch

Jesu Macht über den Tod.
  Talita kum! Mädchen steh auf!
  Buchmalerei 11 Jht.
Jesu Macht über den Tod.
Talita kum! Mädchen steh auf!
Buchmalerei 11 Jht.
Steh auf!

1 Dieser Ruf gehört zu unserem alltäglichen Leben.

„Steh auf, die Nacht ist um, der Tag fängt an.“ Dieses “Steh auf” reißt uns aus unseren Träumen. Es führt uns in die Wirklichkeit des Lebens und des Alltags. Nur wer aufsteht kann sich auf den Weg machen, um zu einem Ziel zu gelangen. Sehr früh mussten am gestrigern Samstag die Wallfahrer aufstehen, um sich auf dem Weg nach Gößweinstein zu machen.

Steh auf und geh dem Gast entgegen, damit er sich willkommen fühlt. Steh auf und mach den Weg frei! Steh auf und pack an!

Aufstehen hat etwas Befreiendes an sich, hat mit neuem Leben zu tun. Endlich wieder aufstehen zu können, nach einem depremierenden Misserfolg oder nach langer Krankheit. Was für ein Geschenk!


2. Dieser Ruf “steh auf” begegnet uns auch im Evangelium

Deine Sünden sind dir vergeben,“ sagt Jesus zu dem Gichtbrüchigen, und Steh auf! Nimm deine Bahre und geh."[1] Eine zweifache Befreiung steckt in diesem “Steh auf” des Herrn. Es schenkt innere und äußere Befreiung und Gesundung.

Noch mehr und bewegender geschieht dies im heutigen Evangelium. Das Töchterchen des Jairus liegt im Sterben. Wer schon einmal das Sterben eines Kindes oder Jugendlichen miterleben musste, kennt jenes unbeschreibliche Weh, das die Beteiligten ergreift.

Jesus ist für den Synagogenvorsteher der Strohhalm an den er sich klammert. “Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt."[2] Dann aber die Nachricht, dass das Mädchen schon gestorben sei. Und die Mut machenden Worte des Herrn: “Sei ohne Furcht; glaube nur!"[3] Beim Haus angekommen die bittere Gewissheit. Weinen und Klagen.

Und dann diese einprägsame Geste des Herrn: “Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum! Mädchen steh auf! Sofort stand das Mädchen auf und ging umher.” Auch uns erfasst die Faszination dieses Geschehens. So wichtig war es der Urkirche und dem Evangelisten Markus, dass er das ursprüngliche Wort Jesu in dessen Muttersprache uns überliefert hat. Talita kum! Mädchen, steh auf!”[4]

Jesus ist es, der allein sagen kann: Steh auf vom Tod und lebe! Er selber steht auf von den Toten, weil Gottes Leben und Kraft in ihm ist und wirkt. Er ist ganz gar durchdrungen von der Basileia tou Qeou, der Königsherrschaft Gottes. Durch ihn zeigt uns Gott, dass er nicht den Tod, sondern das Leben will. „Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden.“[5] Vielmehr hat er „den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen."[6]


3. Der Ruf, “steh auf!” begegnet uns in der Bibel häufig,

Vor allem, wenn es darum geht, zu handeln.

Als Mose auf dem Berg die Tafeln des Bundes von Jahwe empfängt und vor dem Angesicht Gottes steht, ereilt ihn der Befehl Gottes zu raschem Handeln. Gott vertreibt ihn gleichsam aus seiner Nähe: “Steh auf, steig rasch hinunter, weg von hier; denn dein Volk, das du aus Ägypten geführt hast, läuft ins Verderben.”[7] Gott will, dass wir eingreifen, wenn die uns anvertrauten Menschen von ihm weg ins Verderben laufen. Solche Gefahr duldet keinen Aufschub.

Dieses “Steh auf” trifft vor allem die das Volk Gottes Führenden. Wie leicht geraten sie damals wie heute in Depression und Resignation, wenn sie den Abfall und die Gleichgültigkeit der Menschen erleben. Gott reißt den wegen der Sünde Israels am Boden liegenden Josua aus seiner Niedergeschlagenehit heraus: “Steh auf! Warum liegst du da, mit dem Gesicht zur Erde? Israel hat gesündigt.”[8] Dieses “Steh auf!” meint: Stell dich der Wirklichkeit, auch wenn sie bitter ist. Schau auf zu deinem Gott. Wenn Du glaubst, bist du nicht allein; denn Gott ist mit dir.

Auch die Propheten, von Gott besonders begnadete und in Dienst genommene Menschen, können angesichts des Scheiterns der Resignation und Depression verfallen. Am Beispiel des Elija wird das deutlich. Der Blick auf ihn und wie Gott mit ihm umgeht, kann allen helfen, die meinen in der Weitergabe des Glaubens an ihre Kinder und Enkel gescheitert zu sein. Elija erlebt sich als Gescheiterter. Es ist ihm nicht gelungen, den Glauben an Jahwe, den einzigen Gott, durchzusetzen. Er wirft sich in der Wüste unter einen Ginsterstrauch und möchte sterben.

Aus dieser Todessehnsucht weckt ihn Gott durch einen Engel auf: “Steh auf und iss!”[9] In der Kraft der von einem Engel gereichten Speise kann Elija seinen schweren Weg weitergehen. Gestärkt durch das Brot des Lebens, das uns Gott am Tisch seines Sohnes reicht, werden auch wir trotz allem Scheitern den Weg des Lebens und Glaubens weiter und zu Ende gehen.

