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Predigten

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2006

Homilie zu den Texten des 23.Sonntags (B) und Papstbesuch in Bayern
gehalten in der Neunkirchen St. Michael

 

Servus servorum Dei – Diener der Diener Gottes[1]

"Und beim Abschied sag ich leise »servus«", hieß ein beliebter Schlager. In manchen Gegenden ruft man sich noch heute beim Abschied "Servus" zu. Servus ist ein lateinisches Wort und heißt Diener

»Servus servorum Dei« lautet ein bekannter Titel der Papstes: »Diener der Diener Gottes«. Das also ist die fundamentale Aufgabe des Petrusdienstes dem Heil der übrigen Diener Gottes zu dienen, die Herde Gottes auf gute Weide zu führen oder wie Jesus es dem Petrus aufträgt: "Du aber stärke deine Brüder."  Wörtlich sagt Jesus bei Lk 22,32: "Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder." Christus betet für Petrus, dass sein Glaube nicht erlischt, und er spricht davon, dass er sich bekehren wird. Beides, das Gebet Christi und das sich immer wieder Bekehren zu Gott und seinem Messias Jesus, befähigt den Petrus und seinen Nachfolger im Petrusdienst, den Papst, unseren Glauben zu stärken. Wer die Predigten des Papstes aufmerksam hört oder liest, spürt die große aus der Liebe aufsteigende Kraft seines Glaubens.

Säkularisation - Stärkung des Papsttums

Die deutschen Fürsten hatten im Gefolge der Napoleonischen Kriege 1803 die Säkularisation beschlossen. Für ihre linksrheinischen an Napoleon abgetretenen Gebiete kassierten sie den Besitz der Katholischen Kirche und der Klöster. Durch die Zerstörung der Geistlichen Fürstentümer, die Aufhebung aller Klöster und durch Einzug ihres Vermögens, glaubte man der Katholischen Kirche in Deutschland den Garaus gemacht zu haben.

Aber man unterschätzte die Katholiken. Diese wendeten sich nun verstärkt Rom und dem Papst zu. So kam es zu einer Stärkung des Papsttums. Das 2. Vat. Konzil hat den Dienstcharakter des Petrusamtes herausgestellt. Wer hätte je gedacht, dass 200 Jahre nach der Säkularisation ein Deutscher, ein Bayer, Josef Ratzinger, als Papst nach Bayern kommen würde. Wie zeigt sich

Der Petrusdienst heute?

In Benedikt XVI verbinden sich tiefe Frömmigkeit und hohes theologisches Wissen. Seine demütige Bescheidenheit und seine charismatische Ausstrahlung verkörpern glaubwürdig den Petrusdienst in unserer Zeit. Seine Aufgabe ist vom Herrn selber gewiesen:

"Stärke deine Brüder und Schwestern!"

Dazu ist dieses Dienstamt da. Nicht um Macht über die Menschen auszuüben, nicht mit Glanz und Pomp aufzutrumpfen, wie es in der Geschichte auch geschah, sondern mit dem Propheten Jesaja den ängstlichen und manchmal verzagten Christen geprägt von Jesus Christus zuzurufen: "Habt Mut, fürchtet euch nicht!" Gott ist gegenwärtig mit seinem rettenden Handeln. Jeder erinnere sich an die Stationen seines Lebens, wo er dieses schon erfahren hat. Gott wird dir die inneren Augen und Ohren, die Augen und Ohren des Herzens auftun. "Dann springt der Lahme wie ein Hirsch." Du kommst wieder auf die Beine. Du wirst spüren, wie der Mut wächst und du deine Aufgaben im Geiste und in der Liebe Christi wieder anpacken kannst.

Wer an den gegenwärtigen Gott glaubt, ist nicht allein;

Am vergangenen Sonntag schon hörten in der 1. Lesung. "Jahwe, unser Gott ist uns nahe, wo immer wir ihn anrufen."[2] Millionen Menschen schöpfen aus dieser Nähe Gottes täglich Kraft für ihr Leben und Handeln, finden Ermutigung, vor schwierigen Herausforderungen und Aufgaben nicht ängstlich zurückzuweichen. "Denn", so heißt es im Buch Nehemia, "die Freude an Gott ist unsere Kraft."

