Predigten
Apostelschüler Timotheus und TitusThema: Geistliche Berufe Lesung: Tit 1,1-5; Evang: Lk 10,1-9
Das heutige Evangelium setzt bei jenem Zeitpunkt an, als Jesus seine Tätigkeit in Galiläa abgeschlossen hat und auf dem Weg nach Jerusalem ist. Die Zeit drängt, und die Ernte ist groß (10, 2). „Ernte“ ist in der Sprache der Bibel ein Bild für das endzeitliche Gericht Gottes über die Völker. Dass sich die Mission auf alle Völker ausdehnt, darauf weist die Zahl 70 hin; ihr liegt wohl die Vorstellung zugrunde, dass es in der Welt 70 nichtjüdische Völker gibt. "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter", sagt Jesus. Der Mangel an Menschen, die bereit sind, für die Ernte des Reiches Gottes, das Jesus verkündet und mit ihm angebrochen ist, zu arbeiten und sich in den vielfältigen Bereichen des kirchlichen Lebens einzusetzen, hat offensichtlich von Anfang an bestanden. Jesus braucht in seiner Kirche Menschen als Priester, Missionare, Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Caritas und in organisatorischen Aufgaben; Menschen, die in Beruf oder Ehrenamt oder einfach durch ihr gelebtes Glaubenszeugnis und ihr Gebet dabei sind. Daher bleibt der Aufruf Jesu immer aktuell: "Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden." Das sagte er damals den 72 Jüngern, die er aussandte. Dieser Bitte haben sich, vermittelt durch den heiligen Paulus, auch Timotheus und Titus nicht versagt. Nun darf Mission in keine vorübergehede Angelegenheit, sondern sie muss vielmehr eine nachhaltige sein. Der letzte Satz der heutigen Lesung aus dem Titusbrief zeigt es deutlich: "Ich habe dich in Kreta deswegen zurückgelassen, damit du das, was noch zu tun ist, zu Ende führst und in den einzelnen Städten Älteste einsetzt, wie ich dir aufgetragen habe."[1] Der Glaube vor Ort braucht weiter Leitung und Vertiefung. Soll sich Gemeinde als Leib Christi erfahren braucht es eine Gemeindeordnung und zugleich das über die eigene Gemeinde Hinausblicken und -denken. Also auch das was das griechische Wort Ökumene ursprünglich meint: die Gemeinschaft der Christen auf der ganzen Welt im Blick zu behalten und an ihr teilzuhaben. Darum bleibt das Gebet und Bemühen um die Einheit der Christen eine wichtige Aufgabe, die der Herr selber seinen Jüngern aufgetragen hat. Paulus war sehr darum bemüht an den Orten seines Wirkens fähige und geeignete Menschen zu finden, denen er die Aufgabe der Leitung der Gemeinden übertragen konnte und die in seinem Sinn die Arbeit im Weinberg des Herrn weiterführten. Timotheus und Titus waren zwei solch wichtige Christen. Timotheus entstammt der "Mischehe" zwischen einer Auslandsisraelitin und einem Heiden in Lystra. Dort hat ihn Paulus bei der ersten Missionsreise kennengelernt und getauft. Er hat ihn auf seinen weiteren Reisen als Gefährten mitgenommen. Bei der Liberalität der Auslandsjuden war Timotheus nicht beschnitten worden. Trotz der leidenschaftlichen Betonung der Freiheit vom jüdischen Gesetz lies Paulus ihn beschneiden. Wohl um den Disaporajuden eine Brücke zum christlichen Glauben zu bauen. Die Großmutter Lois und die Mutter Eunike werden von Paulus ehrenvoll genannt und als Glaubensträger für Timotheus bezeichnet. So darf man Timotheus als ersten Spross christlicher Familienerziehung ansehen. Die Aussagen der beiden Briefe an Timotheus sind auf den Adressaten persönlich gemünzt. Daraus darf man auf seinen Charakter schließen. Er ist ganz auf die Seelsorge, auf Verkündigung ausgerichtet. Er hat ein besonderes diplomatisches Geschick, Bote und Friedensvermittler zu sein. Anders als Markus ist Timotheus nicht familiengebunden, sondern weltgewandt, reisefreudig, jugendlich beschwingt. So passt es zu seiner Herkunft aus dem Auslandsjudentum. Paulus ruft ihn zu sich nach Rom, als er von Todesahnung erfüllt ist. Timotheus wird mit dem Bischofsamt in Ephesus betraut. Dort vollendet er sein Leben. Seine Gebeine wurden in der Apostelkirche von Konstantinopel, der Grabkirche Konstantins, aufbewahrt, heute in der Taufkirche des Lateran. Des Titus Herkunft ist unbekannt. Von Jugend auf ist er Christ. Er gehört ebenfalls zu den engsten Mitarbeitern des heiligen Paulus. Er überbringt nach Korinth den "Tränenbrief" und den zweiten Korintherbrief. Auch er wird vom todbereiten Paulus gerufen und nach Dalmatien geschickt. Vorher schon und bis zu seinem Tode im Alter von 94 Jahren ist Titus Bischof von Gortyna auf Kreta. Was er dort zu leisten hatte, sagt Paulus (Tit 1, 12) mit dem Bemerken (Zitat aus dem Dichter Epimenides): "Die Kreter lügen immer, sind wilde Tiere, faule Bäuche." Dagegen stellt der Völkerapostel für Titus das Ideal auf, das uns jährlich in der Weihnacht aufleuchtet: "Erschienen ist die Gnade Gottes... dass wir gerecht, besonnen und fromm in der jetzigen Welt leben, in seliger Erwartung der Hoffnung... Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Heilandes und Gottes." So geartet möchten wir uns auch Titus vorstellen. Die Milde und Liebenswürdigkeit der beiden Apostelschüler strahlt auch auf ihren Lehrer und Vater zurück. Jesus belässt es nicht bei der Feststellung: "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter." Vielmehr erteilt der seinen Jüngerinnen und Jüngern Auftrag: "Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden." Diese Bitte dürfte keiner im Ernst nachsprechen, der nicht selbst bereit wäre, alles, was in den eigenen Lebensmöglichkeiten liegt, dazu beizutragen und die eigene Existenz in die Arbeit der Ernte des Reiches Gottes einzubringen. [1] Tit 1,5
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