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Predigten

2006

Gottesbeziehung, Aufgabe und Wirkweise des Gottesknechtes und der Christen [1]

1 Mit Johannes dem Täufer schauen wir heute auf Jesus.

Wir ahnen etwas von der Größe Jesu, dem Messias Gottes. Johannes hält sich nicht für würdig, sich vor ihm zu bücken und ihm die Schuhe aufzuschnüren.[2] Woher kommt seine Demut, mit der er auf Jesus zeigt, hinter ihm zurücktritt?
Johannes ganz in der Tradition des ersten Gottes Volkes stehend lebt in der Erwartung des von den Propheten verheißenen und von Gott gesandten Messias und Retters der Welt.
Leider gibt es nicht wenige Christen, die das AT für überholt ansehen und es kaum beachten. Dabei ist Jesus als der Messias Gottes, als der Christus, ohne die Aussagen des AT nicht zu verstehen, wird er nur zu einem außerordentlichen Menschen neben anderen. Wenn wir uns aber auf die durch die Propheten gegebenen Verheißungen Gottes einlassen, dann geht uns die Einmaligkeit Jesu und seine besondere Stellung im Plane Gottes auf, der das Heil aller Menschen will.
Deshalb verkündet uns die Kirche heute am Fest der Taufe Jesu, dem 1. Sonntag im Jahreskreis, das erste der vier sog. Gottesknechtlieder beim Propheten Jesaja. Jesus selber deutet seine Sendung von diesen Liedern her. Das dritte Lied wird uns am Karfreitag vorgelegt. Mit diesem für »die Vielen« leidenden und sterbenden und erst auf diese Weise seine eigentliche Bestimmung verwirklichenden Knecht Gottes hat sich Jesus ausdrücklich identifiziert.[3]
An dem heutigen Jesajatext wird

2. Wesen und Wirken Jesu

des wahren Gottesknechtes sichtbar. Christsein heißt, ihm nachfolgen und von ihm lernen. Als Erstes schauen wie auf

2.1 Die Gottesbeziehung Jesu

Die Bezeichnung »Knecht Gottes« braucht nicht unbedingt eine Niedrigkeitsaussage zu sein, sondern ist eher als Ehrentitel zu verstehen. So ist im innermenschlichen Bereich der (Premier-)Minister der »Knecht« seines Königs, zu dem er, als sein Freund und Vertrauter, stets freimütigen Zutritt hat. So wird David und jeder Prophet »Knecht Jahwes« genannt. Als persönliches Eigentum Jahwes steht der Knecht Gottes unter dem besonderen Schutz und der liebevollen Sorge Gottes.
Er fasst ihn bei der Hand,[4] um ihn nun auf allen Wegen zu führen und zu leiten.
Dem Gedanken, dass der »Knecht« in besonderer Weise Jahwes Gegenwart und Kraft teilhaftig ist, wird schließlich dadurch Ausdruck gegeben, dass Gott seinen »Geist« auf ihn gelegt hat.[5]
Es ist ein dauernder Geistbesitz, ein beständiges Ausgestattetsein mit Gottes Kraft und Stärke, aber auch - wie die gleich anschließend genannte Aufgabe nahe legt – ein ständiges Ausgestattetsein mit Gottes Erkenntnis und Weisheit. Von daher auf das heutige Evangelium schauend stellen wir fest:
Schon die Sprache mit der die Gottesoffenbarung des Evangeliums eingeleitet wird, weist apokalyptische Züge auf. "Die Himmel spalten sich" macht anschaulich, dass Gott in sein Handeln Einblick gewährt oder daraus zum Handeln hervortritt.
Der Geist, geschaut in Gestalt einer schwebenden Taube, kommt auf Jesus herab. So wird plastisch ausgedrückt, dass Gottes Geist in diesem Erwählten für immer Wohnung nimmt, um in ihm sein Werk zu tun.

Dass Gottes Geist auf ihn herabkommt, wird im Evangelium verdeutlicht durch die von oben ertönende Stimme, die Jesus vernimmt als er aus dem Wasser steigt. Die Stimme wird inhaltlich ausgelegt durch Worte der Schrift, die vom Gottesknecht und vom königlichen Gesalbten sprechen: Jes 42,1-4 klingt an. „Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt und Ps 2,7 mit der Formel, die den König Jerusalems zum Sohn annimmt und unter die Macht Jahwes stellt: "Du bist mein Sohn, Ich habe dich heute gezeugt."
Jesus allein sieht und hört, und er allein ist im Markusevangelium durch die Stimme angeredet. Daran wird das unvergleichliche und unerreichbare Gottesverhältnis des Erwählten erkennbar.
Und doch Jesus lässt uns daran teilhaben. Er ermutigt uns, Gott so wie er zu trauen. Denn auch wir sind seit unserer Taufe von seinem Geist erfüllt. Auch uns hat er mit der Gabe des Geistes gestärkt dazu berufen für ihn und seinen Messias in der Welt Zeugnis abzulegen.
Und damit sind wir schon bei der