Diese Freude, dass Gott da, der sichere Grund meines Lebens ist, lässt mich aufjubeln bei allen Wunden, die das Leben schlägt, bei allem, was Stückwerk bleibt, bei allen Entfremdungen und Missverständnissen; denn Gott kennt mich bis auf den Grund meines Wesens. Er durchschaut mich liebend mit meinen Stärken und Schwächen. Vor ihm brauche ich mich nicht zu verbergen; denn er hat mich geschaffen und erlöst.

Unser Gott ist ein befreiender Gott, der durch uns handeln will.

 Der Antwortgesang aus dem Psalm 146 besingt dieses rettende und befreiende Handeln Gottes. Er verschafft den Unterdrückten Recht, gibt den Hungernden Brot, Öffnet den Blinden die Augen, richtet die Gebeugten auf. Beschützt die Fremden und verhilft den Witwen und Waisen zu ihrem Recht.

Diener und Dienerinnen Gottes sind wir, wenn wir uns Gottes und Jesu Sorge um die Menschen zueigen machen, wie Jesus ein Herz für die Kleinen, Armen, Kranken, Leidenden, Bedürftigen haben. Diener der Diener Gottes werden wir, wenn wir ihm unsere Hände und Füße, unsere Phantasie und unser Können, unsere materiellen und geistigen Mittel für Not Leidenden zur Verfügung stellen.

Es gibt Menschen, die sorgen hauptsächlich zuerst für sich, dass es ihnen gut geht. Diesem Streben ordnen sie alles andere unter. Dem hat alles und haben alle zu dienen. Dann sind sie zu uns nett und freundlich, sind wir bei ihnen angesehen. Gott und auch Jesus denken und handeln nicht so. Bei ihnen gibt es kein Ansehen der Person. Der Reiche hat dem Armen gegenüber nichts voraus. Im Gegenteil!

Gott stellt sich eindeutig auf die Seite der Armen in der Welt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben seiner Königsherrschaft zumachen.[3] Schon am vergangenen Sonntag stellte uns der Apostel Jakobus klar vor Augen, worin ein reiner und makelloser Dienst vor Gott dem Vater besteht: Für die Ärmsten der Armen zu sorgen, das waren zu seiner Zeit die Witwen und Waisen.[4]

Nur dann sind und bleiben wir auf dem Jakobusweg, wenn diese Sicht des Apostels unser Handeln bestimmt, dass wir Gott in den Armen dienen. Dass er dabei gerade die Geringsten im Blick hat, die uns keine Gegengabe, nicht einmal ihren Dank abstatten können, macht Jesus in seiner Gerichtsrede deutlich: Was ihr dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Gott identifiziert sich durch Jesus also mit den Geringsten.

Benedikt XVI zeigt in seiner Enzyklika »Deus caritas est« auf, dass "Gottes- und Nächstenliebe verschmelzen. Im Geringsten begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott." (15)

In seinem Hirtenwort zur Fastenzeit weist Benedikt XVI auf Jesus, der entschlossen ist, die Menschen und Völker "vor den Wölfen zu verteidigen selbst um den Preis seines Lebens." Von dieser österlichen Wahrheit erleuchtet, nimmt die Kirche für die Förderung einer vollen Entwicklung der Menschheit Maß an der Sicht Jesu. Wo das geschieht, werden wir "stärker unsere lebendige und unerlässliche Verantwortung für die Armen der Welt spüren."

„Wo ringt Jesus in dieser Zeit mit dem Tode,“ so fragte Benedikt XVI. an der neunten Station des Kreuzweges am Karfreitag in diesem Jahr. Die Antwort hieß: “Die Teilung der Welt in Zonen des Wohlstands und Zonen des Elends ist die Agonie Christi heute.” Tatsächlich bestehe die Welt aus zwei Räumen: “In dem einen fürchtet man die Fettleibigkeit, in dem anderen sterbe man vor Elend.“ “Warum begreifen wir nicht,“ fragte der Papst, “dass die Armen die Therapie sind für die Reichen? Warum, warum, warum sind wir so blind?”

Berührt und geheilt werden

Der Papstbesuch in Bayern darf nicht zum Medienspektakel oder zu einer Art Selbstbeweihräucherung bayerischer Lebensart werden, sondern wie Jesus im Evangelium will der Papst uns in seiner Heimat begegnen, uns berühren mit seiner Demut, mit seinem fundierten Glauben und seiner tiefen Spritualität.

