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Predigten

4. Ostersonntag (B) Neunkirchen St. Michael

 

Ich kenne die meinen und die Meinen kennen mich[1]

Kennen Sie Gott?

Was würden Sie antworten, wenn ihnen jemand diese Frage stellte? Schon Kinder fragen nach ihm. Wo ist er denn der Gott? Nicht selten fragen sie auch, was war vor Gott?
Johannes spricht in seinem 1. Brief von den Kindern Gottes, die wir die Christen sind. Er sagt: „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.“[2] Die Welt, damit meint er die Menschen, die ohne Gott oder in Auflehnung gegen ihn leben. Sie kennen ihn nicht. Ihnen ist nicht aufgegangen, wer Gott für sie ist. Deshalb sagt ihnen auch die Gotteskindschaft nichts.
Jesus sagt von sich: „Ich bin der gute Hirt.“ In dem „Ich bin“ steckt das Wort Jahwe. Unter diesem Namen hat sich Gott am Sinai offenbart und gesagt: „Das ist mein Name für immer: Jahwe: Ich-Bin-Der-Ich-Bin-Da.“[3] Jesus behauptet von sich: „Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne.“[4]
Jesus kennt also Gott. Und Gott kennt ihn. Wenn ich also Jesus kennenlerne, geht mir auch auf, wer Gott ist. Auf seinem Antlitz, in seinen Worten und Taten leuchtet Gott auf. Darum sagt der heilige Thomas: ”Gott kann in diesem Leben nicht in seiner Substanz gesehen werden, sondern nur wie in einem Spiegel.“ Und dieser Spiegel ist Jesus Christus. Wenn es dir also schwer fällt Gott zu erkennen, dann schau und hör auf Jesus. Dann ist auch bei Dir mehr möglich als du denkst.

Es gilt Gott zu entdecken

Der russische Dichter Leo Tolstoi hat der folgenden Geschichte die Überschrift gegeben: das Gott-Schauen
In einem fernen Lande lebte einst ein König, den am Ende seines Lebens Schwermut befallen hatte. ”Schaut”, sprach er, ”ich habe in meinem Erdenwallen alles, was nur ein Sterblicher erleben und mit den Sinnen erfassen kann, erfahren, vernommen und geschaut. Nur etwas habe ich nicht schauen können in meinen ganzen Lebensjahren. Gott habe ich nicht gesehen. Ihn wünschte ich noch wahrzunehmen!”
Der König befahl allen Machthabern, Weisen und Priestern, ihm Gott nahe zu bringen. Schwerste Strafen wurden ihnen angedroht, wenn sie das nicht vermöchten. Der König stellte eine Frist von drei Tagen. Trauer bemächtigte sich aller Bewohner des königlichen Palastes, und alle erwarteten ihr baldiges Ende. Genau nach Ablauf der dreitägigen Frist, um die Mittagsstunde, ließ der König sie vor sich rufen. Der Mund der Machthaber, der Weisen und Priester blieb jedoch stumm, und der König war in seinem Zorne bereits bereit, das Todesurteil zu fällen.
Da kam ein Hirte vom Felde, der des Königs Befehl vernommen hatte, und sprach: ”Gestatte mir, o König, dass ich deinen Wunsch erfülle.”
”Gut”, entgegnete der König, ”aber bedenke, dass es um deinen Kopf geht.”
Der Hirte führte den König auf einen freien Platz und wies auf die Sonne. ”Schau hin," sprach er.
Der König erhob sein Haupt und wollte in die Sonne blicken, aber der Glanz blendete seine Augen, und er senkte den Kopf und schloss die Augen.
”Willst du, dass ich mein Augenlicht verliere?” sprach er zu dem Hirten. „Aber König, die Sonne ist doch nur ein Ding der Schöpfung, ein kleiner Abglanz der Größe Gottes, ein kleines Fünkchen seines strahlenden Feuers. Wie willst du ihn mit deinen schwachen, tränenden Augen schauen? Suche ihn mit anderen Augen.”
Der Einfall gefiel dem König, und er sprach zu dem Hirten: ”Ich erkenne deinen Geist und sehe die Größe deiner Seele. Beantworte mir nun meine Frage: Was war vor Gott?”
Nach einigem Nachsinnen meinte der Hirt: ”Zürne mir nicht wegen meiner Bitte, aber beginne zu zählen!”
Der König begann: ”Eins, zwei ...” „Nein“, unterbrach ihn der Hirte, „nicht so; beginne mit dem, was vor eins kommt.”
Wie kann ich das? Vor eins gibt es doch nichts.”
”Sehr weise gesprochen, o Herr. Auch vor Gott gibt es nichts.”
Diese Antwort gefiel dem König noch weit besser als die vorhergehende. ”Ich werde dich reich beschenken; vorher aber beantworte mir noch eine dritte Frage: Was macht Gott?”
Der Hirte bemerkte, dass das Herz des Königs weich geworden war. ”Gut”, antwortete er, ”auch diese Frage kann ich beantworten. Nur um eines bitte ich dich: Lass uns für ein Weilchen die Kleider wechseln.”
Und der König legte die Zeichen seiner Königswürde ab, kleidete damit den Hirten, und sich selbst zog er den unscheinbaren Rock an und hängte sich die Hirtentasche um. Der Hirte setzte sich nun auf den Thron, ergriff das Zepter und wies damit auf den an den Thronstufen mit seiner Hirtentasche stehenden König:
”Siehst du, das macht Gott: Die seinen erhebt er auf den Thron, und die anderen heißt er heruntersteigen!” Und daraufhin zog der Hirt wieder seine eigene Kleidung an.
Der König aber stand ganz versonnen da. Das letzte Wort dieses schlichten Hirten brannte in seiner Seele. Und plötzlich erkannte er sich, und unter dem sichtbaren Zeichen der Freude sprach er: ”Jetzt schaue ich Gott!”
Es bedurfte nur eines einfachen, mit der Wirklichkeit vertrauten, von der Sorge für seine Herde erfüllten Menschen und es ging auch bei dem König mehr als er dachte.

