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Predigten

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2006

19.Sonntag B 2006 in St.Michael Neunkirchen

Die Speise auf dem Weg[1]
Zwischen Depression und Aggression

Es gibt Situationen im Leben, die uns schwer zu schaffen machen,  die oft unerträglich sind.  Wenn einer mit 40 oder 50 seine Arbeit verliert, und keine neue findet. Oder durch schwere Krankheit arbeitsunfähig wird. Oder wenn ein Berufsanfänger nach der 20. Bewerbung eine Absage erhält. Schnell setzt sich der Eindruck fest: Ich werde nicht mehr gebraucht. Ich bin zu nichts mehr nütze.
Wir denken an Menschen, die in ihren persönlichen Beziehungen oder im Beruf gescheitert sind. Ja, es kann sogar einer scheitern, der im Auftrag Gottes unterwegs ist.
In der Lesung aus dem Buch der Könige begegnet uns heute ein solcher Mensch: der Prophet Elija.  Seine Mission gegen die in Israel fußfassenden Götzenpriester endete in einem Massaker. Elija zog sich dadurch den Zorn der Königin Isebel zu, welche die Götzenpriester gefördert hatte. Er musste vor ihrem tödlichen Hass fliehen, um seinen Kopf zu retten. Auf der Flucht verlassen ihn die leiblichen und seelischen Kräfte. Er gerät in eine tiefe Depression. Niedergeschlagen im wahrsten Sinn des Wortes legt er sich unter einen Ginsterstrauch und wünscht sich den Tod: "Nun ist es genug, Herr, nimm mir mein Leben."
Wir kennen ähnliche Erfahrungen. Nichts mehr hören wollen, nichts mehr sehen wollen von allem, was so bedrückt, bedrängt, die Seele niederdrückt.  Akute oder chronisch belastende Lebensereignisse können eine Depression auslösen.
Eine andere Form auf schwierige Situationen zu reagieren, eine andere ist
Die Aggression.
 Der Brief an die Epheser spricht von „ Wut, Zorn, Geschrei, und Lästerung“. Der in Schwierigkeiten geratene, in die Enge getriebene Mensch, schlägt um sich, mit Worten oder mit Gewalt. Wir wissen z.B. von Jugendlichen, die sich unterlegen fühlen oder den Anforderungen des Berufes nicht gewachsen sind, dass sie viel schneller gewaltbereit sind als Jugendliche, die Erfolg haben in der Schule und im Beruf.
Depression und Aggression sind die beiden extremen Verhaltensweißen mit denen in Bedrängnis geratene Menschen reagieren.
Wie aus der Klemme kommen?
Bei Elija ist es ein Engel Gottes, der ihn anrührt. Seine Botschaft ist kurz und bündig: "Steh auf und iss. Sonst ist der Weg zu weit für dich." [2] Wer sich hängen lässt, wer am Boden liegen bleibt, ist verloren.
Die Heilung beginnt mit einer leibhaftigen Berührung. „...ein Engel rührte ihn an.“ Das kann durch einen uns wohlwollend gesinnten, einen uns liebenden Mensch geschehen, der uns anstößt, der für uns zum Engel, zum Boten Gottes wird.
Der Engel Gottes kann uns anrühren in Tag- und Nachträumen. Manchmal kann es ein Schlag sein, der uns aufweckt. Ein andermal wird es wie eine zärtliche Berührung sein, die uns aufblicken lässt.
Gott kann uns durch seinen Engel anrühren in Meditation und Gebet, so dass seine Gnade, seine liebende Nähe uns durchströmend Leib und Seele aufleben lässt. Das ist es, was zu allererst geschieht: „...ein Engel rührte ihn an.“ Dann erst spricht dieser: „Steh auf und iss!“
Die erste Aufforderung heißt: "Steh auf!" Das ist wörtlich und leibhaftig zu verstehen. Auferstehung fängt damit an, dass wir aufstehen. Es bedeutet, ich will mich wieder auf den Weg machen. Ich will meinen Pilgerweg erneut unter die Füße nehmen. Ich will das Ziel meines Lebens in den Blick nehmen und ihm bewusst und mutig entgegengehen.
Und die zweite Aufforderung heißt: "und iss!" Was soll er essen? Die Nahrung, die Gott ihm bereitgestellt hat.  Im Evangelium zeigt Jesus, was damit gemeint ist. Wir sollen Schüler Gottes werden und uns von Gott durch Jesus ansprechen und führen lassen.  Denn er ist »das Brot das vom Himmel herabgekommen ist«. Wer ihn, in seinem Wort und seinem Brot in sich aufnimmt, „wird nicht sterben, wird in Ewigkeit leben.“
