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Predigten

Homilie zu Apg 15,7-21 am Donnerstag der 5. Ostewoche

Einheit in versöhnter Verschiedenheit[1]

Keine heile Welt

Es gibt nicht wenige fromme Christen, denen ist jeder Streit in der Kirche, in der Pfarrgemeinde zu wider. Sie träumen von einer heilen Welt; denn die müsste ja unter Christen am aller ersten möglich sein. Manchmal beobachten wir, wie Menschen mit Ausdrücken wie "der oder die ist ein Stänkerer" mundtot gemacht werden, weil sie mit manchem in der Kirche, in der Gemeinde, nicht einverstanden sind oder weil sie Entwicklungen mit ihrem Gewissen meinen nicht verantworten zu können.

Und auch Beschwichtigungshymnen, wie "heile, heile Gänschen, es wird scho wieder gut, das Kätzche hat a Schwänzche, es wird schon wieder gut, heile, heile Mausespeck in hundert Jahr ist alles weg," helfen auch nicht.

Streit in der Urkirche

Die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet über heftigen Streit in der Urkirche in Jerusalem. Die beiden Missionare, die den Christusglauben erfolgreich zu den Heiden gebracht haben, Paulus und Barnabas, werden von der Jerusalemer Gemeinde recht kühl empfangen. Offener Widerspruch gegen die Missionsmethode des Paulus kam von einigen Pharisäern, die gläubig geworden waren. Die Diskussion brachte keine schnelle Lösung, der Streit wurde immer heftiger.

Überwindung des Streits durch Gottes Wort und Geist

Was auf dieser ersten christlichen Synode geschah, kann für alle späteren als Modell gelten. Weder die Debatte noch die autoritäre Entscheidung führt zur Übereinstimmung, sondern allein Gottes Wort und Gottes Geist.

Dabei ist für uns aufschlussreich, dass es auf der einen Seite sehr wichtig ist in der Heiligen Schrift zuhause zu sein und das war für die Urkirche das AT. Zum anderen ist es genauso wichtig, das Wirken des Heiligen Geistes wahrzunehmen und daraus Schlussfolgerungen für das praktische Verhalten und Tun zu gewinnen. Dabei ist es eine in der Apostelgeschichte festgehaltene Erfahrung, dass der heilige Geist denen geschenkt wird, "die Gott gehorchen." Apg 5,29

Die Aufgabe der Autoritäten

Weiter ist interessant, dass die zwei wichtigsten Autoritäten der Urkirche, Petrus und Jakobus als Sprecher hervortreten.

Petrus kann auf die Bekehrung des Heiden Kornelius hinweisen (Apg 10, 1 bis 11, 18); Gott gibt seinen heiligen Geist ohne Unterschied den Juden und den Heiden. Nicht die Beschneidung macht vor Gott rein, sondern der Glaube (V. 9); nicht durch das Gesetz werden wir gerettet, sondern die „durch die Gnade Jesu, des Herrn“ (V. 11). Petrus hat auf dieser Synode nicht dekretiert, aber er hat klar und entschieden seinen Glauben bekannt.

Damit war die Atmosphäre für ein fruchtbares Gespräch geschaffen. Auch Paulus und Barnabas können auf Tatsachen verweisen. Gott selbst hat die Heidenmission bestätigt: durch den Heiligen Geist (V. 8), durch Zeichen und Wunder (V. 12)

Schließlich tritt auch der gesetzestreue Jakobus für eine gesetzesfreie Heidenmission ein (V. 14-20). Damit ist die Entscheidung klar. Den Heidenchristen soll grundsätzlich nicht die Last des mosaischen Gesetzes aufgeladen werden; niemals dürfen zeit- und kulturbedingte Bräuche und Vorschriften den Weg zu Christus versperren.

Jakobus, die Säule der Judenchristen (wohl der "Herrenbruder" und erste Bischof von Jerusalem, als solcher im Jahre 62 hingerichtet), schließt sich dem Simon (= Petrus) an, bringt einen Schriftbeweis durch die Berufung auf die Propheten (Amos und Jeremia). Er zeigt auf, dass Gott die verfallene Hütte Davids wieder aufrichtet, "damit die übrigen Menschen den Herrn suchen, auch alle Völker, über denen mein Name ausgerufen ist."

So erreicht er in kluger Weise für das nötige Zusammenleben von Judenchristen und Heidenchristen einen Kompromiss („Jakobusklauseln“). Das heißt: die Sache ist grundsätzlich entschieden, für die Heiden gilt keine Verpflichtung auf das mosaische Gesetz. Paulus und sein Missionswerk werden somit in die Gesamtkirche integriert.

Es kommt aber zu einem gewissen "Belastungsausgleich": den Heiden-Christen legt man wenige rituelle Gebote auf, damit die gesetzesstrengen Judenchristen nicht vor den Kopf gestoßen sind und die Mission unter den Juden nicht weiter erschwert wird.

Es geht in der Kirche eben nicht darum seinen Kopf oder seine Interessen durchzusetzen, sondern dass das Wirken des Heiligen Geistes erkannt und durch das Zeugnis der Heiligen Schrift bestätigt wird.

Ergebnis: Wichtige Einsichten

Der heftige Streit führt nicht zur Spaltung, sondern durch das Glaubenszeugnis des Petrus, des Paulus und Barnabas und das Schriftverständnis des Jakobus gelangt die Urgemeinde zu einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Sie gewinnt außerdem wichtige für die Zukunft der Christenheit entscheidende Einsichten.

1. Die Apostel und durch sie auch die Gemeinde sehen und bestaunen das Wirken des Geistes Gottes. Dieses Wirken zu hemmen wäre eine Sünde gegen den Heiligen Geist. Diesen Tatbestand aufzuzeigen und den Lesern immer wieder klarzulegen, wird Lukas, der "Evangelist des Geistes", nicht müde.

2. Gott beruft alle, keinesfalls schließt er die große Masse der Heiden aus. Äußere Unterschiede bedeuten nichts, Gott sieht auf das Herz, das er im Glauben aufschließt und reinigt. Es gibt verschiedene Heilswege.

3. Das Evangelium beruft zur Freiheit: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit..., laßt euch nicht wieder in das Joch der Knechtschaft spannen" (Gal 5,1); freilich eine Freiheit als "Wandel im Geiste" (Gal 5,16). Das Evangelium ist aber auch der freie Ruf Gottes; wer will ihn zwingen oder einengen (vgl. Röm 9,14-29; 11,23)? Schließlich war er immer schon ein Gott aller Menschen (Röm 3,29; 10,20; Apg 15,17).

Ich denke, diese apostolischen Verfahrensweisen sollten sowohl in den innerkirchlichen Auseinandersetzungen wie auch im ökumenischen Gespräch immer neu ernst genommen werden. Die Gnade Gottes, das Wirken seines Geistes muss bei allem Ringen um den richtigen Weg über allem stehen.

 

[1] Homilie zu Apg 15,7-21