Mit Jesus im heutigen Evangelium ruft uns zu "Effata! Öffne dich!“ Gott öffne die Ohren eures Herzens, damit ihr hört, dass Gott die Armen in der Welt auserwählt hat, um sie durch den Glauben reich und zur Erben seines Königreichs zu machen, und zwar durch uns, die wir mit den Gütern des Lebens gesegnet sind.

Gott will unseren Mund öffnen, damit ihn aufmachen gegen jede Art Verschwendung in Kirche und Gesellschaft. Es muss zu einer Solidarität kommen zwischen den reichen Gemeinden bei uns mit den armen Gemeinden bei uns und in der dritten Welt. Es bedarf dabei des klaren inneren Blicks, um beurteilen zu können, wo unsere Hilfe vordringlich gebraucht wird.

Das größte Übel ist, wenn wir taub und stumm bleiben. Jesus heilt den Taubstummen. Er tut es nicht aus seiner Machtfülle heraus wie Zauberei im Vorübergehen, sondern nimmt sich Zeit für diesen Menschen ohne Namen. Er berührt den Mann ganz persönlich, auch mit Speichel nach der Art der damaligen Heiler. Und erst in diese aufgenommene Beziehung hinein ruft er die Kraft Gottes. Der machtvolle Befehl. "Effata - öffne dich!" geht einem durch Mark und Bein mit dem Gefühl: Welches Übel, welche Krankheit, welches Leid könnte diesem Wort widerstehen? Es heilt das Übel von der Wurzel her. Es stellt die gottgewollte gute Schöpfungsordnung an diesem Punkt in diesem Moment her.

Mit seinem Besuch in Bayern will der Papst auch uns ganz persönlich berühren. 

Sein Petrusdienst besteht darin, uns mit Gottes Hilfe zu öffnen, dass wir Jesu Botschaft hörend in uns aufnehmen und sie in der Hilfe für die Armen zur Tat werden lassen. Er berührt uns durch seine Nähe, damit wir unseren Mund öffnen für Gerechtigkeit und Solidarität mit den Armen und Schwachen. Er berührt uns und sagt zu uns in göttlicher Vollmacht: Effata! Öffnet Euch! Gott will euch von der Wurzel allen Übels, dem Blind und Stummsein, und von der Habsucht, heilen.

Als Jesus des Taubstummen Ohren und Zunge befreit hatte, gerieten die Menschen außer sich vor Staunen und sagten:

Er hat alles gut gemacht.

Der Papstbesuch ist sicher ein Event, ein eindrucksvolles Ereignis, bei dem der Nachfolger des hl. Petrus unseren Glauben stärken will. Aber ein bleibender Eindruck wird erst dann entstehen, wenn sich dadurch etwas in unserem Leben bewegt, hin zu mehr Solidarität mit den Armen, Hungernden, Kranken und Notleidenden.

Michael Turnwald aus unserer Pfarrei macht z. Z. in einer Andenpfarrei in Peru ein viermonatigen Praktikum im Rahmen seiner Ausbildung zum Gemeindereferenten. Es ist gut, dass junge Menschen aus unseren Breiten auf diese Weise ihre Augen, Ohren und Herz für die Armen öffnen. Ich bin gespannt, was er uns erzählt, wenn er Ende September heimkommt.

Er kann zwar nicht am Papstbesuch in Bayern teilhaben, aber er ist bei denen, für die der Papst uns das Herz aufschließen möchte. Gott lieben, sagt Jakobus, heißt auch die Armen lieben und mit ihnen solidarisch sein; "Denn Gott hat die Armen in dieser Welt auserwählt."

Könnten wir nicht dem Heiligen Vater, dem »servus servorum Dei – dem Diener der Diener Gottes«, vielleicht heute doch leise "servus" zurufen. „Mit Dir, Heiliger Vater, wollen wir Diener der Diener Gottes, vor allem die Armen werden.“


[1] Bibeltexte des 23.So.B. 1. L Jes 35,4–7a; 2. L Jak 2,1–5; Ev Mk 7,31–37

[2] Dtn 4,7

[3] Jak 2,5

[4] Jak 1,27

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