"Steh auf und iss"  gehören zusammen.  Der ganze Mensch , Geist, Seele und Leib bedürfen der Stärkung. Darum gehören Wort und Sakrament, immer zusammen. Die Sakramente sind die von der Liebe Gottes erfüllten, Heil wirkenden leibhaftigen Zeichen mit denen Gott uns ganzheitlich berührt.
Wer am Sonntag nur seinem Vergnügen nachjagt, der wird jetzt nicht Schüler Gottes sein, er wird Jesu Wort und Brot nicht zu sich nehmen.  Wer die Nacht vom Samstag zum Sonntag immer zum Tage macht, der bleibt am Sonntag halt liegen. Er kommt nicht hoch. Wenn doch ein Engel käme und ihm einen Stoß versetzte, damit er aufwacht!
Elija hatte Glück, dass ein Engel ihn anrührte und aus seiner Depression und Niedergeschlagenheit herausriss.  Er hatte aber auch den Mut aufzustehen und die Speise Gottes zu essen. Deshalb hielt er durch und kam ans Ziel: dem Gottesberg Horeb, wo sich Gott ihm offenbarte.  Nur wer aufsteht und isst und trinkt, kommt ans Ziel,  zur Fülle des Lebens bei Gott.      
Was aber, wenn wir in belastenden Lebenssituationen aggressiv werden?
Genügt der Appell der 2. Lesung: "Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei, Lästerung und alles Böse verbannt aus euerer Mitte?“[3] Wenn das so einfach ginge. Ich kann mir das zwar befehlen, ob es aber im Ernstfall  gelingt, setzt ein ständiges Bemühen um Selbstbeherrschung voraus.
Sie gründet in dem ständigen sich Erinnern, dass Gott durch seinen heiligen Geist seit Taufe und Firmung in mir wohnt. Das muss ich verinnerlichen.
Wenn ich mich also so aggressiv benehme oder andere zur Aggression reize, ist das eine Beleidigung des Heiligen Geistes, der in mir wohnt. Solches Verhalten ist seiner Einwohnung in mir unwürdig. Vielmehr sollte ich  den in mir wohnenden Gott nachahmen. Und „der lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, über Gerechte und Ungerechte“.[4]
Wenn ich mir bewusst bin, dass Christus mir vergibt, dann werde ich fähig, auch zu vergeben. Ich werde mir also immer wieder sagen, dass Christus mich liebt und sich für mich hingegeben hat. Ich werde mir wieder in Erinnerung rufen, dass Gott für meine Rettung das  Liebste investiert hat: Jesus, seinen Sohn.
Ich werde mir weiter sagen: Ich muss jetzt nicht in Wut und Zorn geraten, in Geschrei und Lästerung ausbrechen, auch wenn mich der andere zur Weißglut reizt, weil mich Gott in meiner Schwachheit und mit meinen Fehlern ganz angenommen hat. Und ich werde mich an den Rat des Paulus halten: „Segnet euere Verfolger; segnet und verflucht sie nicht.“[5]
Das ist beste Medizin gegen Depression und Aggression:
„Steh auf und iss!“ Lass dich vom Engel Gottes wachrütteln. Werde Schüler Gottes und suche Jesus und geh mit IHM deinen Lebensweg. Seine Liebe, sein Dasein für uns im Brot der Eucharistie schenkt uns die Kraft aus Depression und Aggression herauszufinden.
Körperliche Betätigung, eine Wallfahrt zu Fuß,  ärztliche Behandlung und Beratung, Gesprächstherapien. All das sind unterstützende und hilfreiche Maßnahmen. Aber sie allein genügen nicht.
Für uns Christen ist der Engel Gottes der uns anrührt und auffordert: Steh auf und iß! Jesus Christus, der Messias Gottes. Er ist „das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“[6] Es ist nicht selbstverständlich, dass der Mensch zu Jesus als dem lebenigen Brot findet. Es ist Geschenk Gottes. Darum sagt Jesus: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt.“[7]
Daher werden wir Gott unaufhörlich bitten: „Lass mich auf dich hören und an dich glauben, dass du in Jesus für uns da bist. Führe uns und alle Menschen zu Jesus. Er ist die Speise auf dem weiten und beschwerlichen Weg zum Ziel, zu Dir, unser Gott. Lass uns sein Evangelium und sein Mahl zur Quelle der Kraft werden. Denn Du hast ihn dazu bestellt, dass er uns auferwecken wird am letzten Tag.[8]

[1] Homilie zu 1 Kön 19,4-8; Eph 4,30 - 5,2; Joh 6,41-51
[2] 1 Kön 19,7
[3] Eph 4,31
[4] Mt 5,45
[5] Röm 12,14
[6] Joh 6,41
[7] Joh 6,44
[8] Joh6,44b