“Steh auf!” das ist der Ruf der Bibel gegen alle Kräfte des Todes, des Unheils, der Resignation. Als Jerusalem ganz und gar daniederliegt, da ruft ihm der Prophet Jeremia zu: “Steh auf, klage bei Nacht, zu jeder Nachtwache Anfang! Schütte aus wie Wasser dein Herz vor dem Angesicht des Herrn! Erhebe zu ihm die Hände für deiner Kinder Leben, die vor Hunger verschmachten an den Ecken aller Straßen.”[10]

Und selbst in der Erfahrung des Zornes Gottes, der wegen ihrer Sünden und ihres Glaubensabfalls über die Menschen in Israel kommt, gilt: “Raff dich auf, raff dich auf, steh auf, Jerusalem! Du hast aus dem Becher des Zorns getrunken, den der Herr in der Hand hielt. Du hast aus dem betäubenden Becher getrunken und ihn geleert.”[11]

Auch wenn die Menschen aus eigener Schuld, so wie Jerusalem, in Unfreiheit und Gefangenschaft geraten sind, ruft der Herr sie zur Befreiung auf: “Schüttle den Staub von dir ab, steh auf, du gefangenes Jerusalem! Löse die Fesseln von deinem Hals, gefangene Tochter Zion!”

Dieses „Steh auf!“ hören wir auch aus dem Mund der Liebenden: Im Hohen Lied der Liebe hört die Braut den Bräutigam durchs Fenster zu ihr sprechen: „Steh auf meine Freundin, meine Schöne, so komm doch.“

Die Kirche sieht von jeher in der Liebe zwischen Bräutigam und Braut ein Gleichnis für die Liebe Gottes zu seinem Volk. Der heilige Paulus überträgt dieses Bild auf die Beziehung Jesu Christi zu seiner Braut, die Kirche. „Steh auf und komm, meine Schöne, so komm doch!“[12] ruft der Herr uns immer wieder zu. Und alle Liebenden verstehen, was er damit meint. Sie dürfen als Liebende, als Mann und Frau, in ihrer Liebe ein Bild und Gleichnis für die Liebe des Herrn zu uns, zu seiner Kirche sehen.

Wenn doch wir Christen die Einladung unseres himmlischen Bräutigams hören würden. Hat er doch im Abendmahlsaal gesagt: „ Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.“[13] Während dieses Mahles bricht er das Brot und reicht es seinen Jüngern mit den Worten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“[14] In jeder heiligen Messe, in jeder Kommunion, will er uns seine menschliche und göttliche Liebe schenken. Nur wer aufsteht am Sonntag und sich aufmacht, wird sie erfahren. Dazu fordert ein von Kindern gerne gesungenes Lied so auf: „Steh auf, steh auf, steh mit uns auf, wir ziehen zum Hause des Herrn.“

In jeder Messfeier ergeht dieses Ruf „Steh auf!“ an uns. Beim Einzug des Priesters stehen wir auf, um uns bereit zu machen für den auferstandenen Herrn, der jetzt in unsere Mitte kommt. Beim Halleluja Gott preisend stehen wir auf, um für Jesu befreiendes und rettendes Wort bereit zu sein. Zu Beginn des Hochgebetes stehen wir auf, um durch Christus und mit ihm und in ihm dem Vater das in unserer Mitte gegenwärtig werdende Opfer seines Sohnes darzubringen.

Wer so mit der Kirche glaubt und lebt, ist nicht allein. Der Zuspruch und das Gebet glaubender Brüder und Schwestern begleitet und trägt ihn.


4. Dieses “Steh auf!” darf sich aber auch an Gott selber wenden.

Wenn wir Menschen mit unserem Latein am Ende sind, wenn das Unrecht zum Himmel schreit und wir nichts machen können, dann dürfen wir auch zu Gott schreien, wie es der Psalm 44 tut: “Steh auf und hilf uns! In deiner Huld erlöse uns!”[15] oder im Psalm 10: “Herr, steh auf, Gott, erheb deine Hand, vergiss die Gebeugten nicht!”[16]

Und wenn die Feinde des Volkes Gottes übermächtig scheinen, dann werden wir auf die Gegenwart des Herrn vertrauen und uns wie Israel um die Lade des Bundes, um das Allerheiligste, um das Evangelium, um den Altar scharen; Wir werden am Verhalten des Mose uns aufrichten, der “wenn die Lade aufbrach,“ zu Gott rief: „Steh auf, Herr, dann zerstreuen sich deine Feinde, dann fliehen deine Gegner vor dir.”[17]

An vielen Stellen zeigt uns die Heilige Schrift: Wer so mit Gott rechnet und an seinen Christus glaubt wie der Synagogenvorsteher Jairus, der ist nicht allein, er hält allem stand und besiegt den Tod. Er wird die Krone des Lebens erringen. Und die bedeutet mehr als jeder Weltmeistertitel.

 


[1] Mt 9,2 - 6
[2] Mk 5,23
[3] Mk 5,36
[4] Mk 5,41
[5] Weish 1,13
[6] Weish 2,23
[7] Dtn 9,112
[8] Jos 7,10
[9] 1 Kön 19,5.7
[10] Klgl 2,19
[11] Jes 51,17
[12] Hdl 2,10.13
[13] Lk 22,15
[14] Lk 22,19
[15] Ps 44,27
[16] Ps 10,12

[17] Num 10,35