Jesus, der gute Hirt, hilft uns Gott zu schauen

Wir haben am Anfang sein Ich-Bin-Wort gehört: „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne.“ Im gleichen Atemzug sagt er: „und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.“[5]
Nicht ums Regieren geht es ihm, sondern um die Hingabe des Lebens für die ihm vom Vater anvertrauten Menschen. Am Schluss ist er ganz unten. „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen.“[6] Weil er so liebt, deshalb ist er jetzt ganz oben, hat ihn der Vater erhöht.
Wie sagte doch der Hirt zum König: „Siehst du, das macht Gott: Die Seinen erhebt er auf den Thron, und die anderen heißt er heruntersteigen!”
Durch Jesus, durch sein Leben und seine Erniedrigung, seine Auferstehung und Erhöhung beim Vater schaue ich mit den Augen des Glaubens Gott. So hilft uns der gute Hirt Gott zu schauen.
Und der Herr braucht Menschen, die so wie er die Hirtensorge Gottes in der Welt unterstützen.
"Geht das: ganz für Gott zu leben, die Karte allein auf ihn zu setzen, mich ihm zu verschreiben mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren?"
Junge Leute fragen so, ringen mit ihrer Berufung, sind unsicher, welchen Weg sie einschlagen sollen: ob sie sich darauf einlassen können, Priester zu werden, einen pastoralen Beruf zu ergreifen, sich einer Ordensgemeinschaft oder einer geistlichen Gemeinschaft anzuschließen, kämpfen auch damit, ob sie sich lebenslang an einen anderen Menschen binden sollen im Sakrament der Ehe. Und sie haben allen Grund zu fragen: "Geht das?"

Es geht mehr als du denkst, wenn du in enger Freundschaft mit Jesus lebst, ihn und seine Art kennen lernst. Dann wirst du erfahren, dass ER dich liebend anschaut und zu dir sagt: „Du fragst, wird es gehen? Es geht mehr als du denkst, wenn du vom Thron des Herrschen- und alles selber Schaffen-Wollens herunter steigst. Wenn du wie unter den Menschen bist, wie einer, der dient.

Jesus, der gute Hirt sagt uns: Denk immer daran, als guter Hirt, als gute Hirtin musst du wie ich das Leben hingeben für die Schafe, die dir anvertrauten Menschen. Du darfst nicht dich selber weiden. Deine ganze Energie, dein ganzer Einsatz muss vielmehr den dir begegnenden und anvertrauten Menschen gelten.
Auf gute Weide sollst du sie führen, dass sie sinnvoll leben können. Du wirst sie schützen und warnen, damit sie nicht von den Machthungrigen, den nur sich selber Dienenden ausgebeutet oder verführt werden.
Und weiter sagt der Herr: Wenn du in meiner Art deinen Hirtendienst tust, dann geht mehr als du denkst. "Ich bin die Tür zu den Schafen"[7] und zu einem sinnvollen Leben.[8]"


[1] Lesungen: 1. L Apg 4,8–12; 2. L 1Joh 3,1–2; Ev Joh 10,11–18
[2] 1 Joh 3,1
[3] Ex 3,15
[4] Joh 10,14
[5] Joh 10,14 f.
[6] Joh 10,18
[7] Joh 10,7
[8] vgl. Joh 10, 10b