2.2 Aufgabe des Gottes Knechtes

Sie besteht darin, "den Völkern das Recht zu bringen." Die nichtisraelitschen Nationen, die sog. Heiden, sind die eigentlichen Adressaten seines Auftrages. Es geht darum, dass er den Rechtswillen Gottes als Grundlage für Frieden und Heil verkündet. Es ist sein prophetischer Auftrag, Jahwes Bote und Zeuge vor den Fürsten und Völkern zu sein, wie es schon ganz Israel aufgetragen war.
Auch uns wurde bei der Taufe gesagt, dass wir zu Propheten mit Heiligem Geist gesalbt sind, also dass wir im Sinne Jesu uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Prophet sein heißt auch Missstände und gefährliche Entwicklungen aufzudecken; für das Lebensrecht der Ungeborenen, der Kleinen, der Armen und Schwachen einzutreten. Die einmalige Würde eines jeden Menschen zu verteidigen und auch unsere Mitwelt und Mitgeschöpfe vor Zerstörung und Ausrottung zu bewahren.
Damit kommen wir wie von selbst zur

2.3 Wirkweise des Knechtes Gottes

Sein Auftreten hat etwas Behutsames, Zärtliches an sich:
"Er schreit nicht...Er lässt seine Stimme nicht hören auf den Gassen." Jedes Sich zur Schau stellen ist ihm fremd.
Damit steht er im Gegensatz zu den charismatisch-ethusiastisch sich gebärdenden Pseudopropheten.
Außerdem liegt ein offensichtlicher Gegensatz zum zeitgenössischen Perserkönig Cyrus vor, von dem im unmittelbar Vorausgehenden als von Jahwes Werkzeug die Rede ist: während Cyrus als Krieger im Kampf alles »zertritt« und »verwüstet«, so dass die Inseln vor ihm erzittern[6], waltet der »Knecht«, auf den »die Inseln harren«, seines ebenfalls weltweiten Amtes still und schonend.[7]
Person und Funktion des »Knechtes« (wie übrigens auch die Mission Israels) sind demnach nicht königlich-politischer, sondern vielmehr prophetisch-geistiger Natur. Denn, wie es wenig später heißenbeim Propheten Sacharia wird, »nicht durch Heeresmacht und nicht durch Gewalt, sondern durch den in ihm wirkenden Geist Gottes wird Heil«.[8]
In anschaulichen Bildern wird die Wirkweise des Gottesknechtes sichtbar: »Das geknickte Rohr bricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus«. Wohltuend spüren wir die nachsichtige Art, mit welcher der Gottesknecht seines Amtes waltet gegenüber den Armen und Unterdrückten, den Erschöpften und Müden, den Zerschlagenen und innerlich Zerbrochenen, den wie immer »Blinden« und »Gefangenen«. Was er zu künden hat, ist tröstende Frohbotschaft.
Damit ist wichtiges gesagt über

2.4 Unser Wirken als Christen

Wir als Kirche, sei es die Amtskirche oder die Laien werden daher versuchen, mit den uns begegnenden, suchenden, schuldig gewordenen Menschen so umzugehen wie Jesus. Jedenfalls nie hart urteilend und schon gar nicht verurteilend, sondern milde, erbarmend, ermutigend, aufrichtend, Hoffnung weckend und Liebe ausstrahlend.
Dabei sollen wir uns am Geschick des Knechtes und Sohnes Gottes orientieren. »Er ermattet nicht und bricht nicht zusammen«[9] Das heißt: dem Wirken des »Knechtes« wird schließlich Erfolg beschieden sein[10] allen Hindernissen und Schwierigkeiten zum Trotz.
Hier wird zum ersten Mal leise angedeutet, was dann von Lied zu Lied mehr und mehr betont und hervorgehoben wird: der Weg des Knechtes ist ein Leidensweg, der durch Misserfolg und scheinbare Sinnlosigkeit, durch Schmach und Schmerzen[11] in einen elenden Verbrechertod hineinführen wird, damit so und nicht anders »Jahwes Plan« zum Heil der »Vielen« endlich und endgültig gelinge.[12]
Die uns Christen heute entgegen blasende raue Luft, die Widerstände und Misserfolge, Verfolgung und Martyrium müssen uns nicht schrecken. Am gekreuzigten und auferstandenen Knecht Gottes werden wir uns aufrichten.
Das Evangelium begann mit den Worten:

2.5 "In Jenen Tagen kam Jesus aus Nazareth..."
Mit seinem Auftreten erfüllt sich das von den Propheten Vorhergesagte und beginnt zugleich Neues. Es bricht nach biblischem Sprachgebrauch die Endzeit des Heils an, die vom Heil Gottes erfüllte Zeit. Dies wird uns klar durch das, was sich damals zugetragen hat.Es in unseren Gottesdiensten immer wieder erinnernd, bleibt es in uns gegenwärtig und lebendig. Und wir dürfen, daraus lebend, die Gegenwart christlich gestalten und damit an einer guten heilvollen Zukunft mitarbeiten.

[1] L Jes 42,5a.1-4.6 -7 ; 2. L Apg 10,34 -38; Ev Mk 1,7 -11
[2] Mk 1,7b
[3] (Jes 52, 13-53, 12)
[4] 42,6 b
[5] 42,1
[6] (41, 2. 4. 25),
[7] (42, 2 ff).
[8] (Sach 4,6)
[9] (V 4a).
[10] (vgl. 52, 13ff: »Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben«)
[11] Vers 6
[12] (52, 13-53, 12)